Covid-19 – die gemeinsame Lücke im Lebenslauf

Jung, dynamisch und momentan etwas perspektivlos – die Pandemie raubt derzeit vielen gutausgebildeten Personen jegliche realistische Einschätzung des Arbeitsmarktes. Doch die Lehren des letzten Jahres können in Bewerbungsverfahren durchaus qualifizieren. Eine Glosse von Jasmin Nimmrich.

Lebenslauf der Generation Z mit Lupen-Vergrößerung auf Fragezeichen bei "Erfahrungen", daneben Handy, Cent-Münzen, FFP2 Maske und Stift.
Die Angst vor der Corona-Lücke im Lebenslauf. Foto: Jugendpresse Deutschland/ Finja Pollen

Die Frage nach besonderen Fähigkeiten in Bewerbungsverfahren und die obligatorische Angabe weiterer Kenntnisse auf dem Lebenslauf haben mich schon immer vor ein Problem gestellt. Was beherrsche ich, dass sich für die ausgeschriebene Stelle als nützlich erweist und nicht zu überheblich rüberkommt? Womit kann ich meine*n potentielle*n Arbeitgeber*in beeindrucken?

Mit meiner fantastischen, veganen Lasagne biege ich im Alltag eigentlich jeden Willen zu meinen Gunsten und mit etwas flüssiger guter Laune intus, pointiere ich auch jeden noch so lahmen Witz. Nach nun fast anderthalb Jahren Pandemie, einem halben akademischen Abschluss und einer absoluten Grenzerfahrung für meine Laptopbatterien, kann ich reflektieren: diese Fähigkeiten gehen momentan nicht unbedingt weg wie heiße Semmeln.

Ein Drahtseilakt

War der Arbeitsmarkt vor dem Ausbruch der Pandemie schon angespannt, ist das Drahtseil heute nun definitiv gerissen. Viele gut ausgebildete Personen können ihr in Ausbildung oder Studium erlangtes Wissen, aktuell gar nicht anwenden. Andere sammeln immer weiter Zoom-Meeting-Passwörter und Sitzfleisch, ohne erahnen zu können, für was für eine Arbeitswelt sie sich eigentlich qualifizieren.

Aber zumindest stehen wir junge Menschen nicht allein am Wartegleis und halten Ausschau nach besseren Zeiten. Die Aussicht ist doch eigentlich gar nicht so schlecht, wenn man sich immer wieder erinnert, dass wir alle gemeinsam und füreinander verzichten. Und an der Geschwindigkeit, in der vertane Chancen für politische Maßnahmen vorbeiziehen, kann man sich dann fast schon erfreuen – wäre es halt nicht unsere Zukunft, der wir hinterherwinken. Aber scheinbar ist das der Nervenkitzel der Jahre 2020/21.

Pandemie-Level: Fortgeschritten

Mit solchen nihilistischen Floskeln disqualifiziere ich mich aber ziemlich sicher aus jedem Bewerbungsverfahren. Widmen wir uns also den Qualifikationen, die uns zwei Lockdowns, zahlreiche Unternehmensschließungen, nicht-begonnene oder unterbrochene Ausbildungen und Online-Lehre beschert haben.

Primär wäre da zu betonen: ich habe aus eigener Kraft die emotionalen, gesellschaftlichen und gesundheitlichen Belastungen einer Pandemie überstanden (und bin immer noch dabei). Das spricht für ziemlich vieles: Belastungsfähigkeit, Selbstständigkeit, Disziplin, Ehrgeiz und Willenskraft. Oder halt auch einfach nur dafür, dass ich mich an die äußeren Umstände anpassen kann, die andere festlegen und die ich zu akzeptieren habe. Das zu betonen, empfehle ich allerding nicht. Positive Formulierungen kommen, in fast jeder Lebenslage, deutlich besser an.

Deshalb: ich bin jung, ich bin gut ausgebildet, ich habe während einer Pandemie die absoluten Abgründe unserer Gesellschaft kennengelernt und ich bin perfekt geeignet für die ausgeschriebene Stelle, wenn Sie endlich umsetzen wollen, was schon vorgestern hätte erledigt werden sollen.

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