Der Krieg in der Ukraine ist ein Thema, dass viele Menschen seit dem 24. Februar 2022 umtreibt. Eine große Zahl an Menschen ist im vergangenen Jahr vor dem Krieg geflohen und nach Deutschland gekommen. Viele Menschen sind entweder direkt vom Krieg betroffen oder haben Freunde oder Familie, die betroffen sind. Auch für den Rest Europas war die Rückkehr des klassischen zwischenstaatlichen Krieges ein Schock.
Studien zufolge gehören Kriege zu den größten Bedrohungen, die junge Menschen aktuell für ihre Zukunft sehen. Die AG 31 setzte sich bei den diesjährigen JugendPolitikTagen daher mit dem Krieg in der Ukraine und der Zeitenwende auseinander. Geleitet wurde die AG von Marina Sidak, selbst Ukrainerin. Sie studiert Soziale Arbeit und lebt seit vier Jahren in Deutschland.
Marina Sidak eröffnete die Sitzung mit ihrer persönlichen Geschichte und stellte den von ihr mitbegründeten Verein Deutsch-Ukrainischer Dialog e.V. vor. Im Anschluss daran ging es in einer Gesprächsrunde um die Schwierigkeiten, mit denen insbesondere junge Ukrainer*innen in Deutschland aktuell kämpfen, wie beispielsweise die hohe Arbeitsbelastung von Schüler*innen durch das gleichzeitige Lernen an deutschen und ukrainischen Schulen.
Diskussion mit Expert*innen
Nach der Pause berichteten Referent*innen über ihre Arbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik. Zuerst sprach Sarah Steinbach über ihre Arbeit beim Auswärtigen Amt (AA) im Referat Vereinte Nationen. Dabei ging es um die Resolutionen zur Verurteilung des Kriegs in der Ukraine, die Russland zum Rückzug seiner Truppen auffordert und die mit großer Mehrheit der Mitgliedsstaaten angenommen wurde. Weiterhin erläuterte sie die große Bedeutung der Änderung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, durch welche die ‚P5’ – die fünf ständigen Mitglieder des Rates, ihr Veto den anderen UN-Mitgliedsstaaten erklären müssen.
Das klingt jetzt vielleicht erstmal nicht so hochtrabend, ist aber für dieses riesige Konstrukt „Vereinte Nationen“ ein gewaltiger Schritt nach vorne, einfach weil sie sich rechtfertigen müssen.
Sarah Steinbach (AA)
Weiterhin erklärte Sie, dass eine Beteiligung in der Außenpolitik auch für Menschen möglich ist, die nicht im AA oder BMVG arbeiten, da insbesondere die Staaten der EU immer offen gegenüber Vorschlägen von beispielsweise NGOs sind, beziehungsweise sind diese sogar erwünscht. Zusätzlich erklärte sie, welche Möglichkeiten es für junge Menschen gibt, sich in der internationalen Politik einzubringen.
Danach berichtete Stefan Quandt vom Bundesministerium der Verteidigung über seine Arbeit. Er ist Offizier und Referent im Territorialen Führungskommando bei der Bundeswehr in Berlin. Er sprach vor allem von der Zeitenwende und erklärte, was sie für die Bundeswehr, aber auch für die Zivilbevölkerung bedeutet. Er erläuterte den Rollenwechsel für die Bundeswehr, der mit Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 einherging. Die Bundeswehr wurde in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr mit der Staatsverteidigung assoziiert, sondern mit Katastrophenhilfe und Auslandseinsätzen wie in Afghanistan oder Mali. Dies muss sich nach Quandt wieder ändern. Die Zeitenwende muss sich nun auch in den Köpfen der Zivilbevölkerung verfestigen. Die Verteidigungsausgaben müssen sich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen, da die USA Europa in Zukunft immer weniger unterstützen werden und ihren Fokus mehr auf den pazifischen Raum legen werden, so die Prognose Quandts.
Weiterhin verwies er auf die Relevanz der Cybersecurity, ein Bereich der alle betrifft. Als Beispiel nannte er hier die Angriffe im Ukraine-Krieg, die nach gezielter Auswertung von Social Media ausgeführt werden.
Seit dem 24. Februar 2022 erleben wir eine Zeitenwende. Und Zeitenwende bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die Bundeswehr jetzt wieder einen Kernauftrag erfüllen können muss. Dieser Kernauftrag hat etwas mit Ausrüstung zu tun. Deswegen spreche ich lieber von Ausrüstung, einer vollständigen Ausrüstung der Bundeswehr und nicht von Aufrüstung. Und das steht jetzt auf der Agenda.
Stefan Quandt (BMVG)
Anschließend diskutierten die Teilnehmer*innen sehr angeregt mit den Expert*innen bis zum Ende der AG-Phase, die sehr offen und ausführlich auf die Fragen eingingen. Dabei ging es um eine große Bandbreite an Themen, die mit dem Bereich Außen- und Sicherheit zusammenhingen. Viel diskutiert wurde unter Anderem über die Zeitenwende und die Bundeswehr. Dabei ging es auch um die Frage, ob und wie europäische Staaten aufrüsten sollten. Es kam die Frage auf nach der Machbarkeit einer europäischen Armee im Zusammenhang mit dem prognostizierten Rückzug der USA aus dem europäischen Raum. Eingehend wurde auch der Vorschlag und die Umsetzung eines Pflichtjahres für junge Menschen diskutiert, welches Bundespräsident Steinmeier vorgeschlagen hatte. Ein weiteres Thema waren der Rechtsextremismus in der Bundeswehr, die Einstimmigkeit in der EU-Außenpolitik und das Verhältnis zu Russland, sowohl in der Diplomatie, als auch in der deutschen Bevölkerung. Weiterhin wurde die Rolle Chinas in der Weltpolitik besprochen, wobei Steinbach betonte, dass der wirtschaftliche Druck aus Europa als einer der wichtigsten Handelspartner nicht zu unterschätzen sei, da sich China kein Wirtschaftswachstum von unter 5% leisten könne. Dementsprechend sei auch die Enthaltung Chinas bei der Verurteilung Russlands durch die UN-Resolution ein sehr wichtiges Signal, auch wenn eine Enthaltung erst einmal nach nicht viel klinge.
Diese und noch einige weitere Themen wurden mit den Expert*innen besprochen. Die Teilnehmer*innen gaben dem Gespräch ein sehr positives Feedback. Sie lobten die Offenheit und Ehrlichkeit der Antworten und konnten bei dem Gespräch viel lernen. Außerdem konnten sie bestimmte Aspekte wie die Zeitenwende besser verstehen. Auch AG-Leiterin Marina Sidak war sehr zufrieden mit der Sitzung. Sie lobte die guten Fragen der Teilnehmer*innen und die Offenheit der Expert*innen.