Mit Apps, Spielen und Videos können die Besucher*innen bei den „Lernstationen“ der Zukunftstour in Frankfurt etwas über die neuen Nachhaltigkeitsziele lernen, Projekte der Entwicklungszusammenarbeit kennenlernen und erfahren, wieviel CO2 für ihr Essen produziert wurde. Was sie dort erfahren konnten, hat sich Sebastian Stachorra angeschaut. Ein Rundgang.
Mit Plakaten und Arbeitsblättern den eigenen Alltag hinterfragen
Auf Plakaten wird Adrians Tagesablauf erklärt. Adrian lebt auf den Philippinen, die Karl Kübel Stiftung betreut ihn in einem ihrer Projekte. Im Wesentlichen besteht sein Tag aus Schule, Hausaufgaben und dem Vater beim Fischen helfen. Freizeit gibt es nur am Abend, wenn alle Hausaufgaben erledigt sind. Das muss vor 18 Uhr geschehen, denn dann wird es auf den Philippinen dunkel – und Adrians Familie hat keinen Strom. Freizeit nur abends und keinen Strom – das kann ich mir kaum vorstellen.
Doch worüber die Schüler*innen am Beispiel Adrians diskutieren, ist unterschiedlich, erklärt mir Monika Gerz:
„Den Jüngeren fällt auf, dass es zu jeder Mahlzeit Reis gibt, den Älteren, wie lange am Tag Adrian Schule hat. Und im Religionsunterricht wundern sich nicht wenige über das abendliche Rosenkranz-Gebet.“ Letzteres hat mit der Kolonialisierungsgeschichte zu tun – vom 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts (1565 – 1898) waren die Phillipinien eine Kolonie Spaniens. Und auch wenn der tägliche Reis langweilig erscheint: die Ernährungssicherheit ist durchaus nicht selbstverständlich für Jungen wie Adrian. Auch gehen längst nicht alle Kinder auf den Philippinen regelmäßig zur Schule. Oft müssen sie ganztägig im elterlichen Betrieb arbeiten. Ich frage nach: Ist nicht auch das tägliche Helfen Adrians Kinderarbeit? „Darüber dürfen die Schüler*innen gerne diskutieren!“, ermutigt Monika Gerz: „Ich frage dann immer: wieviel helft ihr im Haushalt?“
Die Karl Kübel Stiftung verleiht die Lernstationen an Lehrer*innen aus Benzheim und Umgebung. Es gibt Arbeitsblätter, die größtenteils mit Hilfe der Plakate beantwortet werden können. „Aber bei manchem muss man auch selbst nachdenken“, betont Gerz.
Das gilt auch für die anderen Lernstationen: so soll beispielsweise geschätzt werden, wieviel Wasser in verschiedenen Produkten steckt; für ein Kilogramm Papier werden 400 Liter Wasser gebraucht, für eine Jeans sind es schon 8.000 Liter. Viele Zahlen – doch die werden mich auch an den anderen Ständen begleiten.
Über Geschmack lässt sich streiten – über den CO2-Ausstoß von Lebensmitteln nicht
Am nächsten Stand begegnen mir die Zahlen als Gleichung. 150 Gramm Hähnchen = 200 Gramm CO2. Das rechnet mir die Berufs- und Technikerschule Butzbach vor. Damit man sich vorstellen kann, wie viel (oder eben auch wenig) Fleisch das ist, haben sie auch gleich Teller vorbereitet. Dort liegen Hähnchen, Schweinefleisch, Gemüse und Steak. Für mich als Nicht-Vegetarier alles lecker. Ich bekomme Hunger.
Im Vergleich zu den 23 Gramm CO2, das dieselbe Menge Gemüse erzeugt, wirkt der CO2-Ausstoß für das Hähnchen viel. Doch neben dem Rindfleisch relativiert sich die Zahl; 150 Gramm Rindfleisch sorgen für 2 Kilogramm CO2. „Das liegt natürlich an den Abgasen der Rinder, aber eben auch am Transport“, erklärt Inge Sehler.
Auch dazu gibt es Zahlen, zusammengefasst lässt sich sagen: je kürzer der Transport, desto besser. So richtig überraschend ist das nicht. Aber beim täglichen Einkauf im Supermarkt denke ich nicht immer daran. Die Information ist scheinbar noch immer nicht in meinem Bewusstsein angekommen.
