Seit Wochen sprechen alle über eine sächsische Koalition von CDU und BSW. Aus Sicht der Stimmen scheint die sinnvoll – aber inhaltlich? Unsere Dresdner Autorin hat am Wahlwochende nach Fans der Zusammenarbeit gesucht.
Die CDU ist in Sachsen, wenn auch knapp, stärkste Kraft geworden. Jetzt heißt es: Brandmauer aufrechterhalten. Quasi unausweichlich scheint da das BSW, welches als neue Partei direkt den dritten Platz in der Wahl abgeräumt hat.
Die sächsische CDU schließt ein Bündnis zwar nicht aus, jedoch gibt es viele Stimmen in der Partei, die sich von Sahra und Co. ganz klar distanzieren. Glaubt man Michael Kretschmer, ist fünf weitere Jahre Kenia keine Option. Also muss die CDU sich wahrscheinlich mit dem BSW zufriedengeben.
Jetzt mal abgesehen von parteipolitischen Spielchen: Wollen das die Bürger*innen überhaupt? Eine Koalition, die nur miteinander koalieren muss, weil es das kleinere Übel wäre? Und lohnt sich das Bündnis auf Kosten der Basispartei?
Um das herauszufinden, bin ich am Wahlwochenende in Dresden mit den Leuten ins Gespräch gegangen.
Der nicht vorhandene Wahlstand
Meine ersten Anlaufpunkte sind am Samstag vor den Wahlen: die Wahlkampfstände der CDU in Dresden. In Gorbitz sollen mehrere Stände entlang einer Straße sein. Und klar, mehrere Stände sind besser als einer. Also mache mich ich mich auf die weite Reise an den Rand Dresdens und male mir schon aus, einen CDU-Fan nach dem anderen zum BSW zu befragen.
Doch als ich aus der Straßenbahn aussteige, ist kein einziges CDU-Mitglied in Sicht. Das kann ja nicht sein, denke ich. Ich laufe die ganze Straße ab, doch die Stände sind nonexistent. Nach knapp einer Stunde Spaziergang gebe ich es auf. Die CDU hat mich enttäuscht. Das ist für mich zwar nichts Neues, aber ich hätte doch gedacht, dass sie wenigstens im Wahlkampf motiviert sind, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Aber macht nix, wir finden schon eine Lösung.
Kindergarten im Parlament
Ich gebe natürlich nicht auf. Es ist Zeit für Bürger*innen-Umfragen in meiner Nachbarschaft in Plauen. Das entpuppt sich schnell als gar nicht so kompliziert. Die Stimmung ist hier eindeutig: Fast keiner ist vom BSW begeistert, und eine Regierung mit der CDU würde definitiv keine fünf Jahre halten.
„Die werden sich wahrscheinlich kaum einigen können. Das wird nur Gezanke“, sagt mir ein Student. Damit liegt er bestimmt nicht falsch. Es wäre der reinste Kindergarten. Wahrscheinlich würde sich die CDU wie ein bockiges Kind verhalten, was jetzt mit dem komischen Nachbarkind spielen muss. Und das komische Nachbarkind würde populistische und sowieso unrealistische Forderungen aufstellen.
Taktisch wählen ohne richtige Taktik
Am Wahlsonntag geht es weiter: CDU-Wähler*innen direkt vorm Wahllokal befragen. In Neustadt auf solche zu treffen, ist zwar keine einfache Aufgabe. Aber auch nicht unmöglich, wenn man sich die Wahlumfragen anschaut.
Schließlich finde ich sie, viele mit einem klaren Wunsch: Stabilität. Die Krisen der vergangenen Jahre machen Angst. Wir in Sachsen machten das anders, lerne ich, in Sachsen sollte es nicht so wie beim Bund laufen. Aber das BSW oder die AfD seien nicht die Lösung dafür.
„Ich habe taktisch gewählt, damit die AfD nicht so viele Plätze abbekommt“, gibt eine Frau vor dem Wahllokal zu. Dass es dann am Ende keine ordentlichen Mehrheiten mehr gibt, um eine Regierung gegen die AfD zu bilden, kann ja keine*r wissen.
Aus den eigenen Reihen folgt auch keine Begeisterung
Um die Wahlstandblamage wieder auszugleichen und am Ende doch noch einmal mit einem CDU-Parteimitglied sprechen zu können, gehe ich zur Wahlparty der CDU. Auf der ist eigentlich keine Presse eingeladen, aber wen interessiert schon das Mädel von der Jugendpresse? Um reinzukommen, soll ich auf den Pressesprecher verweisen, den ich an seinem gelben – ja, richtig – Pudel erkennen soll.
Es ist wenig los, gibt ein bisschen Bier und Essen für die Wahlhelfer*innen, um gemeinsam die Ergebnisse anzuschauen. Die Stimmung ist entspannt. Die Wahlergebnisse des BSW werden bekannt gegeben, was für Tuscheln im Raum sorgt. Als die Brombeer-Koalition vorgestellt wird, wird nur lächelnd mit dem Kopf geschüttelt.
Und dann endlich: Gespräche mit CDUler*innen! Es wird klar, die Wahlergebnisse machen es ihnen nicht leicht. Für viele kommt das BSW nicht infrage, und die Kenia-Regierung wäre ihnen lieber, aber auch nicht ideal. „Es gibt CDU-Mitglieder, die austreten würden, würde es eine Koalition mit dem BSW geben. Das Vertrauen wird auf die Probe gestellt“, sagt mir eine Junge Unionerin.
Klingt sehr hart, aber die eigenen Reihen hätten Verständnis für Austritte. Und am Ende würden sie eine Lösung finden, so die Einschätzung, schließlich seien sie ja alle erwachsen. An der Stelle bin ich mir nicht mehr so sicher.
Und nun?
Fakt ist: Keiner hat eine Ahnung, und niemand will mit dem BSW koalieren, aber wahrscheinlich müssen sie es. Die Idee mit dem taktischen Wählen war am Ende dann leider doch nicht so ausgeklügelt wie gedacht. Hoffentlich haben wir dann bis zur nächsten Wahl eine Regierung in Sachsen. Steckste nicht drin!