Esther Perbandt ist Modedesignerin mit einer besonderen Agenda. In dieser Rolle ist sie auch auf der Zukunftstour in Stuttgart unterwegs – und verrät Hintergrundinformationen aus den Tiefen der Modeindustrie.
Als hätte sie sich dem grauen Vormittag am Rande der Stuttgarter Peripherie angepasst, trägt Esther Perbandt schwarz – von oben bis unten. Schwarzer Hut, schwarze Haare, schwarzes Kleid, schwarze Schuhe. Doch das ist ihr nicht genug – sie will das Schwarze unter die Leute bringen und mit ihrem Modestil begeistern. Farbe war gestern, auch für Esther Perbandt. Sie hat alles ausprobiert, aber das Schwarze – das ist geblieben.
Ihre Besucher auf der Zukunftstour in den Stuttgarter Wagenhallen empfängt Esther Perbandt in einem minimalistischen Gebäude. Man könnte es ob der Größe auch Raum nennen, aber es steht dort so verloren, dass auch das nicht passt. Dicht gedrängt zwängen sich fünf Personen in das fensterlose Kabuff, im Hintergrund dröhnt ein Fernseher. Immer wieder unterbricht Perbandt sich selbst, um ihre dröhnenden Erzählungen im Hintergrund auszuschmücken – denn die Stimme im Fernseher: das ist Perbandt selbst.
Der Wille war da…
Wenn Esther Perbandt über die Verfehlungen in der Textilindustrie spricht, wirkt sie resigniert. Die Designerin hat selbst erlebt, was es heißt, faire Kleidung anbieten zu wollen. Ihre Geschichte ist Eine, in der Scheitern eine Rolle spielt. Gerade weil die Designerin weiß, welche Herausforderungen faire Kleidung sowohl an die Konsumenten als auch an die Produzenten stellt, ist sie im Auftrag des Bundesministeriums für Entwicklung und Zusammenarbeit nach Bangladesch gereist. Von ihren Erfahrungen dort erzählt der Film, der im Hintergrund läuft.
estherperbandt hat sie ihr Modelabel genannt. Kein innovativer Name, aber einer, der der Größe ihres Unternehmens angemessen ist. „Ich bin ein Ein-Frau-Betrieb“, sagt Perbandt, um die Aussage sofort zu korrigieren: „Naja, oft habe ich auch ein, zwei Praktikanten, die mit im Team arbeiten“. Vor zwölf Jahren hat Perbandt ihr Label gegründet. Schon früh kam ihr der Gedanke, mit ihrer Arbeit auch etwas Gutes tun zu wollen. Fair zu produzieren – und zwar komplett – schien ihr der richtige Weg zu sein. Ein Wunsch, der Perbandt bald schon auf den Boden der Tatsachen knallen ließ. „Bedingungslos fair produzieren als Kleinunternehmerin? Da bin ich schnell an meine Grenzen gestoßen“, berichtet Perbandt. Mit dem Umstieg auf faire Herstellung stiegen nicht nur die Preise, während die Margen – dem Versuch geschuldet, die Preise einigermaßen stabil zu halten – trotzdem sanken. Auch die Kunden hielten wenig von der nachhaltigen Idee und kehrten Perbandts Label den Rücken. Am Preis allein lag das nicht, produziert Perbandt doch vornehmlich für Menschen im oberen Einkommensbereich. „Meine Kunden sind zwischen 45 und 65 Jahre alt“, so Perbandt und liefert die Erklärung gleich mit: „Die können sich auch teurere Kleidung leisten.“
… Probleme leider auch
Zuverlässigkeit kann – da macht die Textilindustrie keine Ausnahme – über Wohl oder Verderb entscheiden. Mit dem Umstieg auf faire Kleidung lies das Label von Perbandt die nötige Kontinuität in immer regelmäßigeren Abständen missen. „Der Umstieg fand auch bei den Zulieferern statt. Die fair produzierenden Zulieferer haben nicht in den Mengen produziert, wie ich das vorher kannte“, so Perbandt. Die Folge: Immer wieder waren Stoffe nicht verfügbar, Aufträge mussten storniert werden. Esther Perbandt gesteht heute: „Mit meinen Stückzahlen war auch niemand bereit, über Nacht die gewünschten Stoffe herzustellen“. Das Ergebnis: „Ich bin in eine Schraube reingekommen, die mich auch wirtschaftlich an Grenzen brachte.“.
