Wie unterscheidet sich Engagement zwischen Jung und Alt? Ist eine Generation engagierter als eine andere? und wie gut zieht man bereits an einem Strang?
Bis letzten Donnerstag wusste ich nicht einmal, dass ich mich engagiere. Seit September mache ich ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Jugendpresse Deutschland. Noch während der Abiturphase hatte ich mich dafür beworben, da ich wie so viele nicht sicher war, ob und was ich anschließend studieren sollte und ich schon immer Interesse an Medien und Journalismus hatte. Dass ich mich damit für die Gesellschaft engagiere, war mir jedoch noch nie in den Sinn gekommen. Der Ausdruck „gesellschaftliches Engagement“ ließ mich bisher an ehrenamtliche Helfer in einer Suppenküche denken, die ihre Freizeit selbstlos opfern, um obdachlosen Menschen im Winter den Magen zu füllen und die Welt damit ein Stück besser zu machen.
Ich habe mich nicht für mein FSJ entschieden, um die Welt besser zu machen; Ich schreibe einfach gerne.
Warum engagieren?
„Engagement muss nicht alleine aus selbstlosen Motiven entstehen“, erklärt mir Alexandra Hebestreik, Leiterin einer Agentur für Freiwilligendienste in Kiel: „Heutzutage soll Engagement aus Einsatz für die eigenen Interessen geschehen. Nur, weil dir etwas Spaß macht, ist es nicht weniger wertvoll für die Gesellschaft.“ Wir sitzen im Stadtbad Oderberg in Berlin beim Workshop „Alt und jung – Gemeinsam engagiert“ des 4. Deutschen EngagementTags. Mit uns am runden Tisch sitzen weitere acht Personen, alle aus unterschiedlichen Altersgruppen, alle engagiert auf die ein oder andere Art.
Frau Hebestreiks Blick wandert von Person zu Person, als sie erklärt, dass Engagement aus eigenem Interesse geschehen sollte. Was gibt es Besseres, als für ein Thema so sehr zu brennen, dass man sich losgelöst von finanziellen Interessen damit beschäftigen möchte und davon auch noch die Gesellschaft profitiert. Zustimmendes Nicken aus der Runde begleiten ihre Ausführung. So habe ich es noch gar nicht gesehen. Doch eins ist sicher: Für die 360€ Taschengeld im Monat mache ich meinen Freiwilligendienst garantiert nicht.
Laut Frau Hebestreik war es noch vor einigen Jahren keine Seltenheit, dass sich junge Leute anhören mussten, sie würden sich nicht engagieren, da sie alles nur für sich selbst täten. Eine Ansicht, die inzwischen schon weitgehend abgelegt wurde. Neben jungen Leuten wie mir sind es nach Frau Hebestreiks Erfahrung vor allem Menschen ab 40, die Freiwilligendienste absolvieren. Mit 40 hat man sich meist ein Leben, eventuell eine Familie aufgebaut und ist finanziell abgesichert. Viele entscheiden sich dann für ein Engagement oder Ehrenamt, das einen noch bis ins hohe Alter erfüllt. Engagement beginnt, wo die klassische Berufswelt ihren Einfluss verliert.
(K)eine Frage des Alters
Vor allem in ländlichen Regionen tragen Vereinsstrukturen wesentlich zur Lebensqualität von Jung und Alt bei. Dazu kommt politisches Engagement wie Demonstrationen, Jugendkongresse oder auch die Parteimitgliedschaft. Hier ist zu beobachten, dass es in jeder Generation Gruppen gibt, die für ein und dasselbe Ziel kämpfen.
Workshop-Leiter Üwen Ergün unterhielt sich mit mir tiefergehend über generationsübergreifendes Engagement: „Die Grundstimmung war positiv und lösungsorientiert, glaube ich. Doch man merkt, dass das Thema generationsübergreifenden Engagements zurzeit sehr polarisiert. In unserer Gesellschaft entsteht neuerdings das Bild, man würde gegeneinander kämpfen. Da stehen sich mehrere Fronten gegenüber anstatt miteinander zu arbeiten.“ Ein Grund für diese Frontenbildung könnte der Unterschied in den Strukturen von „altem“ und „jungem“ Engagement sein.
Bundesjugendministerin Franziska Giffey erklärte in ihrer Eröffnungsrede des EngagementTags: „Die Parteizugehörigkeit mit regelmäßigen Treffen jeden Montagabend von 21 bis 22 Uhr ist für viele nicht mehr das Richtige.“ Tatsächlich liegt der Altersdurchschnitt der CDU, SPD und CSU-Mitglieder bei 60 Jahren. Die Grünen schaffen es immerhin auf 49 Jahre.Wie wir alle wissen, zeigt eine Bewegung wie keine andere zurzeit, dass dies keinesfalls an politischem Desinteresse von Seiten der Jugend liegen kann. Lucia Parbel, Aktivistin bei FridaysForFuture sagte während der Podiumsdiskussion auf dem EngagementTag, dass sie eine „For Future Partei“ nicht für den richtigen Weg hielte. Engagement der Jugend ist normalerweise anders, kurzfristiger. Welcher junge Mensch möchte sich schon für die nächsten drei Jahre zum Gemeindevorstand wählen lassen?
Neue Formen des Engagements
Dies könnte auch mit der Digitalisierung zusammenhängen. Diese hat die Welt in allen Belangen schnelllebiger werden lassen und junge Menschen sind in dieser Welt aufgewachsen.
Mir fällt auf, dass, wann immer Engagement und Jugend in Kombination auf der Veranstaltung zur Sprache kommt, auch FridaysForFuture genannt wird. Es scheint, als würde das sämtliche Engagement der heutigen Jugend auf diese eine Bewegung reduziert werden. Elisabeth Kaneza von der Civil Academy denkt, dass als Folge der enormen Medienwirksamkeit der „For Future-Bewegung“, wie einige sie oft nennen, anderes Engagement nicht mehr so stark wahrgenommen werden würde. In ihrer Organisation seien Jugendliche aktiv, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen, doch es gebe dort auch intergenerationale Arbeit.
Ansonsten treffe ich auf dem EngagementTag fast ausschließlich auf Menschen, deren Organisationsanliegen oder Demografie der Organisation, für deren Ziel sie sich einsetzen, nur auf eine Altersgruppe beschränkt ist. Der Wunsch jedoch, dies generationsübergreifend auszuweiten, ist überall vorhanden.
Unabhängig davon, ob ich mit den jugendlichen Bundessprechern und -sprecherinnen des Freiwilligen Ökologischen Jahres oder mit der Leiterin des Projekts Silbernetz, das Kontakte zwischen einsamen Senioren knüpft, spreche – alle möchten miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Das Thema generationsübergreifenden Engagements zieht sich auch wie ein roter Faden durch die zwei EngagementTag(e). Vielleicht wird auf dem Gebiet schon bald mehr passieren.