Dystopische Vorstellungen vom Überwachungsstaat, der seine Bürger kontrolliert, gehen mit jedem technologischem Fortschritt einher. Im 21. Jahrhundert ist die Gesellschaft an einem Punkt angelangt, an dem die Erscheinungen der Digitalisierung fester Teil unseres Lebens sind.
Jugendliche wachsen in dieser Welt als „digital natives“ auf und empfinden sie als Normalität. Ängste, die man früher als Science-Fiction abgetan hatte, sind mittlerweile real geworden. Der NSA-Skandal zeigte der Öffentlichkeit, dass flächendeckende Überwachung möglich ist. Nun stellt sich für jeden Menschen die Frage, wie viel Komfort er für den Schutz seiner Privatsphäre abzugeben bereit ist. Doch will man überhaupt auf die vielen Vorzüge verzichten?
Durch die Nutzung von Smartphones sind wir überall und jederzeit erreichbar, sei es zuhause, im Schulunterricht oder am Arbeitsplatz. Vieles wird auf diese Art effizienter, der Austausch wichtiger Dokumente gelingt in wenigen Sekunden. Relevante Informationen sind sofort abrufbar. Die Folgen sind ambivalent: Auf der einen Seite geht vieles leichter, andererseits gibt es keine Trennung mehr zwischen Schul- beziehungsweise Arbeits- und Privatleben. Ist einmal ein Kontakt hergestellt, können höhergestellte Personen ihn jederzeit anfordern. Vor diesem Kommunikationsüberschuss gibt es keinen vernünftigen Schutz, könnte man beim Abmelden von entsprechenden Diensten doch wichtige Informationen verpassen.
Kann eine Vorratsdatenspeicherung Terrorismus verhindern?
Leider ist jeder gut vernetzte Mensch auch gut ausspähbar. Vielleicht nicht mit der Effizienz der Geheimdienste, aber mit ähnlichen Methoden kommen auch unerfahrene Nutzer an persönliche Informationen ihrer Mitmenschen. So können beispielsweise wenige Klicks auf Facebook Einblick in politische Ansichten des Nutzers geben. Diese Eingriffe in die Privatsphäre muten noch harmlos an, da es ja jedem selbst überlassen ist, wie und ob er sich auf sozialen Netzwerken positioniert. Mit staatlichen Mitteln wird eine umfassendere Kontrolle möglich. Mutmaßliche Straftäter können mit Bewegungsprofilen, die durch Auswertung privater Daten angefertigt werden, leichter verfolgt und erfasst werden. Beschützt uns dieses System nun, oder bedroht es unsere Freiheit?
Die Antwort darauf zu finden, erweist sich als schwierig. Angesichts weltweiter Terrorgefahr scheint ein stärkerer Eingriff in die Privatsphäre für viele Politiker gerechtfertigt. Jedoch gelang es trotz Vorratsdatenspeicherung in Frankreich nicht, die Anschläge vom 7. Januar zu verhindern. Wie soll Terrorismusbekämpfung dann in einem Land funktionieren, in dem Neonazis jahrelang ungestört morden konnten? Und wer verhindert, dass ein solches System nicht missbraucht wird? Ohne eine aktive Auseinandersetzung mit diesen Fragen droht uns vielleicht etwas, das fern von jedem Bild einer gerechten Gesellschaft liegt.