Der baden-württembergische Landtag bringt bundesweit das erste Transparenzregistergesetz auf den Weg. Wird damit wirklich alles transparenter? Jannis Krüßmann prüft das Gesetz auf Schwachstellen.
Im März 2021 legten mehrere Bundestagsabgeordnete der CDU und CSU ihr Mandat nieder, nachdem sogenannte „Maskendeals“ in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie öffentlich wurden. Die Union, die sich auf Bundesebene bis zuletzt wegen eines schärferen Lobbyregisters gegen die SPD wehrte, traf dieser Skandal in der heißen Wahlkampfphase kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
Punktlandung im Wahlkampf in Baden-Württemberg
Gerade noch rechtzeitig vor der Wahl am 14. März 2021 hatte aber das baden-württembergische Parlament ein Gesetz beschlossen, das in puncto Transparenz neue Maßstäbe setzen sollte: Das Transparenzregistergesetz (kurz: TregG) wurde am 4. Februar 2021 in seltener Einigkeit von vier Fraktionen beschlossen und ist damit das erste seiner Art in Deutschland.
Aber hätte dieses baden-württembergische Lobbyregister den „Maskenskandal“ der Union überhaupt verhindern können? Nein, denn dabei sollen sich einige Abgeordnete schlicht persönlich bereichert haben. Dagegen adressiert das Transparenzregistergesetz nicht die Abgeordneten des Parlaments, sondern soll lediglich Klarheit darüber schaffen, welche sonstigen politischen Akteur*innen sich mit welchen Interessenvertreter*innen treffen und worüber sie reden. In erster Linie soll die Öffentlichkeit Informationen über den Meinungsbildungsprozess ihrer gewählten Vertreter*innen und die Hintergründe der Gesetzgebung erfahren.
„Es kann einzelne Kritikpunkte am Gesetz geben“ – Nese Erikli
Die grün-schwarze Regierungskoalition beschloss gemeinsam mit SPD und FDP/DVP-Fraktion das neue Gesetz, das eine verpflichtende Eintragung von Interessenvertretungen in ein öffentliches Register vorsieht. Als Interessenvertretungen gelten Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, einzelne Unternehmen, die Kirche oder auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie der NABU oder Greenpeace. Die Registrierungspflicht gilt, wenn Interessen gegenüber dem Parlament, den Fraktionen oder der Regierung vertreten werden.
Die Zustimmung aller Fraktionen mit Ausnahme der AfD wurde von verschiedenen Seiten innerhalb des baden-württembergischen Parlaments hervorgehoben – laut Nese Erikli, Vertreterin der Grünen im Ständigen Ausschuss, hat diese Zustimmung aber auch ihre Kehrseite: Wie Erikli auf Nachfrage über das Portal „abgeordnetenwatch.de“ erklärte, führe diese interfraktionelle Lösung dazu, „dass es einzelne Kritikpunkte [am Gesetz] geben kann.“
LobbyControl kritisiert Geltungsbereich als „rätselhaft“
Bereits in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf im Januar 2021 zog der begrenzte Geltungsbereich hinsichtlich verschiedener Formen der Interessenvertretung die Kritik der Vereine „Transparency Deutschland“ und „LobbyControl“ und der Internetplattform „Abgeordnetenwatch“ auf sich: Laut Gesetzbeschluss gilt die Registrierungspflicht nur für Organisationen und Verbände, womit wichtige Akteur*innen der Interessenvertretung wie Unternehmen und Kanzleien von der Eintragung in das Register befreit sind. Dabei werden Unternehmen in der Zielsetzung des Gesetzentwurfs explizit als Akteur*innen der Interessenvertretung aufgeführt. Timo Lange von LobbyControl sagt dazu: „Das ist mir auch rätselhaft, wie man hier zu der Formulierung “Organisationen und Verbände“ gekommen ist.“
Dem bereits begrenzten Geltungsbereich des TregG möchte sich offenbar der Wirtschaftsrat der CDU Baden-Württemberg entziehen. Auf Nachfrage von politikorange antwortete ein Sprecher, der Wirtschaftsrat sei „keine Lobbyorganisation, sondern ein Unternehmerverband, weshalb das Thema Transparenzregistrierungsgesetz (gemeint ist das Transparenzregistergesetz, Anm. d. Red.) nicht Teil unseres Diskurses ist und uns auch nicht in erster Linie adressiert“. Tatsächlich fällt der Wirtschaftsrat der CDU als Unternehmerverband aber in den Geltungsbereich des Transparenzregisters und ist zudem in der offiziellen, freiwilligen Lobbyliste des Deutschen Bundestags eingetragen. Auf eine diesbezügliche Nachfrage reagierte der Wirtschaftsrat der CDU Baden-Württemberg nicht mehr.
Zusätzlich zum engen Geltungsbereich sieht das TregG noch eine Reihe von Ausnahmen vor, das heißt Interessenvertretungen, die zwar grundsätzlich vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind, sich aber trotzdem nicht registrieren müssen: Dazu zählen Religionsgemeinschaften wie Kirchen- und Synagogengemeinden und auch kirchliche Vereine wie die Caritas und das Hilfswerk Brot für die Welt. Auch in- und ausländische Amts- und Mandatsträger*innen müssen sich nicht registrieren.