Zur Bewusstseinsbildung können die CO2-Zahlen durchaus beitragen. Gemüse ist besser als Fleisch, je kürzer der Transport, umso besser. Das gilt insbesondere für Äpfel. Noch mehr Zahlen: Für ein Kilo Äpfel aus Neuseeland werden beim Transport 5 Liter Erdöl verbraucht, aus Italien sind es nur noch 0,1 Liter und bei Äpfeln aus der Region nur noch 28ml. Konkret heißt das: 178 Äpfel aus der Region in den Supermarkt zu befördern verbraucht genausoviel Erdöl, wie ein einziger Apfel aus Neuseeland.
Na dann: Mahlzeit.
Wieso gibt es im Winter keine Erdbeeren?
Richtig lautete die Frage: Wieso gibt es mittlerweile fast das ganze Jahr über Erdbeeren zu kaufen? Im Winter wachsen keine Erdbeeren, das weiß sogar ich. Der Verein ShoutOutLoud lädt mich ein, ein Spiel mitzumachen: ich soll raten, welches Gemüse und Obst in welchen Monaten geerntet wird. Raten? Sollte ich das nicht eigentlich wissen? Das Ergebnis spricht für sich:
Daniel Anthes tröstet mich: „Du bist damit durchschnittlich schlecht.“ Na vielen Dank auch. Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger beruhigt es mich, dass ich nicht allein bin mit meinem Unwissen.
Zum Glück lenkt Daniel mich ab und erzählt mir vom Verein. „Wir versuchen ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu verbinden“, sagt er und erzählt von den Themen, die ShoutOutLoud besonders wichtig sind: Lebensmittelverschwendung und Plastik. Beides sorgt für einen unnötig hohen Ressourcenverbrauch.
Neu ist für mich, dass 40% der Lebensmittelverschwendung im privaten Haushalt passieren. „Also dann, wenn Du und ich Lebensmittel vom Kühlschrank in den Mülleimer umsortieren“, stellt Daniel trocken fest.
Dann erzählt er, wie der Verein zusammen mit Geflüchteten kocht. Einmal im Monat kommen rund 50 Leute zusammen, um gemeinsam zu kochen. „Die Rezepte bringen die Gäste mit. Wir organisieren zusammen das Essen, zum Beispiel über FoodSharing. Nur, was wir nicht bekommen, kaufen wir dazu.“ Dann schneiden alle zusammen das Gemüse, die Kochlöffel gehen an die Leute, die das Rezept mitbringen.
Die Idee: Geflüchtete integrieren und sie gleichzeitig für das Thema Ressourcenverschwendung sensibilisieren.
Wie bitte? Geflüchtete und Ressourcenverschwendung? „In den Erstaufnahmelagern ist Nachhaltigkeit kein Thema“, erklärt Daniel, „Einwegplastikflaschen gehören da leider zur Tagesordnung. Hier braucht es allgemein bessere Versorgungslösungen auf Seiten der Organisatoren, die sowohl unmittelbar, als auch kostengünstig und nachhaltig sind.“ Doch auch was Lebensmittel angeht, kann dort noch viel getan werden. „Beispielsweise in Syrien kocht man gerne viel zu viel, da es kulturell als Zeichen der Höflichkeit angesehen wird – doch bringt es am Ende wenig, wenn bei 20 Gästen Essen für 40 Leute auf den Tisch kommt und deshalb die Hälfte im Müll landet.“
Zum Abschluss spiele ich erneut – und diesmal bin ich besser. Ich soll verschiedene Lebensmittel nach ihrem CO2-Ausstoß sortieren. Dank meines Vorwissens von der Berufs- und Technikerschule Butzbach löse ich die Aufgabe und bekomme einen Gutschein für ein Gratis-Essen beim Verein*. Puh, gerade nochmal gut gegangen.
*Da der Autor nicht in Frankfurt wohnt, würde er den Gutschein per Post an Interessierte versenden.
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[…] Zahlen zu CO2-Emissionen alleine begeistern nicht alle. Zum Glück gibt es auf der ZukunftsTour in Frankfurt auch Stationen, in denen ich selbst aktiv werden kann. Ich teste ein Spiel und lasse mir von Felicia und Anika erzählen, warum sie sich auf den Austausch mit ihrer Partnerschule in Tansania freuen. […]