In den kommenden Wochen stellt Marcel Kupfer die Wahlprogramme vor. Zu jedem führt er ein Interview mit einem Parteimitglied. Diese Woche geht es um DIE LINKE: Er fragt die Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Heidi Scharf, zu Social Media im Wahlkampf, Diesel und Überwachung.
Heidi Scharf beschreibt sich in drei Sätzen: Ich bin Feministin. Setzte mich sehr für die Rechte der Frauen ein. Ich bin seit über 40 Jahren politisch aktiv.
Social Media im Wahlkampf wird immer präsenter und somit auch wichtiger. Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, Sie sind da eher dünn aufgestellt. Warum?
Ich persönlich ja, weil ich mich da noch schwer tue, es stärker zu nutzen. Ich bin ja schon 64 Jahre alt. Das heisst aber nicht, dass es nicht trotzdem wichtig ist. Einen Nachteil habe ich glaube ich nicht, meine Kommunikation läuft viel über E-Mail.
Die CDU lehnt eine Koalition mit Ihrer Partei ab. Wie gehen Sie damit um?
Das muss die CDU entscheiden. Aber ich glaube, da gibt es so wenig Schnittmengen, sodass es so oder so nicht zusammengehen würde.
Asyl ist ein Menschenrecht, das sagen Sie auch in Ihrem Regierungsprogramm. Wie hält ihre Partei es für möglich, ein Bleiberecht für alle aber auch zusätzlich einen Abschiebestopp durchzusetzen?
Das geht nur, wenn wir die gesellschaftliche Meinung so bewegt werden könnte, dass es auch durchgesetzt werden kann. Für eine Mehrheiten bedarf es noch sehr viel Überzeugungsarbeit. Viele sind gegen das Bleiberecht und differenzieren es sehr stark. Man aber auch bedenken, dass es nicht heißt, dass alle die kommen, auch bleiben. Die Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten zeigt, dass viele die nach Deutschland gekommen sind auch wieder in ihre Heimatländer zurückgehen. Es kommen Menschen in politischer oder wirtschaftlicher Not und ich denke, wenn sich die Situation in ihrem Land bessert, es demokratische Bewegungen gibt, gehen sie dort auch wieder zurück. Von daher ist es eher eine temporäre Sache, dass die Menschen kommen.
Kindergelderhöhung, kostenloser öffentlicher Nahverkehr sowie kostenfreie Kultur- und Bildungseinrichtungen. Es hat zwar stark in den letzten Monaten geregnet, nur leider kein Geld. Stehen wir vor einer Steuererhöhung oder ist es ein leeres Versprechen?
Wir wollen ganz klar eine Steuererhöhung. Allerdings nicht für Menschen, die mit mittleren und unteren Einkommen, sondern nur für diejenigen, die sehr viel Geld verdienen und die anderen auch so entlastet werden. Außerdem sollen die Erbschaften höher besteuert werden. Dadurch erwirtschaften wir uns die benötigten Finanzierungsmittel. So könnte zum Beispiel Kinderbetreuung von der Krippe bis zur Universität finanziert werden.
DIE LINKE spricht von einer Krise Europas. Wie ist das gemeint?
Die Krise kam bei der Einführung der Währungsunion zustande wurde nicht Berücksichtigt, dass wir unterschiedliche Produktivitäten beachtet wurde. Man sollte sich überlegen, welche Vereinbarung zur Ausgleichung man mit den Ländern treffen könnte. Dabei geht es auch darum, dass Deutschland mehr importiert von diesen Ländern und nicht nur exportiert. So würden die anderen Länder unterstützt und stabilisiert werden. Möglicherweise könnten dann dort Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Ein andere Punkt ist das Einkommen in Deutschland. Mit einem Mindestlohn von 8,84 Euro kann in Deutschland niemand vernünftig leben. Das hat auch Auswirkungen auf Europa, wenn sich die Menschen mehr Produkte aus anderen Ländern kaufen können.
Der Diesel ist derzeit Gesprächsthema Nummer Eins in der gesamten Bundesrepublik. Wie positionieren Sie sich?
Unternehmen, die zu dieser Krise verursacht haben, durch technologischen Änderungen, müssen ganz klar dafür sorgen, dass die Diesel so nachgerüstet werden, dass sie von den Schadstoffen runterkommen. Das muss diese Industrie aus ihrem Gewinnen finanzieren, nicht die Leidtragenden.
Langfristig kommt die Abschaffung von Verbrennungsmotoren weg, wenn wir unsere Umwelt verbessern wollen, müssen wir weg von einer Mobilität, die das Klima nachhaltig negativ verändert. Dafür brauchen wir aber auch die Industrie. Ich kann nicht jemanden, der sich zehn Jahre das Geld für das Dieselauto gesparrt hat fordern, er muss das ausgleichen.
DIE LINKE fordert ein LKW-Nachtfahrverbot. Da freut sich sicherlich der ein oder anderer Fahrer, wenn er im Sommer bei 35 Grad nicht mehr die lange Pause machen muss und bei der Hitze schlafen. Doch besteht da nicht die Gefahr, dass es massenhaft Stau gibt? Alle LKWs, die sonst nachts fahren, werden zu den Tagfahrern hinzukommen.
Es geht generell um ein neues Verkehrskonzept. Wir wollen, das mehr auf die Schienen verlagert wird. Produkte sollen mit umweltfreundlichen Technologien transportiert werden. Es kann nicht sein, dass wir immer mehr LKWs auf die Straße schicken, die Autobahnen ausbauen und dadurch unsere Umwelt belasten. Wir haben ein Verkehrskonzept, mehr öffentlichen Verkehr zu schaffen, damit wir die Staus auf den Straßen nicht mehr haben werden. Da gehört ein Schritt wie das Nachtfahrverbot dazu, auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist.
Welche positiven Faktoren sehen Sie an einer Gemeinschaftsschule hingegen des bisherigen Schulsystems?
Positiv ist, dass wir die soziale Auslese nicht mehr haben. Wenn man länger gemeinsam lernt, das auch kostenfrei ist, haben Kinder aus sozial schwächeren Familien die gleichen Chancen, wie wenn es nach der vierten Klasse entscheiden werden muss, in welche Richtung es sich entwickeln soll. Das ist zu dem Zeitpunkt vielleicht noch gar nicht zu sagen. Wenn man mehr Chancengleichheit möchte, dann muss längeres, gemeinsames Lernen gefördert werden.
In der inneren Sicherheit sind Die LINKE gegen eine staatliche Überwachung. Welche alternativen Maßnahmen sehen Sie?
Innere Sicherheit hat auch mit der Bundesregierung im weltpolitischen Zusammenhalt zu tun. Durch mehr Polizei, Überwachung und Vorratsdatenspeicherung wird man auch nicht mehr Sicherheit bekommen. Es geht vielmehr darum, soziale Gerechtigkeit in einem Land zu schaffen. Völkerverstänigung zu betreiben. Keine Waffenexporte Da gehören viele Facetten dazu. Man muss die Menschen nicht total überwachen, um Sicherheit zu bekommen. Vertrauen muss geschaffen werden und es nicht mehr anheizen.
Was soll sich Ihrer Meinung direkt nach der Bundestagswahl am 24. September verändern?
Mir wäre wichtig, dass das Hartz IV-System verändert wird, also alles, was mit der Agenda 2010 zu tun hat. Außerdem wünsche ich mir keine Waffenexporte sowie keine Auslandseinsätze, sondern mehr Friedenspolitik