Ohne Pressefreiheit fehlt der Demokratie die Luft zum atmen

Leider keine Ausnahme: Staatliche Übergriffe, Drohungen, Gewalt, sogar Mord. In vielen Ländern werden Journalisten unterdrückt. Die Lage der Pressefreiheit ist weltweit schlechter geworden. Deutschland fällt 2016 zurück auf Rang 16.

 

Mahnwache für die Opfer des Attentats auf Charlie Hebdo vor der französischen Botschaft in Berlin. Foto: Tim Rimmele
Mahnwache für die Opfer des Attentats auf Charlie Hebdo vor der Französischen Botschaft in Berlin. Foto: T. Rimmele

 

Ohne eine freie Presse ist Demokratie nicht denkbar. Pressefreiheit ist ein universelles Menschenrecht, das in Deutschland in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist. In diesen Tagen wird jedoch immer wieder bewusst, wie verletzlich sie ist. Der Fall Charlie Hebdo oder die Affäre Böhmermann zeigen: unsere Freiheiten sind auch in einer offenen Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit. Die Presse muss jeden Tag gegen Angriffe von Innen und Außen verteidigt und geschützt werden. Die Einschüchterung und Verfolgung von Journalisten nimmt in letzter Zeit auch in Europa und Deutschland zu. Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft dieses hohe Gut schützt. Dazu gehört auch: andere Meinungen zu tolerieren ebenso wie die Bereitschaft zur Selbstkritik. Vielfältige Ideen und Meinungen gibt es nur dort, wo es keinen Zwang und keine Zensur gibt. Wer sie attackiert, bedroht die Demokratie. Jedes Jahr am 3. Mai findet weltweit der Tag der Pressefreiheit statt. Dieses Jahr hat der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin sämtliche Mitglieder des Deutschen Bundestags angeschrieben und um ein Statement zur Freiheit der Presse gebeten.

Pressefreiheit bedeutet: Informationen und Meinungen unzensiert veröffentlichen zu können. Das ist ein Menschenrecht, das in Deutschland ungehindert ausgeübt werden kann. Damit es aber ausgeübt wird, braucht es weiterhin eine lebendige, vielfältige Presselandschaft. Weltweit müssen wir Pressefreiheit weiterhin einfordern und verfolgte Journalistinnen und Journalisten immer wieder unterstützen. Der 3. Mai ist der Tag an dem wir uns dessen in besonderer Weise besinnen sollten.

( Dr. Bärbel Kofler, SPD.  Mehr Statements gibt es hier. )

Pressefreiheit ist das Eine. Da wäre aber auch noch eine unabhängige Berichterstattung, die eng damit verflochten ist. Journalisten tragen eine hohe Verantwortung, ihre Aufgabe ist es informativ und sachlich, alle Fakten beleuchtend zu berichten. Leser sollten sich dagegen ausgewogen informieren, um Meinungen zu bilden und wohl überlegte politische Entscheidungen zu treffen. Neuartige Geschäftsmodelle wie etwa „Native Advertising“, die Nutzung getarnter Anzeigen zur Finanzierung von Medieninhalten, ist eine Gefährdung der unabhängigen Berichterstattung. Der Grund: Journalistisch wirkende Werbeanzeigen, sogenannte Native Ads, tauchen immer öfter in sozialen Netzwerken auf oder auf den Seiten als seriös geltender Medienhäuser. Nicht immer können Leser sie sofort als Werbung identifizieren. Ein schwieriges Unterfangen.

Journalisten zahlen einen hohen Preis

Hetze gegen oder Angriff auf Journalisten waren noch vor einigen Jahren kein großes Thema in Europa. Doch das hat sich spätestens mit dem Ukraine-Konflikt und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland drastisch verändert. Die diesjährige Bilanz von Reporter ohne Grenzen (ROG) ist ernüchternd, aber nicht wirklich überraschend. In vielen Ländern mit großen Parlamentsmehrheiten sind NGOs und die Presse oftmals die Einzigen, welche die Rolle des „Watchdogs“ (engl. für Überwacher) der Regierung übernehmen. Doch genau diese Rolle des kritischen Betrachters wird in diversen Mitgliedstaaten des Europarates zunehmend untergraben. Im Jahr 2016 sind Journalisten in Europa wiederholt Opfer von tätlichen Übergriffen und Einschüchterungskampagnen geworden, so der Bericht. Nach Angriffen auf Journalisten in Russland, der Ukraine und der Türkei listet der Bericht auch Übergriffe in Italien und Spanien auf.

