Martin Häusling ist Europa-Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen in Brüssel. Für das #EPjugendforum in Wiesbaden kehrte er zurück in den Hessischen Landtag und stand den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort. Nachdem er sich mit den Ideen und Vorschlägen auseinandergesetzt hat, stellte er sich den Fragen von Methap und Aleyna.
Hallo Herr Häusling, seit wann sind Sie politisch aktiv?
Also kommunalpolitisch aktiv bin ich seit 1981 und auch bis heute im Kommunalparlament meiner Gemeinde. Profimäßig war ich erst 2003 im hessischen Landtag und seit 2009 im europäischen Parlament.
Gab es einen bestimmten Anlass, der Sie dazu veranlasst hat, politisch aktiv zu sein?
In meiner Heimat sollte mal ein Atomkraftwerk gebaut werden – bis zum Störfall in Tschernobyl und ich habe mich dagegen engagiert. Das hat mich politisiert. Ich bin Bauer und habe Landwirt gelernt. Als ich angefangen habe den Betrieb meiner Eltern zu übernehmen, habe ich begonnen ohne Pestizide ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Jetzt sind wir seit 30 Jahren ein Bio-Landbetrieb. Somit wurde die Landwirtschaft und der Einsatz von Chemikalien mein zweites großes Thema.
Wir haben von Ihrem Erfolg im Bezug auf die Bienen gehört. Herzlichen Glückwunsch dazu. Welche weiteren Projekte und Pläne gibt es im Bezug auf die ökologische Landwirtschaft?
Also ich finde, dass nun drei Mittel in der EU verboten wurden, die extrem schädlich sind, kann nur ein Schritt sein. Es darf jetzt nicht passieren, was sonst oft passiert, nämlich, dass sie einfach vom Markt genommen werden und es dann drei neue gibt. Es gibt ja noch mehr davon und es kann keine Alternative sein, dass wir immer mehr Chemie in der Landwirtschaft einsetzen. In den letzten Jahren wurde wieder mehr Chemie eingesetzt und zu viel gedüngt. Mein Ziel ist es, darauf hinzuarbeiten, dass die Landwirtschaft am Ende ökologisch ist und es in die Richtung geht, dass wir ohne Pestizide auskommen. Einfach weil ich es nicht für normal halte, dass wir Lebensmittel produzieren, indem wir dort Chemie draufkippen. In bestimmten Bereichen ist das bereits sehr extrem.
Haben Sie noch eine weitere politische Herzensangelegenheit?
Ja, das ist das Thema Plastik und die Vermeidung davon. Das ist nun auch auf der Agenda. Deshalb denke ich, dass dort die nächsten großen Schritte gemacht werden müssen und ich sehe auch, wie viele Leute uns anschreiben –und vor allem betroffen sind– von dieser Vermüllung. Nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Darum müssen wir unbedingt wieder runterkommen von diesem exzessivem Verbrauch an Plastik.
Sprechen wir über die EU: Was machen für sie europäische Werte aus? Wo begegnen uns diese im Alltag?
Zu den europäischen Werten, unter denen sich am Ende auch die Länder zusammenfinden, gehört für mich allem der Begriff der Demokratie, so wie wir ihn in Europa definieren. Doch auch in Europa ist die Demokratie nicht mehr ganz ungefährdet, das muss man auch sagen. Es ist die Freiheit des Einzelnen und dazu gehört mehr als bloß die Reisefreiheit, sondern auch wie wir uns persönlich entfalten können. Und, dass wir in Europa das Menschenrecht als höchsten Maßstab ansehen. Wenn ich mich so umgucke in der Welt, ist das tatsächlich nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Deshalb sollten wir als Europäer mit einem guten Beispiel vorangehen, damit auch andere Länder, mit denen wir Handel betreiben, unseren Maßstäben von Demokratie, Bürgerrechten und Freiheitsrechten entsprechen.
Wie schätzen Sie denn die aktuelle Lage der EU ein, was gibt es noch zu tun?
Also Europa ist kein Selbstläufer. Es ist nicht so, dass nun immer alles besser wird und alles zusammenwächst. Man sieht es ja an den letzten Jahren: Nationalismus und nationalstaatliches Denken nehmen Überhand und einige Länder glauben, sie können europäische Probleme alleine besser lösen. Dazu kommt seit der Flüchtlingskrise das Gefühl, dass da etwas Unreguliertes passiert und dass man der Zuwanderung Grenzen setzen muss. Das sind natürlich Probleme und das hängt damit zusammen, wie wir uns als Europäer global einmischen in Thematiken. Europa hat sich in vielen Dingen in den letzten drei Jahrzehnten immer mal quer gestellt und nicht reagiert. Gerade der Nahost-Konflikt ist eine Sache, um den sich natürlich auch Europa kümmern muss und nicht noch zusätzlich „Bomben“ hinliefern.
Gerade auch, wenn einige Leute aus der Flüchtlingskrise heraus denken, Grenzen dicht machen zu müssen, kann das für Europa kein Ausweg sein. Ich plädiere dafür, dass Europa mehr Verantwortung übernehmen muss: Nationalismus, Kleinstaaterei und das Dichtmachen von Grenzen sind keine adäquaten Antworten für die Zukunft.
Denken Sie, dass die Arbeit, die hier heute von den Jugendlichen verrichtet wurde, nachhaltig ist? Wirken sich Ergebnisse des Jugendforums auf die Arbeit im Europäischen Parlament aus?
Ich fand es erstmal sehr spannend, dass während des Plenums viele Themen angesprochen wurden, die nun auch bei uns in Brüssel auf der Agenda stehen. Also Themen wie Plastik und das Voranbringen erneuerbarer Energien. Das sind alles Punkte, mit denen wir uns dort tagtäglich beschäftigen. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen damit beschäftigen würden, also so, wie Sie es jetzt gemacht haben: Themen von unten diskutieren und sagen, dass man Ideen hat und anschließend so etwas in den Diskussionsprozess einbringen. Das Problem für uns als Parlamentarier ist oft, dass man leider weit weg ist und deshalb ist so eine Rückkopplung gut.
Denken Sie, dass sich Jugendliche mehr mit politischen Inhalten auseinandersetzen sollten und sehen Sie Möglichkeiten, wie dies konkret passieren kann?
Ich persönlich bin nicht in die Politik eingestiegen mit dem Ziel die Welt zu verändern. Meistens geht es eher darum, mit kleinen Projekten das eigene Umfeld zu verändern. Aber man merkt dann auch oft, dass man an den großen Rädern drehen muss. Ich glaube, ein Problem heute ist, dass alles unübersichtlicher wird. Man weiß nicht mehr, was oder wer wofür steht und dann halten sich viele lieber raus. Ich glaube jedoch auch, trotz dieser Unübersichtlichkeit und der Schnelligkeit, dass man sich trotzdem einbringen sollte. Ich kann dazu nur sagen, dass Politiker nicht allein sind in ihren Parlamenten. Man muss sie fordern und auch an solchen Veranstaltungen wie heute daran erinnern.