Die Grünen erzielten bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg so viele Stimmen wie nie. Dort ist die Ökopartei aber eher konservativ aufgestellt. Dabei braucht gerade Baden-Württemberg progressive Politik. Ein Kommentar.
Baden-Württemberg wird seinem konservativen Ruf gerecht. Daran konnten zehn Jahre grüne Landesregierung nichts ändern. Mit den Grünen verbinden zwar viele Wähler*innen progressive Ideen – immerhin regierte im Anschluss an eine jahrzehntelange Führung der Christdemokrat*innen sogar Grün-Rot. Auf Rot folgte allerdings Schwarz und Winfried Kretschmann, der als Realo unter den Grünen gilt, ist seit 2011 Ministerpräsident im Land. Dass es bei ihm eher konservativ zugeht, versucht er gar nicht zu verstecken. So trägt selbst sein 2018 erschienenes Buch den Titel „Worauf wir uns verlassen wollen. Für eine neue Idee des Konservativen“. Der Parteiname verdeckt also eher die Realität.
Die Partei kommt im Klimaschutz nur mäßig schnell voran. Soziale Probleme, wie die teuren Mieten in Ballungsgebieten, vernachlässigt sie eher. Die Grünen verstehen sich auch als offen und migrationsbefürwortend. Gleichzeitig führten sie Studiengebühren für ausländische Studierende ein. Und als die Black Lives Matter-Bewegung im vergangenen Jahr Rassismus auch in Baden-Württemberg anprangerte, verleugnete die Landesregierung diesen nur.
Der Klimawandel, eigentlich Kernthema der Grünen, hat schon längst begonnen. Das Ziel einer weltweiten Temperaturerhöhung um 1,5 Grad kann nur mit Konsequenz und einschneidenden Maßnahmen erreicht werden – nicht aber durch halbherzige Kompromisse und neoliberale Regierungsbündnisse.
In Baden-Württemberg ist der ökologische Umbruch aufgrund des Wirtschaftsstandbeins Autoindustrie besonders herausfordernd. Die Arbeitsplätze, die an der Branche hängen, zeigen, dass ökologische Fragen nicht getrennt von sozialen betrachtet werden können. Dafür braucht es jedoch eine Lösung, die auch ohne den Verbrennungsmotor auskommt. Eine Transformation der Automobilbranche und generell ein Überdenken von Mobilität ist dringend nötig. Die grüne Regierung kam in diesen Fragen bisher wenig voran. Kretschmann machte eine gar zu autofreundliche Politik, wollte etwa im vergangenen Jahr eine „Verbrennerprämie“ einführen.
Aktuell gibt es im Landtag in Baden-Württemberg keine wirklich progressive Opposition zu der Politik der Grünen, die nicht so fortschrittlich ist, wie sie verspricht zu sein. Eine solche könnte sich drängenden sozialen Themen annehmen und soziale Bewegungen stärker repräsentieren. Eine klare Kante gegen rechts ist bei der bestehenden Konstellation dringend notwendig. Nicht nur „Die Linke“, die erneut nicht in den Landtag einzog, weist eine ökosoziale Richtung auf. Andere neue Kleinparteien, darunter die Klimaliste, haben sich dem Thema ebenfalls verschrieben. Deren Gründung zeigt, dass nicht alle Wähler*innen mit der Politik der Grünen zufrieden sind. Ein Bündnis unter kleineren linken Parteien könnte zu einem größeren Wahlerfolg führen. Denn es braucht im Parlament politische Kräfte, die von links konsequente Lösungen einfordern und Druck auf die Landesregierung ausüben.