Ein ganzes Wochenende lang wurden im Jugendforum Stadtentwicklung hitzige Debatten geführt und stundenlang Handlungsvorschläge ausgearbeitet. Am Ende stand eine Präsentation mit Empfehlungen für den Staatssekretär des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Doch nicht nur das: Die Jugendlichen fordern die Gründung eines Jugendbeirates.
Das Jugendforum kurz vor dem Aus?
Um zu verstehen, wieso die Jugendlichen den Jugendbeirat gerade jetzt fordern, lohnt es sich, einen Blick auf die Geschichte des Jugendforums zu werfen. Die Jugendbotschafter engagieren sich alle in Projekten, die im Rahmen des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) gefördert wurden. In den Jugendforen kamen sie seit 2011 regelmäßig zusammen, um gemeinsam bei neuen Forschungsprojekten zu beraten. Momentan plant das Ministerium allerdings keine neuen Projektfelder, sondern legte das aktuelle Projekt Jugend.Stadt.Labor auf insgesamt drei Jahre an. Im 6. Jugendforum wurden deshalb allgemeine Themen und Probleme von Jugendlichen in der Stadtentwicklung diskutiert. „Momentan steht ein bisschen die Frage im Raum, was das Jugendforum eigentlich bewirken möchte. Wir suchen keine neuen Projekte aus und haben keine Mittel, selber Projekten zu helfen“, erklärt Joschka Thamm die Situation.
Die Revolution: Ein Jugendbeirat
„Wir müssen jetzt neue Aufgabenfelder ausarbeiten“, fordert Adalina Agejew. „Wir haben eine große Wissensbasis und müssen diese nachhaltig in die Politik auf Bundesebene einbringen.“ Deshalb wurde auch abseits der Themenwerkstätten bis tief in die Nacht über eine Vernetzung der Projekte diskutiert. Es reicht den Jugendlichen nicht, sich ein bis zwei Mal im Jahr auf Einladung des BMUB zusammenzusetzen. Joschka hat genaue Vorstellungen, wie man das ändern könnte: „Wir müssen uns besser strukturieren und auch langfristig selbstständig organisieren. Das ginge auch in einem Verband oder einer Lobbygruppe, dazu fehlen uns aber die Mittel. Deshalb wollen wir die Gründung eines Jugendbeirats anstoßen“.
Neuland auf Bundesebene
Ein Jugendbeirat soll es also sein. Aber wie stellen sich die engagierten Jugendlich das vor? Bislang gibt es Jugendbeiräte nur auf Landesebene. In der Bundespolitik ist ein solcher Jugendbeirat noch unerforschtes Terrain. „Wären wir mit unserem Beirat am Ministerium angesiedelt, hätten wir die Möglichkeit, die Sichtweise der Jugendlichen in Ausschüssen und Arbeitsgruppen einzubringen. Nur so können auch jugendgerechte Entscheidungen gefällt werden“, betont Adalina, die im Jugendbeirat Baden-Württemberg aktiv ist. Ein Jugendbeirat würde sich regelmäßig und zu aktuellen Anlässen zusammensetzen. Im Austausch gegen eine finanzielle und organisatorische Sicherheit, bieten die Jugendlichen dem Ministerium Einblick in ihr breites Wissensspektrum im Bereich Stadtplanung.
Expertenwissen weitergeben
„Zusammen sind wir wirklich ein Expertenkreis, der sein Wissen weitergeben möchte“, beschreibt Jeremy Boy das Potenzial der jungen Aktivisten. Sie möchten ihr Wissen gesammelt für Hilfe suchende Projekte zur Verfügung stellen und eine beratende Funktion einnehmen. „Wir wissen, wie man Genehmigungen bekommt und mit Ämtern umgeht. Das Ministerium dagegen hat oft keine Vorstellung, was Jugendliche wirklich brauchen“, fügt Jeremy hinzu, der sich seit langem für den Mellowpark in Berlin engagiert.
Die Sterne stehen gut für einen Jugendbeirat
Die Zeit für den Jugendbeirat scheint reif zu sein. Das Ministerium wurde nach der Bundestagswahl umstrukturiert: Mit der neuen Legislaturperiode ist das Ressort Stadtentwicklung zum Umweltministerium gezogen. Zum Termin mit dem neuem Staatssekretär, Gunther Adler, wurden nicht nur die Handlungsempfehlungen, sondern auch die Idee des Jugendbeirates vorgestellt. „Seit Jahren erhalten wir sehr viel Geld und werden immer wieder zur Diskussion eingeladen. Das Ministerium schenit echt interessiert an unserer Meinung. Wir fühlen uns ernst genommen. Jetzt, zu Beginn der Legislaturperiode, haben wir die Chance, auch unsere Aufgaben neu zu definieren“, erläutert Adalina nachdrücklich. Dennoch wollen die Jugendbotschafter nicht übermütig werden. „Wenn man zehn Prozent mehr Lohn fordert, geht man ja auch davon aus, fünf zu bekommen“, wirft Joschka ein: „ Wir haben bereits jetzt viele Mittel und sind sehr froh, dass wir diese Möglichkeiten vom Ministerium bekommen. Aber ein Jugendbeirat wäre echt ein Traum, das wäre der Wahnsinn“.
Der Höhepunkt: Das Gespräch mit Gunther Adler
In das Gespräch am Montagmorgen wurden viele Hoffnungen gesetzt. „Es ist alles abhängig davon, wie der Staatssekretär unseren Vorschlag findet. Aber wenn man die letzten Jahre anguckt- warum sollte er nein sagen?“, überlegt sich Joschka und schwankt mit den anderen zwischen idealistischer Hoffnung und realistischen Bedenken. Nachdem zehn Uhr die Handlungsempfehlungen präsentiert wurden, ist es soweit, Adalina und Joschka übernehmen das Wort. „Wir haben uns auch Gedanken gemacht, wie es mit dem Jugendforum weitergehen soll“, beginnt Adalina mit fester Stimme. Sie und Joschka stellten das Konzept des Jugendbeirates vor, bis tief in die Nacht hatten sie an den letzten Details gefeilt. Die Teilnehmer suchten in der Miene von Gunther Adler nach Zeichen der Bestätigung, doch der ließ sich nichts anmerken.
2015 soll es zwei Jugendforen geben. Und nicht nur das!
Nach der Vorstellung des Konzepts herrschte kurz angespannte Stille, darauf folgten die erlösenden Worte. Der Staatssekretär war beeindruckt und sehr angetan von den vorgestellten Ideen. Er sicherte den Jugendbotschaftern sogar zu, dass im nächsten Jahr zwei Jugendforen statt finden können, in denen die inhaltliche und strukturelle Umsetzung des Jugendbeirates besprochen werden soll. Er witzelt „selbst wenn ich es aus eigener Tasche bezahlen muss“ und sagte, er könne auch selbst zu einem Jugendforum anzureisen. Das war mehr als die Teilnehmer sich zu träumen gewagt hätten, einige schauten noch etwas ungläubig. Es scheint, als hätten die Teilnehmer zehn Prozent gefordert und auf Anhieb zwanzig bekommen.
Die Interviews führten Mona Ruzicka und Dustin Sattler.