Wer ist eigentlich das Sprachrohr der Jugend? Nikolas Karanikolas vertritt sie zumindest gemeinsam mit Josephine Hebling als Jugenddelegierter auf der UN-Generalversammlung 2019. Dominik Glandorf wollte mehr darüber erfahren und sprach mit Nikolas.
politikorange: Schön, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast, Nikolas. Du bist UN-Jugenddelegierter. Wann und wie bist du dazu gekommen?
Nikolas: Einmal vorweg: Die offizielle Bezeichnung lautet „Jugenddelegierter zur UN-Generalversammlung“. Wir kürzen es aber gerne mit „UN-Jugenddelegierter“ ab. Ich hatte mich bereits 2017 für 2018 beworben und war in der ersten Runde herausgeflogen. Ich habe mich 2018 noch einmal beworben und wurde es dann tatsächlich. Im Dezember kommt dafür meistens eine Ausschreibung der beiden Träger, dem Deutschen Bundesjugendring und dem Deutschen Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit. Es folgt ein dreimonatiges, dreistufiges Auswahlverfahren. Danach wird man in dieses Amt geschupst. Dieses Amt bedeutet eine Stimme der Jugend bei Generalversammlung der Vereinten Nationen zu sein. Im Grunde reisen wir dafür durch Deutschland, von Norden nach Süden, von den großen zu den kleinen Städten und versuchen den Zeitgeist der Jugend einzufangen: Was sind die Forderungen der Jugend? Was möchte sie? Was bewegt sie? Und das repräsentieren wir dann in New York als Teil der deutschen Delegation in einer Rede vor der Generalversammlung. Wir beraten die Delegation zur Weltjugendresolution.
politikorange: Was genau ist die Weltjugendresolution?
Nikolas: Dafür haben sich die 193 Staaten der Vereinten Nationen zusammengetan und sich gefragt, was sie tun müssen, um der Jugend gute Möglichkeiten zu geben: Möglichkeiten zur Teilhabe, wie wir sie gerade bei den Jugendpolitiktagen haben, Möglichkeiten, ein gutes Leben zu haben, einen Job zu finden. Die Jugendresolution ist dabei das regelmäßige Update.
politikorange: Wie reagiert dein Umfeld auf dein Mandat? Wie gehen deine Familie und deine Freunde damit um?
Nikolas: Ich habe ein Umfeld, das nur teilweise politisiert ist, da ich eher aus dem strukturell diskriminierten Bereich komme. Ich bin Scheidungskind, habe zwei Geschwister und Migrationshintergrund. Es kommt aber gar nicht darauf an, was mein Umfeld möchte. Wir haben uns den Fokus gesetzt, zu strukturell diskriminierten Jugendlichen zu gehen, zu denen, die häufig nicht von der Politik gehört werden, und zu fragen, was sie wollen. Uns ist es nicht wichtig zu der zwölften Politikwissenschaften-Gruppe an der Universität zu gehen und zum zwölften Mal die gleiche Forderung zu hören, sondern denen eine Stimme geben, die noch nicht die Möglichkeit dazu hatten.
politikorange: Wo unterscheidet sich denn die Meinung der strukturell Diskriminierten am stärksten von der der Politikwissenschaften?
Nikolas: Teilweise muss ich erstmal noch dafür abwarten. Wir hatten jetzt unseren ersten Workshop und es ging hauptsächlich um Umwelt, ein Problem, das alle jungen Menschen in Deutschland berührt. Ich glaube ein großes Thema wird sein, wie ich mitbestimmen und als Teil dieser Gesellschaft gesehen werden kann. Ich kann es aus meiner Perspektive sagen: Diskriminierung ist ein großes Thema, auf das auch eingegangen wird. Wir sind sehr gespannt, was dieses Jahr herauskommen wird.
politikorange: Wenn du nicht aus dem klassischen Akademiker-Umfeld stammst: Wo kommt dann deine Motivation her, dein Amt zu bekleiden?
Nikolas: Mir wurden die Werte nahegelegt, die Gesellschaft mitgestalten zu wollen. Es gibt in Deutschland und international so viele Orte, an denen es nicht gut zugeht, dass Nicht-Handeln keine Option für mich war.
politikorange: Glaubst du, dass die Herangehensweise der JugendPolitikTage nachhaltig etwas verändert oder denkst du, dass die UN-Jugenddelegation einen effektiveren Weg dazu darstellt?
Nikolas: Ich glaube nicht, dass wir zwischen Wegen wählen sollten. Das eine ist ein nationaler Prozess, das andere ein internationaler. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass die Bundesregierung ernst nimmt, was die Jugendlichen hier machen. Es wurde heute gesagt, es müsse stärker gefordert werden. Ich sehe das anders. Die Jugend hat ihre Forderungen und die Politik sollte endlich handeln. Mein großer Wunsch an die Bundesregierung wäre, die Forderungen endlich ernst zu nehmen.
politikorange: Wir haben Bewegungen wie Fridays for Future. Wie ist dein Eindruck des Interesses von Jugendlichen an Politik?
Nikolas: Da möchte ich gerne Umgangssprache benutzen. Ich würde es als Bullshit bezeichnen, dass die Jugend nicht politisch aktiv ist. Das wird uns sehr häufig von erwachsenen Menschen gesagt. Irgendwann wird es a la Self-Fulfilling-Prophecy wahr. Auch kleine Dinge, für die wir uns einsetzen, sind unglaublich politisch. Hinter allem verbirgt sich etwas. Selbst wenn ich mich für Natur oder Naturschutz interessiere, steckt da Klimapolitik hinter. Wir müssen der Jugend sagen: Es ist wichtig, was ihr macht, es ist Politik dahinter und es nicht totreden, dass es Politik sei, denn das ist in meinen Augen nicht wahr.
politikorange: Vielen Dank für das Interview.
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