Volkmar Vogel ist parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, kurz: BMI. Im Nachgang des Bundeskongresses 2020 des Bundes Heimat und Umwelt (BHU) hat politikorange-Redakteurin Dijana ein schriftliches Interview mit Herrn Vogel geführt.
Frage: Was verstehen Sie unter der „Heimatbewegung“, wie es der BHU auf seiner seiner Website schreibt?
Seine Antwort: Unter Heimatbewegung verstehe ich alle Menschen, die sich für Heimat einsetzen, gleich ob es ein Einsatz für Kulturlandschaften, Baukultur, immaterielles Kulturerbe, für Regionalgeschichte oder Sprachen und Dialekte ist. Das Besondere am Heimatengagement ist, dass es interdisziplinär, vielseitig und international ist. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass Bürgerinnen und Bürger sich engagieren und ihre Heimat mitgestalten wollen.
Die Heimatverbände spielen hier eine wichtige Rolle. Sie sind fachlich gut aufgestellt und unterstützen und vernetzen Engagierte zugleich auch durch ihre breite Verankerung in der Gesellschaft. Daher unterstützt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Heimatbewegung institutionell.
Die Heimatpolitik der Bundesregierung insgesamt geht aber weit darüber hinaus. Mit der im BMI etablierten Abteilung Heimat verfolgt sie das Ziel, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zu erhalten. Das gelingt in erster Linie durch eine neue und aktive Strukturpolitik, in dem wir überall gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen und die Lebensqualität der Menschen in ganz Deutschland verbessern. Dazu gehört, die ökonomischen Entwicklungschancen strukturschwacher Regionen zu stärken, zum Beispiel durch Schaffung neuer Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen oder durch die Teilhabe an kulturellen Aktivitäten vor Ort.
Einer starken Heimatbewegung gelingt es auch, sich klar abzugrenzen von rechtsgesinnten Strömungen, die häufig ebenfalls das Wort „Heimat“ für sich beanspruchen. Die Heimatbewegung, für die wir und der BHU stehen, versteht Heimat als Einladung für alle in Deutschland lebenden Menschen. Über die Abteilung Heimat hat das BMI eine breite, positiv geprägte Diskussion über „Heimat“ in Gang gesetzt und einen neuen politischen Umgang mit Heimat erreicht.
Welche gesamtgesellschaftliche Bedeutung schreiben Sie Heimatverbänden und dem Bundeskongress zu?
Die Heimatverbände sind gesamtgesellschaftlich relevant, weil sie viele verschiedene Menschen zusammenbringen. Durch den interdisziplinären und internationalen Fokus auf die verschiedenen Spielarten des kulturellen Erbes decken sie ein breites Spektrum ab, statt Spartenverbände zu sein. Gerade abseits der großen Städte, im ländlichen Raum ist diese Art von Vereinsleben wichtig und eine tragende Säule für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Engagement. Der BHU vertritt zusammen mit seinen Landesverbänden über eine halbe Million Mitglieder.
Der Bundeskongress ist eine Fachveranstaltung für Verbände und Institutionen rund um das Thema Heimat. Hier werden Ideen und Entwicklungen ausgetauscht und diskutiert, die anschließend in die konkrete Arbeit der Landesverbände einfließen.
Was tun Sie und Ihre Partei dafür, um die Kommunikation zwischen Deutschen und geflüchteten Personen zu stärken?
Ein wichtiger Aspekt ist, bei der einheimischen Bevölkerung das Bewusstsein zu wecken, dass Migration kein neu aufgetretenes aktuelles Thema ist, sondern ein im laufe der Zeit immer wiederkehrendes Phänomen.
Frühere Migranten sind heute oftmals ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, in ihrer neuen Heimat verankert und engagiert.
Die Identität Europas beruht auf kulturellem Austausch und gegenseitiger Beeinflussung über Grenzen hinweg. Ziel der Heimatpolitik ist daher auch die Neubelebung und -verortung einer gemeinsamen Identität und eines belastbaren Wertefundaments, das uns verbindet. Unsere Heimatpolitik richtet sich an Einheimische ebenso wie an Zuwanderer aller Einwanderergenerationen und Herkunftsländer. Heimatpolitik ist als gemeinsame Gestaltungsaufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen zu verstehen. Heimat grenzt nicht aus, sondern schließt alle mit ein.
