Auf der Weltkarte von Reporter ohne Grenzen ist Afghanistan ein “rotes Land” – eines, in dem die Situation der Pressefreiheit als schwierig gilt. Die Journalistin Farida Nekzad und der Fotograf Andrew Quilty sprechen im Studio R des Gorki-Theaters über die aktuelle Lage, insbesondere die von Frauen im Journalismus.
In der Jahresbilanz der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen werde Afghanistan, gemessen an der Anzahl getöteter Medienschaffender, als das gefährlichste Land für Journalistinnen und Journalisten im Jahr 2018 bezeichnet. Mit diesem Hinweis eröffnet Gemma Pörzgen, Vorstandsmitglied bei Reporter ohne Grenzen, die Veranstaltung, welche die Organisation in Kooperation mit dem Gorki-Theater am Internationalen Tag der Pressefreiheit durchführt. Zu Gast sind die afghanische Journalistin Farida Nekzad und der australische Fotograf Andrew Quilty, der seit 2013 in Kabul lebt. Nicht viele Journalistinnen und Journalisten wollen in Afghanistan arbeiten, so Quilty gleich zu Anfang. Aber die Geschichten hier seien tiefgehender als an anderen Orten: “Fotos zu machen ist hier echter Journalismus”. Deshalb sei er immer noch dort.
Farida Nekzad berichtet von dem Zentrum für Journalistinnen, das sie gegründet hat, nachdem sie von 2004 bis 2009 Chefredakteurin der afghanischen Nachrichtenagentur Pajwhok Afghan News war. Das Zentrum solle vor allem Schutz bieten und Anlaufstelle für Frauen sein, die im Medienbetrieb arbeiten. Für Journalistinnen sei die Lage besonders unsicher, zu den üblichen Schwierigkeiten komme das Problem sexueller Übegriffe und Gewalt: “Alle großen Medien werden von Männern geleitet. Deshalb ist es für viele Frauen schwer, Gehör für ihre Situation zu finden”, so Nekzad.
Mehr Frauen in die Medien
Ansonsten steht an diesem Abend vor allem Quiltys Arbeit im Vordergrund. Die Schauspielerin Ruth Reinecke liest einen Bericht vor, der in einem Interview zwischen Quilty und der Journalistin Veronika Eschbacher entstanden ist, und in dem Quilty vom Alltag in Kabul berichtet. Hier hätte natürlich auch Nekzad erzählen können, die das Land wesentlich besser kennen dürfte – das Interview ist aber in dem Bildband “Fotos für die Pressefreiheit” erschienen, den Reporter ohne Grenzen jedes Jahr am 3. Mai herausgibt und deshalb an diesem Abend auch präsentiert.
Einige von Quiltys Arbeiten werden auf einer Leinwand im Hintergrund gezeigt. Auf einem davon ist ein kleiner Junge zu sehen, dessen Onkel ihm die Ohren zuhält, um ihn vor dem Lärm einer Detonation zu schützen, wie der Fotograf erzählt. Auf einem anderen Bild ist ein weißes Bettlaken zu sehen, hinter dem sich die Silhouetten mehrerer Frauen abzeichnen. Über die Situation von Frauen zu berichten, sei besonders schwer, so Quilty: “Es ist als Mann nicht so einfach, der Situation gerecht zu werden und eine gesellschaftlich akzeptierte und kultursensible Geschichte zu erzählen”. Auch deshalb sei es so wichtig, dass mehr Frauen in den Medien arbeiten, ergänzt Nekzad.
Verhandlungen mit den Taliban
Einen etwas seltsamen Beigeschmack hat die Veranstaltung dadurch, dass Andrew Quilty von der Verleihung des World Press Photo Awards, den er in diesem Jahr für seine Bilder eines Anschlagsortes in Kabul erhielt, kurz nach Einladung wieder ausgeladen wurde, da ihm “unangemessenes Verhalten gegenüber Frauen” vorgeworfen wurde. Darauf weist auch Gemma Pörzgen kurz vor Ende der Veranstaltung hin, erklärt aber auch, dass sie selbst vor Ort recherchiert und vorerst keine konkreteren Hinweise für die Vorwürfe habe finden könne. Deswegen habe man entschieden, an Quiltys Einladung festzuhalten.
Farida Nekzad schlägt schließlich den Bogen zu aktuellen Entwicklungen in Afghanistan. Am Freitag erst ist eine Tagung der afghanischen Ratsversammlung zu Ende gegangen, die einen Waffenstillstand zwischen Regierung und Taliban fordert. Parallel finden seit einiger Zeit Verhandlungen zwischen Taliban und den USA statt. Nekzad erinnert an all die Verbesserungen in der Rechtslage, besonders für Frauen und Journalistinnen, die es seit dem Sturz der Talibanherrschaft in dem Land gegeben hat, und bringt ihre Sorge zum Ausruck, dass diese in Verhandlungen zu einem Friedensabkommen aufgeweicht werden könnten: “Wir brauchen keinen Frieden, der all diese Errungenschaften wieder einschränkt”.