Zu den größten Gefahren für die freie und unabhängige Berichterstattung gehören medienfeindliche, oft religiös eingefärbte Ideologien sowie repressive Gesetze. In einigen Ländern gibt es Sicherheitsgesetze, mit denen Redakteure wegen vermeintlicher Präsidentenbeleidigung, Gotteslästerung oder Unterstützung terroristischer Gruppen ins Gefängnis gebracht werden können. Auch von Oligarchen werden sie unter Druck gesetzt, die Medien in ihrem Besitz für ihre politischen oder wirtschaftlichen Zwecke instrumentalisieren wollen. „Viele Staatsführer reagieren geradezu paranoid auf legitime Kritik durch unabhängige Journalisten“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Wenn sich selbst-herrliche Präsidenten und Regierungen per Gesetz jeder Kritik entziehen, fördert das Selbstzensur und erstickt jede politische Diskussion. Dabei sind lebendige, debattierfreudige Medien gerade dort nötig, wo die Probleme am größten sind und sich Gesellschaften über den besten Weg in die Zukunft verständigen müssen.“

Zunehmende Selbstzensur

Auf Initiative des Europarates wurde im April 2015 das Internetportal zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit eingerichtet. Die Seite entstand in Zusammenarbeit mit verschiedenen Presseorganisationen, darunter die Association of European Journalists (AEJ) und Reporter ohne Grenzen. Sie soll neben aktuellen Beispielen einerseits Gefahrenzonen für kritische Berichterstattung identifizieren und so als Frühwarnsystem für Journalisten wirken, andererseits erhofft man sich, durch Transparenz und öffentlichen Druck auf die jeweiligen Regierungen den Status quo zu verbessern. Der Bericht aus 2016 von ROG, identifiziert auch die Selbstzensur als große Gefahr. Wenn sie sich für kritische Berichterstattung mit Strafsteuern oder kostspieligen Gerichtsverfahren konfrontiert sehen, wird die öffentliche Debatte zu kontroversen Themen gefährdet. Auch kommen die Verantwortlichen solcher persönlicher Angriffe nur selten vor Gericht.

Neben Datum, Land und Art der Gefahr (Bedrohung der Pressefreiheit, Attacke auf die körperliche oder seelische Integrität der Redakteure) nennt das Portal des Europarates auch verifizierte Quellen, den Aggressor (meist die Regierung) sowie das Alert-Level. Seit Gründung der Initiative wurden in 160 Fällen, in 26 Ländern Warnungen ausgesprochen und 13 Journalisten und Journalistinnen getötet. Zurzeit sind 52 Meldungen verzeichnet. Die neueste Warnung betrifft die zwei türkischen Journalisten Ceyda Karan und Hikmet Cettinkayadie der Zeitung „Cumhuriyet“, die zu zwei Jahren Haft verurteilt wurden, weil sie die Mohammed-Karikatur des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ veröffentlicht haben.

Ein Update der Pressefreiheit

Die Rangliste der Pressefreiheit von ROG vergleicht die Situation für Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Im Fokus steht dabei das Kalenderjahr 2015. Grundlagen der Rangliste ist ein ausführlicher Fragebogen zu allen Aspekten unabhängiger und freier Berichterstattung sowie die von ROG ermittelten Zahlen von Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen gegen Journalisten. Daraus ergeben sich für jedes Land Punktwerte, die im Verhältnis zu den Werten der übrigen Länder die Platzierung in der Rangliste bestimmen. Je nach dem Abschneiden anderer Staaten kann es deshalb im Einzelfall in der Rangliste aufrücken, obwohl sich seine Punktzahl verschlechtert hat. Deutschland hat sich in der diesjährigen Rangliste um vier Plätze auf Rang 16 verschlechtert – eine Folge der stark gestiegenen Zahl von Anfeindungen, Drohungen und gewalttätigen Übergriffen gegen die Presse. Markus Beckedahl von netzpolitik.org wünscht sich im Interview mit politikorange auf der re:publica TEN ein „Update der Pressefreiheit in Deutschland“. Bisher schützt Europa und Deutschland seine Journalisten nach wie vor zu wenig. Bleibt zu hoffen, dass der Wunsch von Beckedahl in Erfüllung geht. Schließlich garantiert Pressefreiheit nicht nur eine unabhängige Berichterstattung, sondern es geht auch um das Wesen der Demokratie in einer offenen Gesellschaft.

Andreas Rossbach

Man soll hier eine Kurzbeschreibung zur Person schreiben. Sowas übt immer enormen Druck auf mich aus. Also: Ich studiere Internationalen Journalismus in Berlin und wenn ich nicht gerade in Vorlesungen und Seminaren sitze, dann schreibe ich gerne Artikel für Zeitungen, Magazine und Blogs. Ich bin ein Mittzwanziger der Generation Y und laut einer Studie bin ich in der Quarterlife-Crisis. Wenn das stimmen sollte, dann lautet die gute Nachricht: Krisen stellen sich oft als gut heraus, weil sie Veränderungen in Gang bringen. Und mit Anfang 30 ist die Krise ohnehin meist ausgestanden, zumindest bis zur Midlife-Crisis.

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