Show me what democracy looks like!

„Everyday Rebellion“, ein Film gezeigt von Vamos e.V. bei der Eine-Welt-Landeskonferenz, zeigt auf mitreißende Art und Weise, wie Demokratie aussehen und wie man mit kreativen Mitteln dafür kämpfen kann. politikorange-Reporterin Hannah Lee war dabei.

Öffentlicher Protest, auf einem Schild steht: „We will not be silenced“ I Foto: Unsplash

 

Bilder von nächtlichen Straßen und Demonstrationen prägen die Szene. Eine Frau flüstert auf Spanisch:

Wir sind Menschen wie du. Normale, arbeitende Leute. Aber: Wir sind besorgt und wütend.”

Es dreht sich um Indignados, eine spanische Bewegung von 2011, die sich friedlich für soziale, wirtschaftliche und politische Gleichheit einsetzte. Im Film wird gezeigt, wie ein Chor in spärlich erhellten Publikumsrängen singt. Die Menschen singen andächtig und klar: „Le llaman democracia, pero no lo es.“ Sie nennen es Demokratie, aber es ist keine. Das Protestvideo und der Text des Lieds soll den Schwächeren und Ärmeren des Landes helfen. Sie sind die am stärksten betroffenen Opfern der damaligen spanischen Wirtschaftspolitik. Aktionen wie dieses Video sind neue, effektive Wege, Proteste anzukurbeln und sein Anliegen ins Licht zu rücken. 

Gewaltfreier Protest ist effektiver als gewaltsamer

Den Film „Everyday Rebellion“ könnte man auch eine Collage nennen. Denn der Film zeigt nicht nur irgendwelche Szenen, sondern unterschiedliche Bewegungen und Protestreihen und verknüpft diese mit Geschichten von persönlichen Schicksalen. Der Film ruft dazu auf, selbst aktivistisch zu handeln, kurz: mitzumachen. Das Schöne daran ist, dass er trotz aller portraitierter Brutalität und Unrecht, immer noch Mut macht.

So sagt Erica Chenoweth, die im Zusammenhang mit Occupy Wall Street im Film als Politikwissenschaftlerin und Professorin auftritt, dass entgegen allgemeinen Glaubens tatsächlich gewaltfreier Protest effektiver sei als gewaltsamer. Den ausschlaggebenden Punkt stelle nämlich die Solidarität und das ethische Gewissen dar, das nahezu jeder Mensch in sich trage.

Zu sehen, wie unbewaffnete Menschen, die für ihre Rechte auf die Straße gehen, niedergeprügelt werden, löse etwas in uns aus. Selbst wenn ein Anliegen gerechtfertigt ist, sympathisieren wir weniger mit Revolutionär*innen, die unmoralische Taten vollbringen. Somit sind wir auch weniger gewillt uns ihnen anzuschließen. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Tatsache, dass bei gewaltfreiem Protest das Wort eine größere Rolle spiele. Meinung, Vision und Lösungsvorschläge seien essentiell. Nicht zuletzt, um beim Wiederaufbau Einfluss nehmen zu können.

Eine für alle und alle für Eine

In „Everyday Rebellion“ dreht sich alles um den Zusammenhalt zwischen Menschen. Als Einzelperson kann man nichts bewirken. Es ist wichtig einen möglichst großen Konsens mit möglichst vielen Menschen zu finden und dann als Gemeinschaft daran zu arbeiten, die festgelegten Ziele zu verwirklichen. Der Film zeigt Szenen von Workshops, auf der Straße und in Konferenzräumen. Die Teilnehmenden lernen, wie sie sich durch horizontale Prozesse, also möglichst hierarchiefreie Entscheidungsfindung und Aufgabenverteilung, organisieren können. Außerdem erlernen sie, gewaltfreien Protest zu praktizieren.

