Mit 24 in den Landtag – so wollte Jungpolitiker Moritz Klug (Volt) die Interessen von Jugendlichen im Parlament vertreten. Für ein Mandat hat es zwar nicht gereicht, die Motivation, sich weiterhin politisch zu engagieren, bleibt aber. Warum?
Wie waren die letzten Wochen für dich?
Super anstrengend! Bei allen Kleinparteien ist das Engagement und der Wahlkampf ehrenamtlich parallel zum Beruf oder zum Studium. Wenn ich in den letzten Wochen mal mehr als fünf Stunden Schlaf bekommen habe, war das schon viel! Der Wahlkampf war definitiv ein Fulltime-Job über die letzten 1,5 Monate. Es hat sich aber dahingehend gelohnt, dass wir Volt bekannt gemacht haben, viele neue Mitglieder gewonnen haben, vor allem viele Frauen – was uns sehr froh macht. Auch das Ergebnis für mich persönlich ist zufriedenstellend. Zwar haben wir uns für Baden-Württemberg etwas mehr erhofft, allerdings hat es uns das Wahlsystem und die Tatsache, dass wir dadurch nur in wenigen Wahlkreisen antreten konnten, sehr schwer gemacht. Die Krone wäre es auf jeden Fall gewesen, die 1% zu knacken und damit Gelder aus der Parteienfinanzierung zu bekommen.
Welche Rolle spielen junge Menschen und ihre Interessen in der Landespolitik Baden-Württembergs?
Überraschend wenig. Wenn man sich anguckt, welche Themen behandelt werden und vor allem, wer im Landtag sitzt, dann sehe ich die Jugend total unterrepräsentiert. Bei der Wahl haben jetzt auch ein paar junge Kandidaten, z.B. von der FDP, ein Mandat bekommen, aber es ist auf jeden Fall so, dass vor allem die ältere Generation im Landtag vertreten ist. Besonders bei den wichtigen Themen, wie z.B. Klimaschutz, haben wir in Baden-Württemberg riesige Defizite. Es wird zwar viel drüber geredet, aber im Vergleich zu anderen Bundesländern ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig in diesem Bereich getan worden. Ich bin gespannt, ob sich das mit der neuen Landesregierung ändert.
Wenn sich mehr junge Menschen für Themen, die ihnen am Herzen liegen, politisch einsetzen, dann würden Themen wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit höher auf der Agenda stehen, als es aktuell der Fall ist.
Wie politisiert ist unsere Generation?
Ich persönlich sehe eine enorme Spaltung zwischen “sehr hoch politisiert” und “total egal”. Der Anteil, der sich allgemein für Politik interessiert, ist definitiv in den vergangenen Jahren gestiegen, was aber nicht heißt, dass sich die junge Gesellschaft per se für Politik interessiert. Wenn sich junge Menschen aber für Politik interessieren, sind sie wirklich oft sehr aktiv und haben eine starke Meinung. Auch in meinem persönlichen Freundeskreis fällt mir immer wieder auf, dass jeder seine Themen hat, die ihm wichtig sind, aber das breite politische Verständnis und Interesse oft fehlt. Vielen ist nicht klar, was welche Partei vertritt, was sie wirklich umgesetzt haben. Diese Wissenslücken will ich niemandem vorwerfen, da man wirklich sehr viel Zeit braucht, um sich tief in das Thema einzufinden.
Was muss sich ändern, damit sich junge Menschen in der Landespolitik besser repräsentiert fühlen?
Die Kommunikation für junge Menschen muss sich ändern. Wenn wir uns angucken, wie junge Menschen ihre Informationen bekommen, dann sind das zwar oft immer noch die klassischen Medien, allerdings trotzdem über eine andere Kommunikationsweise. In Amerika kann man zum Beispiel gut beobachten, wie die Senatoren junge Menschen über Social Media erreichen. Damit will ich gar nicht sagen, dass sich jeder Politiker in den sozialen Netzwerken darstellen soll, aber die Art des Kommunizierens muss definitiv angepasst werden. So kann Politik auch besser für junge Menschen verständlich gemacht werden und dadurch ein Stück Realität und Nähe aufgebaut werden.