Die Fernsehkamera ist nun auf Perbandt fokussiert. Ihre Stimme übertönt das Rattern der Maschine im Hintergrund. Wer eine Schimpftirade auf die Textilindustrie hören möchte, ist bei Esther Perbandt falsch. Ihre Kritik übt sie wohldosiert, vermeidet, einzelne Unternehmen beim Namen zu nennen und an ihnen die Missstände in der Verarbeitung von Textilien zuzuspitzen. „Immer mehr Unternehmen haben den Wandel der Zeit erkannt und sind bereit, kleine Schritte in Richtung einer fairen Produktion zu gehen“, so Perbandt. Sie führt das auch auf den Druck der Gesellschaft zurück, die „faire Herstellung zunehmend aktiv“ einfordere. Perbandt vertraut auf die Kraft von Twitter, Facebook & Co. – der Macht der sozialen Netzwerke. Sie fordert ein, dass die Anspruchshaltung gegenüber einer fairen Produktion vor allem durch junge Menschen im Internet durchgesetzt werden müsse. Sie gibt sich optimistisch: „Schon heute sind die Auswirkungen des gesellschaftlichen Drucks auf die Unternehmen spürbar. Es funktioniert nicht mehr so einfach, schlechte Arbeitsbedingungen und Reputation zu kombinieren“.
Fortschritte sind zu erkennen
Die Kamera zoomt ein letztes Mal heraus. Zu sehen ist die große Halle, in der hunderte von Näher*innen an Tischen sitzen, farbenfrohe Kleidung tragend. Sie scheinen die Kamera bemerkt zu haben und setzen ein Sonntagslächeln auf. Perbandt nutzt den Schwenk über die riesigen Arbeitshallen, um über ihre Erfahrungen in Bangladesch zu erzählen. „Hier wurde der Sinneswandel für mich greifbar“, so Perbandt. Die zwei Fabriken, die sie besucht hat, verfügen über Kindergärten und Verpflegungsstationen für die Jüngsten. Auch ein Mindestmaß an medizinischer Versorgung ist gewährleistet. Während ihrer Reise durch Bangladesch hat Perbandt diverse Projekte besucht. Viele von ihnen wurden als Antwort auf den Einsturz der Fabrik in Rana Plaza 2013 entwickelt. In diesen sieht sie großes Potential. „Nur selten haben die Näher*innen in den Fabriken eine echte Schneiderausbildung. Das hat sich seit den Projekten für viele geändert“, so Perbandt. Die ausgebildeten Näher*innen gehen häufig in ihre Heimatstädte um dort weitere Arbeiter*innen auszubilden. Viele von ihnen machen sich selbstständig und können einen Unterhalt erwirtschaften, der zum Leben reicht.
Jeder kann etwas tun
Trotz der Begeisterung: Perbandt ist keine Illusionistin. Sie weiß, dass die zwei Fabriken – sie selbst bezeichnet sie als „Vorzeigefabriken“ – kein flächendeckendes Bild zeichnen. Immer wieder wurde sie mit ihrem Team von der lokalen Geheimpolizei verfolgt, oft stundenlang. „Dass wir in den schlimmsten Fabriken filmen, war von Anfang an ausgeschlossen und unmöglich“, sagt sie. Die Angst, Aufträge zu verlieren, sei zu groß gewesen. Der Film ist am Ende angelangt, der Abspann läuft. Zeit, Perbandts heutige Situation zu hören. Eine gesunde Mischung zwischen Wirtschaftlichkeit und fairer Produktion hat die Designerin für sich gefunden. Heute stellt sie nicht den Anspruch an sich und ihre Kunden, jeden Bereich der Produktionsmöglichkeiten fair zu bestreiten. Sie geht den Weg der wohldosierten Schritte. Solche, die für sie auch realistisch nachprüfbar sind. „Als Kleinunternehmerin werde ich keine besseren Arbeitsbedingungen in allen Fabriken dieser Welt durchsetzen können. Sehr wohl kann ich mir aber aussuchen, wo ich produziere und so einen gewissen Druck auf den Markt ausüben“. Das tut Perbandt. In Polen und Deutschland, in Ländern, denen Perbandt eine faire soziale Behandlung attestiert, lässt sie ihre Kleidung nähen. Stoffe bezieht sie aus Frankreich und Italien.
Trotz aller Erklärungen: Auch die letzten Skeptiker möchte Perbandt davon überzeugen, dass Veränderungen möglich sind. Dazu verweist sie auf das Bio-Siegel. „Früher hat auch niemand geglaubt, dass wir mal maßvoller mit unserer Ernährung umgehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich hier Einiges verbessert hat. Denn unser Ziel muss sein, besser zu werden – nicht perfekt zu sein!“