Die Legalisierung von Cannabis und die Ignoranz der Union

Wir schreiben das Jahr 2020 und Cannabis ist immer noch illegal. Die Drogenpolitik von CDU/CSU erachtet politikorange-Redakteur Benjamin Müller als systematische Ignoranz. Eine Glosse.

Foto: Christopher Folz
Foto: Christopher Folz

Die Drogenpolitik der Bundesregierung im Jahr 2020 zu kommentieren ist eigentlich eine müßige Angelegenheit, wo doch schon so viele Kommentare die Absurdität der Drogenpolitik der Union darlegen. Allerdings hat es im vergangenen Jahr eine Kehrtwende gegeben: Die ehemalige Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU), die sich mit herausragender Kompetenz vor allem im Umgang mit Cannabis profiliert hat, konnte einen Sitz im Europäischen Parlament ergattern, wodurch ihr Posten wieder vakant wurde. Am 10. September 2019 wurde Daniela Ludwig (ebenfalls CSU) zur neuen Bundesdrogenbeauftragten ernannt. Innerhalb von weniger als einem Jahr hat sie es geschafft, die massiven Fußstapfen, die ihre Vorgängerin hinterlassen hat, vollständig auszufüllen. Nun könnte das vollständige Argumentationsrepertoire Ludwigs und ihrer Wegbereiterin hier ausgebreitet werden. Allerdings trifft stetiges Rezitieren von ,,Cannabis ist kein Brokkoli“ und ,,Cannabis ist verboten, weil es eine Illegale Droge ist“ nicht den Kern des Problems, sondern demütigt nur die Bundesdrogenbeauftragte, welcher die unsägliche Aufgabe zufällt, die machtlose Botschafterin der ideologisch motivierten und logikfernen deutschen Scheuklappendrogenpolitik zu sein.

Ein Blick über die Ländergrenzen

Bei Drogenpolitik geht es selbstverständlich nicht nur darum, ob und wann Cannabis legalisiert wird, es geht nicht mal nur im Allgemeinen darum festzulegen, welche Substanzen legal oder illegal sind. Laut Bundesgesundheitsministerium soll Drogenpolitik sicherstellen, dass sowohl legale als auch illegale Drogen gewissenhaft und geringen Mengen konsumiert werden. Und genau das ist der Knackpunkt: Wie soll ein gewissenhafter Umgang mit illegalen Drogen aussehen? Ein von der CDU gerne genutztes Motiv ist der ach so böse Berliner Görlitzer Park, der Tag für Tag von hunderten kriminellen Drogenhändler*innen geflutet wird. Für den gewissenhaft Konsum von Cannabis sind die Konsumierenden nun dazu gezwungen, sich gewissenhaft mit kriminellen Drogenhändler*innen auseinanderzusetzen, gewissenhaft vollkommen unregulierte Drogen zu kaufen und sich dabei gewissenhaft strafbar zu machen. Richtet man nun den Blick von Berlin einige hundert Kilometer weiter nach Westen, dann fällt auf, dass bei gleicher Konsumabsicht ein Ausweis von den Käufer*innen verlangt wird, dass die Verkäufer*innen ein Geschäft führen und eine Gewerbelizenz besitzen, dass sie Steuern bezahlen und es Höchstabgabemengen und Qualitätsvorschriften gibt, denen die Verkäufer*innen Folge leisten müssen. So sieht es nämlich aus, wenn in den Niederlanden Cannabis gekauft wird. Ein ähnliches Modell findet sich in Kanada und einigen Bundesstaaten der USA. In Portugal wurden Anfang der 2000er Jahre alle Drogen entkriminalisiert, was zumindest die Aufklärungsmöglichkeiten erheblich verbessert und den Justizapparat entspannt hat. Diese positiven Beispiele werfen die Frage auf, warum die CDU/CSU so wenig aufgeschlossen ist.

Warum Cannabis illegal ist und die CDU/CSU nichts daran ändern wird

Bei der Kriminalisierung von Cannabis in Folge der Prohibition, die sich von den USA in die ganze Welt ausgebreitet hat, handelt es sich ohne Frage um einen sehr zwielichtigen Gesetzgebungsprozess. (siehe Infokasten: Wie kam es zum Verbot von Cannabis?) Und auch in der Union wird an der These festgehalten: Wenn wir etwas verbieten, dann gibt es das nicht. Diese Logik geht über den Alltag von Millionen Menschen in Deutschland hinweg, die regelmäßig kiffen.

