Anstatt nur über Jugendbeteiligung zu reden, soll sie bei der Jugendstrategie direkt angewandt werden: Das Feedback der Teilnehmenden soll beeinflussen, wie die Jugendpolitik in Zukunft umgesetzt wird. Die Konferenz in Berlin war die erste Gelegenheit, bei der so viele Jugendliche aus verschiedenen Organisationen zusammen kamen, um die Jugendstrategie nach einem Jahr Laufzeit zu bewerten: Was hat sich getan? Was könnte besser laufen? Und wie soll es weitergehen?
Bereits in der Vergangenheit hatte die Koordinierungsstelle mehrfach Ideen von Jugendlichen gesammelt. Besonders für das Projekt der „Referenzkommunen“, in denen Lokalpolitik jugendfreundlicher gemacht werden soll, gab es Workshops, bei denen sich Angestellte der Städte und engagierte Jugendliche austauschen konnten. Auf der Jugendkonferenz ging es allerdings parallel um viele verschiedene Bestandteile der Jugendstrategie. Während bei machen noch nach einem Namen gesucht wird, soll für andere Projekte nach einem Jahr Laufzeit Feedback eingeholt werden: Der Innovationsfond verteilt Fördergelder, die Referenzkommunen verpflichten sich, jugendfreundlicher zu werden, und der Jugendcheck soll Politiker und Politikerinnen auf Bundesebene in Zukunft daran erinnern, welche Folgen ein neues Gesetz für junge Menschen in Deutschland haben wird – spätestens ab 2017. Immer wieder betonen Workshopleitende, Referenten und Referentinnen, dass die Ergebnisse aus dem Wochenende an Entscheidungsträger weitergegeben werden.
Besuch von der Bundesebene
Am Sonntag gab es allerdings auch eine Möglichkeit für direkten Austausch zwischen Erwachsenen und Jugendlichen: Beim „Gallery Walk“, einem Rundgang durch die Workshopräume, konnten sich sowohl Teilnehmende als auch Gäste mit Vorträgen der Jugendlichen in die Themen der letzten Tage einarbeiten. Die Gäste kamen aus verschiedenen Institutionen, die die Jugendstrategie umsetzen: vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Deutschen Bundesjugendring, Städtetag, den Landesjugendbehörden und von der Servicestelle zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland.
Dabei war Diskutieren erlaubt und erwünscht. Die Bereitschaft dazu war in den einzelnen Vortragsgruppen unterschiedlich: Während in manchen Räumen hitzige Diskussionen über die Kommunikation zwischen Kommunalverwaltung und Jugendlichen entstanden, waren in anderen nur die Stimmen der Vortragenden zu hören. Wenn aber eine Diskussion entstand, dann zwischen erwachsenen Gästen und jugendlichen Teilnehmenden.
Zum Abschluss gab es noch eine offene Diskussion mit den verschiedenen erwachsenen Akteuren der Jugendstrategie. Die Diskutanten konnte die Runde verlassen oder sich dazusetzen wann immer sie wollten, sodass viele unterschiedliche Themen zur Sprache kamen. Diese Vielfalt passte gut zur Jugendstrategie, die sich auch nicht auf ein konkretes Ziel beschränkt, sondern breit angelegt ist. Außerdem wurde klar, dass weder die bundesweiten Repräsentanten noch die Jugendliche eine homogene Gruppe mit einer Meinung zur Jugendstrategie sind. So kam es nicht zu einer Diskussion der Älteren gegen die Jüngeren, sondern zu einem gemeinsamen Dialog.
„Wir müssen kürzere Wege schaffen! Ich bin eine klare Befürworterin des föderalen Aufbaus, denn so können Jugendliche direkt mit den Verantwortlichen in den Kommunen in Kontakt treten“, fordert die Teilnehmerin Daniela Lang, die in einem Würzburger Jugendverband tätig ist. Die Frage, ob Projektförderungen besser auf kommunaler oder auf Bundesebene aufgehoben ist, war eines von vielen Themen, die kontrovers im „Fishbowl“-Format diskutiert wurden.
Was machen die Erwachsenen jetzt anders?
Aber was bleibt von dem Wochenende? Werden die Teilnehmenden ihre Ideen aus den Workshops und ihre Argumente aus der Diskussion nächstes Jahr in der Politik wiederfinden?
Rainer Wiebusch, Leiter des Referates Eigenständige Jugendpolitik aus dem Bundesfamilienminsterium, hat aus der Diskussion mehr als nur Blubberbläschen mitgenommen: „Wir brauchen eine dauerhafte Beteiligung der Jugend. Ich denke jetzt ernsthaft über eine regelmäßige Konferenz nach.“ Auch inhaltliche Anstöße hat er mitgenommen: Jugendliche unter 18 sollten finanzielle Förderung für Projekte erhalten können und eine Imagekampagne sollte dafür sorgen, dass die Jugendstrategie nicht nur die schon politisch Engagierten oder Wohlhabenderen erreicht.
Wirklich konkrete Antworten auf die Frage, was denn jetzt anders wird, sind allerdings aus keinen offiziellen Gästen herauszuholen. Doch Gesetzgebungsprozesse dauern lange. Wie passen die Ergebnisse von den bunten Flipcharts da rein? „Hinter der Konferenz steckt auf jeden Fall viel politisches Gewicht“, erklärt Nils Rusche von der Koordinierungsstelle. „Die Ergebnisse kommen alle in eine Dokumentation, die sowohl an die Teilnehmenden als auch an das Ministerium weitergegeben wird“, ergänzt er. Danach geht es weiter mit nichtöffentlichen Gesprächen, in denen auch die Referentinnen und Referenten aus Berlin noch einmal zu Wort kommen können. „Das ist natürlich unbefriedigend – wenn Jugendliche sich mit 16, 17 beteiligen und dann vielleicht zehn Jahre später die Veränderung sehen.“
Politische Prozesse und die langsamen Mühlen der Bundespolitik passen eben kaum zu der Energie vieler Teilnehmender, die ihre oft widersprüchlichen Ideen am liebsten direkt umsetzen würden. Wie viel diese Ideen wirklich verändern, hängt letztendlich wieder von den Entscheidungen Erwachsener ab – denen, die mitdiskutiert haben, die im Bundestag sitzen oder die im Ministerium den Bericht von Nils Rusche lesen.
Von Isabel Pfannkuche, Jan Batzner und Katharin Tai