Sabine Bleich ist Mitglied in der Redaktion von „maybrit illner“ und Second-Screen-Expertin. Mit Markus Hehn und Lou Godvliet sprach sie darüber, welche Bedeutung das Internet für das Fernsehen von Heute hat.
Frau Bleich, durch soziale Netzwerke kann man jederzeit über alles diskutieren, auch über Politik und deren Protagonisten. Denken Sie, dass diese Entwicklung den politischen Diskurs bereichern oder eher willkürlich machen wird?
Sabine Bleich: Eines muss man schon sehen: Zufriedene Zuschauer behalten ihre Meinung deutlich öfter für sich als diejenigen, denen etwas nicht passt. Manchmal führt das Ganze dann ziemlich in die Irre. Es kann natürlich auch sein, dass an bestimmten Sachen etwas dran ist und das nimmt man sich zu Herzen. Das nimmt sich auch die Politik zu Herzen. Aber es verzerrt schon. Und wenn das jemand von außen liest, sollte er es gründlich reflektieren, gerade im politischen Diskurs.
Mit Blick auf die vielen Risiken und neuen Fragen in Sachen digitale Kommunikation: Wünschen Sie sich manchmal in die Zeit ohne Smartphones und Internet zurück?
Nein, man kann es sich ja kaum noch vorstellen, wie es mal ohne war. Das Internet und ich sind zusammen groß geworden. Die Menschen müssen verstehen, dass das Internet mehr ist als beispielsweise mein Facebook-Feed. Böse gesagt, hat unsere Generation noch gelernt im Internet zu suchen, während viele, die jetzt einsteigen, bei Facebook einfach ein paar Dinge liken, dadurch immer ihre Timeline erhalten und gar nicht mehr selbst suchen, sondern nur noch das nehmen, was da sowieso kommt. Und dadurch verliert das Internet seine Freiheit.
Die Menschen sorgen selbst dafür, dass sie ihre Freiheit verlieren, weil sie gar nicht mehr versuchen, einfach selbst im Netz zu schauen, was da denn eigentlich noch ist. Klar, der Mensch ist faul. Bei meinen Eltern und auch bei mir ist das ja ganz ähnlich gewesen. Wir haben den Fernseher angemacht und alles angeschaut, was es da gab. Und wir waren total begeistert, als es das Internet gab und haben gedacht: „Verdammte Hacke, jetzt kann ich auch Washington Post lesen.“ Das Internet soll nicht nur für alle Menschen da sein, sondern für alle auch das ganze Netz.
Sind Facebook, Twitter und Co. also heute das, was früher für Sie das Fernsehen war?
Genau, man bekommt einfach nur noch Dinge präsentiert und schaut selbst nicht mehr nach rechts und links. Das finde ich übrigens viel gefährlicher als irgendwelche Datenschutzfragen – also ob Obama weiß, wann ich morgens aufgestanden oder wie lange ich gerade gejoggt bin. Natürlich ist die Vorstellung erschreckend, dass die ersten Krankenkassen schon anfangen, die Daten von Tracking-Apps einzusammeln und auf dieser Grundlage unterschiedliche Beiträge verlangen. Aber auf der anderen Seite denke ich: Das holen die sich möglicherweise auch auf anderen Wegen und es läuft auf dasselbe hinaus.
Das Internet sind die Menschen, und dass diese Menschen wieder mit ihrem Internet umgehen und es in seiner Gänze benutzen – also nicht nur drei Firmen, denen sie einst mal vertraut haben, die Entscheidung überlassen, was den einzelnen interessiert – darauf hoffe ich sehr. Ich selbst möchte etwas wissen und nicht nur etwas präsentiert bekommen. Diese Lean-Back-Haltung, die man dem Fernsehen vorwirft, zieht meiner Meinung nach gerade ins Internet ein. Der Mensch ist doch faul am Ende des Tages.