Wie kann Deutschland (und die EU) den Menschen helfen, die ihren Herkunftsort verlassen mussten, eine neue Heimat in Deutschland/Europa zu finden? Welche Rolle schreiben Sie Deutschland dabei zu?
Die Reform der europäischen Migrations- und Asylpolitik ist ein wichtiger Schwerpunkt der deutschen EU Ratspräsidentschaft 2020. Denn spätestens seit dem Flüchtlingsstrom 2015/2016 ist die Integrationspolitik ein zentrales Handlungsfeld in Deutschland.
Jeder und jede Zugewanderte tragen durch ihr eigenes Engagement zu einem gelingenden Ankommen bei. Deswegen setzt die deutsche Integrationspolitik auch auf den Grundsatz des Förderns und Forderns.
Im Bereich des BMI werden insbesondere die Maßnahmen sozialer Integration verantwortet, unter denen an aller vorderster Stelle die Integrationskurse zu nennen sind, die neben der Sprache auch Orientierung und Wertevermittlung beinhalten. Daneben werden aber auch eine Reihe Integrationsprojekte gefördert, die Zugewanderten das Ankommen und die Integration erleichtern sollen.Beispielsweise wird seit nunmehr mehr als 30 Jahren das Programm „Integration durch Sport“ gefördert. Dann gibt es mittlerweile seit fast 15 Jahren die gemeinwesenorientierten Projekte, die Zugewanderten wie auch der Aufnahmebevölkerung als Begegnungsstätte dienen und so die gegenseitige Akzeptanz und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Diese sollen in nächster Zukunft auch zu einem größeren Programm aufgestockt werden.“
In Ihrem Grußwort beim Bundeskongress 2020 sprechen sie an, dass es wichtig sei, Teilhabe auch in der jüngeren Generation zu fördern. Haben Sie dahingehend konkrete Vorstellungen, wie man dies umsetzen kann?
Wichtig ist, Angebote zu machen, die zur Lebensrealität der Menschen passen. Die Themen der Heimatbewegung bleiben aktuell, aber wir beobachten überall, dass Engagement sich verändert – es entstehen neue Formen des Engagements und der Vernetzung untereinander. Wenn Menschen – etwa für Studium und Ausbildung – ihren Heimatort verlassen, verlassen sie auch ihren Heimatverein.
Wir brauchen daher Angebote, die Engagement aus der Ferne oder zum Beispiel projektgebunden erlauben, sodass Menschen sich einbringen können, ohne seit 25 Jahren Vereinsmitglied zu sein. Hier spielt die Digitalisierung und die Förderung der digitalen Angebote und Fähigkeiten eine wichtige Rolle – gerade auch im ländlichen Raum. Dafür setzen wir uns als Bund ein. Wir haben uns die Themen Digitalisierung und gleichwertige Lebensverhältnisse auf die Fahnen geschrieben.
Blickt man auf die Veranstaltung „Heimat in Europa“ und deren Podiumsbesetzung könnte man meinen, es sei eine Veranstaltung für „alte weiße Männer“. Wie repräsentativ finden Sie ein solches Bild? Und warum gibt es bei derartigen Veranstaltungen häufig zu wenig junge und diverse Menschen? Was muss sich Ihrer Meinung hier ändern?
Das Bild ist nicht repräsentativ für die Gesellschaft und auch nicht für die Engagierten im Verband. Gleichzeitig ist es so, dass für die Panel in erster Linie Personen in Führungspositionen (Vorsitzende etc.) angefragt werden, damit diese für ihren Verband oder ihre Organisation sprechen können. Somit sind die Panel repräsentativ für Führungspositionen in unserer Gesellschaft, was bedauerlich ist. Dennoch, an der Spitze der Heimatverbände, die den Kongress organisiert und repräsentiert haben – der BHU und der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern – stehen Frauen: die Präsidentinnen und die Geschäftsführerinnen. Wir wünschen uns noch mehr Frauen, mehr junge Menschen und mehr Diversität, dafür brauchen wir auf gesellschaftlicher Ebene mehr Sensibilität und auf Verbands- und Veranstaltungsebene gute Kommunikation, die Offenheit demonstriert und allen gesellschaftlichen Gruppen Mitgestaltung anbietet.