Die fundamentalen Argumente, die die Union gegen die Legalisierung ins Feld führt, lauten wie folgt: Cannabis ist eine Einstiegsdroge, der Jugendschutz muss gewahrt werden und Daniela Ludwig hat, wie sie im Juli 2020 in der Bundespressekonferenz bekannt gab, keine Lust auf Volksdroge Nummer Drei. Aber Cannabis ist keine Einstiegsdroge: Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hält in ihren Cannabis Basisinformationen fest, dass lange Zeit fälschlicherweise angenommen wurde, dass es sich bei Cannabis um eine Einstiegsdroge handelt. Dies wird darauf zurückgeführt, dass ein Großteil der Heroinabhängigen angibt, früher Cannabis konsumiert zu haben. Auf der anderen Seite steigt nur ein sehr geringer Anteil von Cannabiskonsumierenden langfristig auf eine härtere Droge um. Der Rückschluss ist also falsch.

Foto: Christopher Folz
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Diese Fehleinschätzung wird allerdings durch das grobe Fehlverhalten im Bereich Jugendschutz noch in den Schatten gestellt. Die Tatsache, dass sich Unionspolitiker*innen noch immer auf den Jugendschutz berufen, ist an Dreistigkeit und Heuchlerei nicht mehr zu überbieten. Durch eine Kriminalisierung von Cannabis wird die Jugend nicht geschützt. Es gibt keine hinreichende Aufklärung über Cannabis, weil es ja illegal ist. Jugendliche können genauso zu Dealer*innen gehen wie Erwachsene. Gras, das von Dealer*innen verkauft wird, ist in jedem Fall schädlicher als das, das  legal im Handel erscheinen würde. Und zuletzt steht es jedem, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, frei, sich mit fünfzehnprozentigem Alkohol ins Koma zu trinken.

Sie wollen es einfach nicht

Zuletzt steht noch Daniela Ludwigs höchstpersönliches Argument gegen die Legalisierung im Raum: „Ich habe keine Lust auf Volksdroge Nummer drei.“, antwortete sie, nachdem sie von dem Reporter Tilo Jung gefragt wurde, warum Cannabis illegal ist. Dieser Argumentation folgend könnte Verkehrsminister Andreas Scheuer auch ein Verbot von Fahrrädern initiieren, weil er keine Lust auf noch ein Fortbewegungsmittel hat, obwohl Millionen Deutsche es täglich nutzen. Im Kern ist es aber richtig: Die Bundesregierung, also die CDU/CSU, legalisiert Cannabis nicht, weil sie keine Lust darauf hat. So gut wie kein*e Wähler*in trifft seine bzw. ihre Wahlentscheidung aufgrund der Drogenpolitik einer Partei, weshalb Forderungen ohne Konsequenzen übergangen werden können, obwohl der Anteil derjenigen, die wirklich aktiv gegen eine Legalisierung sind, die Minderheit darstellt. Eine Legalisierung führt, das ist in anderen Ländern sichtbar, zu einer Entspannung des Justiz- und Polizeiapparates – sowohl personell als auch finanziell – zu besseren Aufklärungsmöglichkeiten, zu Steuereinnahmen und zur Beseitigung der Geschäftsgrundlage von Kriminellen, die momentan für die Versorgung zuständig sind. Starrsinnigkeit und Ignoranz des Konservatismus lassen keinen Platz für Veränderungen. Fakt ist: Cannabis bleibt verboten, weil es eine illegale Droge ist.

Infokasten – Wie kam es zum Verbot von Cannabis?

Cannabiskonsum hatte bis ins 20. Jahrhundert weltweit Tradition. Allerdings herrschte von 1920 bis 1933 ein Alkoholverbot on den USA, die so genannte Prohibition. Der vermeintliche Besitz von Alkohol wurde während der Prohibition von amerikanischen Strafverfolgungsbehörden oft als Anlass rassistischer Übergriffe auf afroamerikanische Bürger*innen genutzt. Nach dem Ende der Prohibition war dies nicht mehr möglich. Außerdem war die Entwicklung der Kunstfaserindustrie auf dem Vormarsch, für die Hanf eine bedeutende Konkurrenz darstellt. Dies hatte zur Folge, dass von dem Drogen ablehnenden konservativen Politiker Harry Enslinger eine Schmutzkampagne gegen Cannabis gestartet wurde, welche fragwürdige und falsche wissenschaftliche Erkenntnisse und Nebenwirkungen von Cannabis als Fakten dargestellt hat. So wurde bekanntgegeben, dass Cannabis wahnsinnig mache und dass es bereits Morde gegeben haben soll, die einzig auf den Konsum von Cannabis zurückzuführen seien. Enslingers Kampagne erreichte ihr Ziel: Im Jahr 1942 wurde Cannabis in den USA verboten. Am Beispiel der USA orientiert breitete sich das Cannabisverbot ab diesem Zeitpunkt rund um den Globus aus.

 

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