So lernen zum Beispiel New Yorker*innen friedlich die Wall Street zu blockieren, oder ukrainische Frauen, wie sie mit ihren nackten Körpern Statements setzen können, wie man dann beim Protest damit umgeht, wenn die Polizei eintrifft, welche Rechte man hat und wie man ordnungsgemäß reagieren kann. Klingt vielleicht extrem, aber es geht darum, ein Zeichen zu setzen und nicht um den Akt an sich. Symbolisch, metaphorisch – nenne man es, wie man will. Eine Botschaft wird gesendet, ohne brutale Maßnahmen zu ergreifen. Inna Schewtschenko, Aktivistin bei FEMEN und deren Hauptrepräsentantin bei Everyday Rebellion, betont den Unterschied zwischen Aggression und Brutalität. Ja, sie wollen Aggression zeigen, sie seien schließlich wütend. Jedoch überqueren sie die Grenze zur Gewalt niemals, sondern belassen es bei Provokation. In der Ukraine, wo FEMEN seinen Ursprung findet, wurde sie vom Geheimdienst verhaftet, misshandelt und mit dem Tode bedroht, bis sie Exil in Frankreich fand. Für sie war es trotz alldem jedoch nie eine Frage, ob sie weitermachen sollte oder nicht.

„I was fired from my job after my first protest – they were not topless yet – they said I couldn’t work and protest at the same time. So I said, okay, I will protest. For all the women that want to work.“

Dass man verhaftet werden könnte, ist eine Tatsache der man ins Auge blicken muss. Irgendjemand muss hinhalten, aber sie können nicht alle einsperren. Was zählt, ist die Gruppe, die Bewegung; nur gemeinsam kann man es schaffen wirklich etwas zu verändern.

Everyday Rebellion gibt Hoffnung und Hilfestellungen mit vielen Ideen alternativer Proteste, bei denen man nicht unbedingt Kopf und Kragen riskiert, da man nicht unbedingt durch physische Anwesenheit seine Überzeugungen bekennen muss. Im Iran, wo nicht nur das eigene Wohl, sondern auch das der Familie bedroht wird, wenn man sich auflehnt, wurde die Botschaft damals auf Geldscheine geschrieben, um sie anonym in Umlauf zu bringen. Alternative Protestformen können also Leben retten.

„We will never stop“ ist ein Satz, der auf die eine oder die andere Art immer wieder im Film geäußert wurde. Ein Mann beteuert im Interview, er verstehe nicht, wieso die Regierung überhaupt noch versuche sie aufzuhalten. Solange Macht missbraucht wird, wird es auch Menschen geben, die sich dagegen wehren. Sie denken sie können die Proteste mit Terror und Gewalt ersticken, aber er wisse, dass die Proteste niemals ein Ende haben werden, bis Gerechtigkeit bestehe. Sie lassen sich also nicht einschüchtern, sondern finden einfach andere Wege Widerstand zu leisten.

Ein Bild spricht mehr als 1000 Worte

Brunnen gefärbt in blutrot, ein abgesägtes Kreuz vor einer Kirche – solche Bilder lösen Gefühle aus, brennen sich in das Gehirn. Eine klassische Demonstration, organisiert, angekündigt und zivilisiert, hat nicht denselben Effekt. „Menschen sterben, Blut fließt!“, scheinen die roten Gewässer förmlich zu schreien. Die in den prachtvollen Brunnen sprudelnden Gewässer, um die sich die Stadt eher zu kümmern scheint, als um ihre Einwohner*innen. Es ist der Überraschungseffekt und die Neugier der Passant*innen, der dafür sorgt, dass die Botschaft nicht nur gehört, sondern auch gespeichert und diskutiert wird. Die Präsenz des Widerstands offenkundig zur Schau gestellt, starke Meinungen plakatiert mit einer einzigen, aussagekräftigen Geste. So ein geradezu theatralisch anmutender Effekt erfüllt seinen Zweck mindestens genauso gut, wie eine parolenrufende Menschenmenge mit Schildern. Die Kontroverse setzt noch einen drauf. Ziviler Ungehorsam, Regeln brechen, sich den öffentlichen Raum zu eigen machen, um ein öffentliches Statement zu setzen.

Wenn man also nicht nur dasitzen und zuschauen will, wie das eigene Land regiert wird, hat man so viele Möglichkeiten, zu protestieren und seine Meinung zu äußern, wie die eigene Fantasie es zulässt. Jedoch gehört auch ein bisschen Risikobereitschaft dazu, wenn man etwas verändern will. So… Show me what democracy looks like.

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