Seitdem die Muthesius Kunsthochschule in Kiel neue Räume bezogen hat, ist der alte Gebäudekomplex am Lorentzdamm zu einem kreativen Zentrum Kiels geworden. Kein Wunder also, dass sich während dieser Tage ZukunftsTour und AlteMu mehrmals begegneten.
Ich betrete die Alte Mu. Davor scharen sich junge Menschen mit Geflüchteten um ein Lagerfeuer und grillen. Direkt nach dem kleinen Atrium befinde ich mich auf einem langen Innenhof, den die Alte Mu in ihrer Mitte beherbergt. Mit einer selbstgezimmerten Sitzecke, bemalten Hauswänden und Pflanzenbeeten soweit das Auge reicht, vermittelt die Alte Mu eine spannende Atmosphäre.
Zu Recht, längst hat sich die ehemalige Kunsthochschule im Herzen Kiels zu einem kulturellen Treffpunkt entwickelt, an dem sich Studenten*innen, Kreative und interessierte Bürger*innen zuhause fühlen.
2012 wurden die Gebäude am Lorentzendamm frei. Kurz darauf nistete sich das Social Start-Up Kieler Honig hier ein. Eine Kettenreaktion begann: Schnell kam das Projekt Goldeimer, die ökologische Komposttoiletten für Festivals entwickelten, um mit den Erlösen Wash-Projekte von Viva con Agua zu unterstützen. Andere folgten. Heute gibt es neben Fahrradkino, Craft Beer und Stadthonig auch offene Werkstätten und ein Urban Gardening Projekt als Rahmenprogramm der ZukunftsTour.
Es entstand eine offene Gemeinschaft mit eigenem demokratischen Forum. Einige würden vielleicht sogar Szene sagen. Eine Szene die im starken Kontrast zur restlichen Nachbarschaft steht. Villen säumen sich links von den Gebäuden der alten Mu, quer gegenüber das Steigenberger Hotel.
Alte Mu als Spielwiese von Social Entrepreneurship
Die Alte Mu bietet ideale Bedingungen für Start-Ups, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben: Niedrige oder gar keine Mieten, eine enge Vernetzung mit dem Ideenwettbewerb Yooweedoo und Synergieeffekte mit anderen Projekten.
Als „einen wilden Zusammenschluss aus lauter aktiven Leuten, die eine eigene Idee haben und gemeinsam probieren sie umzusetzen“, beschreibt Max von Moszczenski, Gründer von Rostlatte – einer jener Start-Ups – die Alte Mu. Sie wird gebraucht.
Das wurde auch während der Flüchtlingskrise klar, als in der Alten Mu Geflüchtete untergebracht und von Ehrenamtlichen bekocht wurden. Die Stadt Kiel war da schon an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Aber auch in anderer Hinsicht ist sie unersetzlich. Als kreative Spielwiese bietet sie Lösungsmöglichkeiten für eine gerechtere und nachhaltige Zukunft. Kein Wunder also, dass diverse Projekte des kreativen Zentrums auf der Zukunftstour gastierten, als eindrucksvolle Paradebeispiele nachhaltigem Handelns und Wirtschaftens.
„Mutivation“ für die Zukunft?
Für die Alte Mu hingegen ist die Zukunft weiter ungewiss. Inzwischen hat sich ein Verein für ihren Erhalt gegründet. Die alten Gebäude sollten nämlich abgerissen werden. Wohnungen sollten dort gebaut werden, was das aus für viele der dortigen Projekte und deren kreatives Schaffen bedeutet hätte.
Doch noch ist es zum angestrebten Mietvertrag zur Zwischennutzung nicht gekommen, wie Vorstandsmitglied Felix Wenning vom Alte Mu Impulswerk e. V. berichtet. Der Verein will nach eigenen Angaben „einen solidarischen Ort für eine zukunftsfähige Gesellschaft kreieren” und sieht sich als „Leuchtturmprojekt“. Ein solcher Mietvertrag wäre da ein Schritt in die richtige Richtung.
Vorbilder haben sie schon. Im Rahmen der Zukunftstour war Fabian Eschkötter von der fux eG zu Gast in der Alten Mu. Er erzählte wie sie es mithilfe eines Genossenschaftsmodells geschafft haben, die ehemalige Viktoriakaserne in Hamburg-Altona zu einem gemeinschaftlich betriebenen Produktionsort umzuwandeln. Jetzt finden dort Kultur, Gewerbe und die Zivilgesellschaft ihren Platz.
Ich verlasse den alten Gebäudekomplex und schaue nochmal zurück. Erst jetzt bemerke ich das große Bauschild quer neben dem Eingang – darauf zusehen die Zukunftsvision der Alten Mu: die „Mutopie“. Grüne Dächer, genossenschaftliches Wohnen, Platz für Projekte, Initiativen oder Start-Ups: ein Dorf in der Stadt soll sie werden.