Schwangerschaftsabbrüche sind der am häufigsten vorgenommene gynäkologische Eingriff in Deutschland – trotzdem wird im Studium kaum darüber aufgeklärt. „Medical Students for Choice“ wollen das ändern.
Wenn wir über sexuelle Selbstbestimmung sprechen, geht es oft um Consent, verschiedene Beziehungsmodelle oder Arten der Verhütung. Zu sexueller Selbstbestimmung gehört es aber auch, dass Frauen das Recht haben, unter bestimmten Bedingungen eine Schwangerschaft frühzeitig abzubrechen.
Pro Jahr entscheiden sich rund 100.000 Frauen in Deutschland, ihre Schwangerschaft frühzeitig abzubrechen. Schwangerschaftsabbrüche sind damit der am häufigsten vorgenommene medizinische Eingriff – werden aber im Medizinstudium wenig bis gar nicht behandelt. „Es gibt zwar Lehre an Universitäten, allerdings beschränkt sie sich nur auf rechtliche, ethische und politische Aspekte des Schwangerschaftsabbruches. Die medizinische Seite wird so gut wie gar nicht erwähnt“, erklärt Elisa Habermann. Auf den JugendPolitikTagen leitet sie die Arbeitsgruppe „My Body, my Choice – (sexuelle) Selbstbestimmung geht uns alle an!“, in der die Teilnehmer*innen sich unter anderem mit reproduktiver Gerechtigkeit, sexualisierter Gewalt und Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigen.
Für mehr Selbstbestimmung
Neben ihrem Medizinstudium an der Charité in Berlin engagiert sich Elisa bei „Medical Students for Choice“. Gemeinsamt mit ihren Kommiliton*innen setzt sie sich für verpflichtende Lehre an Universitäten über Schwangerschaftsabbrüche und für einen leichteren Zugang zu Ärzt*innen, die diesen Eingriff durchführen, ein. Im Gespräch mit der politikorange-Redaktion erzählt sie: „Ich war auf der Suche nach einem feministischen oder linkspolitischen Engagement und habe mir verschiedene Gruppen angeschaut. Für „Medical Students for Choice“ habe ich am meisten Leidenschaft entwickelt.“
Nach ihrem Studium will Elisa selbst als Gynäkologin arbeiten – der Einsatz für einen besseren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ist für sie auch deswegen besonders wichtig. „Wie man seine Familie planen möchte, wie viele Kinder man will, wann man Kinder will und ob man überhaupt Kinder will – das sind grundlegende Fragen, die Frauen und alle Personen mit Uterus betreffen und extrem relevant für den Verlauf des Lebens und die Zufriedenheit und Selbstbestimmung der Person sind.“
Wohin mit Paragraf 218?
Der erste Schritt, die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen, ist bereits geschafft. Für Elisa und ihre Kommiliton*innen ist der Kampf aber noch nicht vorbei: Sie fordern die Straffreiheit von Abtreibungen, die ersatzlose Streichung des Paragrafen 218. Das will auch die Bundesregierung und hat deswegen eine Kommission einberufen, die sich damit beschäftigen soll, wie die Regelungen für einen Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches umgesetzt werden können.
Von einer Gesetzesänderung erhofft sich Elisa Habermann viel: „Der Paragraf 218 muss abgeschafft werden. Das ist die Grundlage für die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.“ Doch auch, wenn Schwangerschaftsabbrüche künftig nicht mehr strafbar sind – es gibt viel zu wenig Ärzt*innen, die in ihren Praxen den Eingriff durchführen. Das liegt einerseits an der mangelnden Ausbildung im Studium, andererseits ist das Stigma, mit dem die Mediziner*innen konfrontiert werden, noch immer hoch. So genannte „Lebensschützer“ protestieren vor Arztpraxen und Beratungsstellen und bedrohen Frauen und Ärzt*innen, die sich offen zu Schwangerschaftsabbrüchen bekennen. Deswegen sind neben Gesetzesänderungen auch Veränderungen im gesellschaftlichen Diskurs wichtig, wie Elisa erklärt: „Ich habe das Gefühl, dass Formate zum Schwangerschaftsabbruch häufig Pro-Contra-Formate sind, bei denen Personen eingeladen sind, die eine sehr starke pro-life-Meinung vertreten – und das ist in unserer Gesellschaft ein Randphänomen. Die meisten Menschen sind pro choice und deswegen sollte auch im öffentlichen Diskurs ein richtiges Meinungsabbild stattfinden. „
Es heißt, die radikalste Entscheidung, die ein Mensch treffen kann, ist, sich für oder gegen ein Kind zu entscheiden. Genau aus diesem Grund braucht es, wenn es um Schwangerschaftsabbrüche geht, eine ausreichende Versorgungslage – durch genug Praxen, die den Eingriff durchführen und verpflichtende Lehre an Universitäten. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber Elisa und ihre Kommiliton*innen werden sich weiter für mehr Selbstbestimmungen einsetzten.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Das muss jeder für sich entscheiden. Eine Abtreibung machen, ist keine einfache Entscheidung. Vor allem für junge Menschen, die noch zur Schule gehen müssen viel Unterstützung erhalten. Ich habe damals mein Kind nicht abgetrieben und bin wirklich glücklich darüber!
https://www.konfliktschwangerschaft.at/