„Diese Ausnahme ist zwingend erforderlich“ – Prof. Dr. Bernd Grzeszick
Parteispenden im Millionenbereich von Südwestmetall
Eine weitere Ausnahme von der Registrierungspflicht gilt für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, die mit der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände begründet wird. „Sobald Sanktionen mit dem Gesetz verknüpft sind, liegt ein Eingriff in die Vereinigungsfreiheit dieser Verbände vor. Dieser Eingriff kann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden, somit ist diese Ausnahme zwingend erforderlich“, sagt Prof. Dr. Bernd Grzeszick von der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg.
Brisant ist die Regelung aber insofern, dass zum Beispiel Südwestmetall, die einflussreiche Interessenvertretung der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, in den letzten zehn Jahren unter den größten verbandlichen Großspendern für mehrere Parteien war, wie aus der öffentlichen Datenbank des Bundestages hervorgeht: Im Zeitraum 2010 bis 2020 hat die CDU über 1,5 Mio. Euro an Großspenden von Südwestmetall erhalten, die Grünen seit ihrer Regierungsbeteiligung 2011 über 800.000 Euro, FDP (765.000 Euro) und SPD (410.000 Euro) folgen im gleichen Zeitraum. Insgesamt hat Südwestmetall damit mehr als 3,5 Millionen Euro an diese vier Parteien gespendet, die vor einigen Wochen ein Transparenzgesetz beschlossen haben, welches unter anderem Südwestmetall von der Registrierungspflicht ausnimmt.
Volker Steinmaier, Pressesprecher von Südwestmetall, bestätigt auf Nachfrage, dass sich der Verband selbst von dieser Ausnahme als Tarifträger in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg definitiv erfasst sehe. Gleichzeitig ständen die Parteispenden von Südwestmetall „ganz sicherlich nicht mit dem Transparenzregistergesetz in Verbindung“, sondern würden der politischen Willensbildung und dem Parteienpluralismus dienen. Zudem sei Südwestmetall an der Entstehung des Gesetzes nicht beteiligt gewesen.
Schwächere Sanktionen als auf Bundesebene
Für Unverständnis sorgt bei Timo Lange von LobbyControl die Tatsache, dass Verbände und Organisationen lediglich verpflichtet sind, einen allgemeinen Interessenbereich im Transparenzregister anzugeben, jedoch kein konkretes Vorhaben wie eine Subvention oder ein Gesetz. „Sowohl für das Parlament als auch für die Öffentlichkeit muss klar sein, welche Anliegen verfolgt werden. Wenn das Register nur so allgemein gehalten ist, hat es einen sehr geringen Informationsgehalt“, kritisiert Lange.
„Man merkt dem Gesetz an, dass es schnell gestrickt ist“ – Timo Lange
Kritik hagelte es in der öffentlichen Anhörung im Ständigen Ausschuss des Landtags nicht nur für die weitreichenden Ausnahmen, sondern vor allem für das schwache Sanktionsregime bei Verstößen gegen das Transparenzregistergesetz. Dieses bleibt sogar deutlich hinter den Maßstäben des vor wenigen Tagen verabschiedeten Lobbyregisters im Bundestag zurück: Bei Verstößen drohen zum Beispiel öffentliche Rügen im Landtag und als schärfstes Schwert ein temporärer Ausschluss von öffentlichen Anhörungen. Der Beschluss des Bundestages sieht dagegen Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro bei Verstößen gegen das Lobbyregister vor; für diese Sanktion hatte sich unter anderem auch LobbyControl in Baden-Württemberg eingesetzt.
Timo Lange lobt das baden-württembergische Gesetz aber grundsätzlich: „Es ist gut, wenn es auch in den Bundesländern Lobbytransparenzsysteme gibt. Ich war aber enttäuscht, dass eine grün-geführte Regierung das erst ganz am Ende der Legislaturperiode im Schnelldurchlauf einführt.“ Man merke dem Gesetz aber an, „dass es schnell gestrickt ist.“ Auch Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Bauwirtschaft Baden-Württemberg, sagt mit Blick auf den Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes: „Es wird höchste Zeit“. Er ist ebenfalls der Ansicht, dass Unternehmen von der Transparenzpflicht erfasst sein sollten.
Letztlich bleiben die Fragen: Wie transparent oder intransparent kann die Landespolitik in Baden-Württemberg nach dem Transparenzregistergesetz sein? Wie breit sind die transparenten Streifen wirklich?
Anmerkung: Am 25. März 2021 beschloss der Bundestag mit der Mehrheit von Union und SPD ein Lobbyregister auf Bundesebene. Dem Beschluss vorausgegangen waren monatelange Uneinigkeiten innerhalb der Regierungskoalition. Das Gesetz wurde als Konsequenz des öffentlichen Drucks in Folge der „Maskendeals“ der Union nun beschlossen. Es sieht ebenfalls eine Ausnahme für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie Kirchen vor, im Gegenzug aber schärfere Sanktionen als das baden-württembergischen Transparenzregistergesetz – und erfasst auch Unternehmen und Kanzleien von der Transparenzpflicht.