Mein Vater liest jeden Tag die Zeitung, ich höre lieber Podcasts, um mich zu informieren.
Am Ende des Tages kann es etliche Bewegungen geben, die Entscheidungen werden aber in den Parlamenten bzw. in den Parteien getroffen.
Was kann jede*r tun, um politisch etwas in Bewegung zu setzen?
Da gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann man sich einer Bewegung anschließen, z.B der Black-Lives-Matter Bewegung, einer feministischen Bewegung oder Fridays For Future. So kann Druck auf die Parlamente aufgebaut werden, was wichtig ist. Ich persönlich bin eher der Meinung, dass junge Menschen aktiver in Parteien werden sollten. Am Ende des Tages kann es etliche Bewegungen geben, die Entscheidungen werden aber in den Parlamenten bzw. in den Parteien getroffen. Ich sehe oft, dass junge Menschen total frustriert sind von den Parteien, deshalb nicht eintreten wollen, sich so auch nicht parteipolitisch engagieren und nur noch frustrierter werden. Das finde ich sehr schade. Auch wenn man vielleicht unterschiedliche politische Ansichten hat, kann man dennoch die eigenen Interessen vertreten und in Austausch treten. Am Ende trifft die Politik die Entscheidungen und nicht die Menschen auf der Straße. Wenn man Mitglied einer Partei ist, kann man sich aber wirklich aktiv einbringen und tatsächlich etwas bewegen.
Wie sieht ein modernes Parteiensystem aus?
Basisdemokratisch und so, dass auch in kurzer Zeit viel erreicht werden kann. Wenn ich mit jungen Menschen spreche, bekomme ich oft mit, dass sie sehr frustriert sind, wenn beispielsweise in Jugendorganisationen der Parteien bei zahlreichen Stammtischgesprächen Vertrauen aufgebaut werden muss, bevor man in eine verantwortungsvolle Position gelangt. Bei einer kleinen Partei wie Volt kann man hingegen recht schnell viel erreichen, beispielsweise durch die digitale Vernetzung auch mit anderen europäischen Staaten. So können wir schnell viele relevante Themen in unser Wahlprogramm aufnehmen. Da habe ich auch für mich gemerkt, dass Volt Menschen, die etwas machen wollen, eine Möglichkeit gibt, um das umzusetzen und etwas Neues auf die Beine zu stellen. Bei vielen anderen Parteien vermisse ich es, dass sie jungen Leuten nicht die Perspektive geben, schnell etwas zu entscheiden.
Das Parteiensystem an sich finde ich ganz gut. Ich sehe das Verbesserungspotential vor allem bei der internen Aufgabenverteilung der Parteien.
Welche Rolle spielen Frauen in Kleinstparteien?
Allgemein sind in der Politik viel weniger Frauen aktiv als Männer, was ich sehr schade finde. Wir versuchen immer, neue Frauen dazu zu motivieren, einer Partei beizutreten. Vor ein paar Monaten haben sich auch bei Volt nur Männer für die Listenplätze beworben. Zum Teil halte ich es für eine Frage der Selbsteinschätzung, zum Teil haben Frauen viel mit Politik zu tun, aber nicht mit Parteien. In Parteien, die eher als Bewegung agieren, z.B. die Klimaliste, ist der Frauenanteil verhältnismäßig hoch. Wenn aber die klassischen Parteienverhältnisse mit Hierarchien, vielleicht auch Machtspielen, dominieren, schreckt das Frauen oft ab, während Männer damit anders umgehen. Dieses egozentrische Auftreten, was man in der Politik auf jeden Fall braucht, ist aktuell oft sehr testosterongetrieben. Das Problem liegt eher bei der Politik und nicht bei den Frauen. Gleichzeitig ist es schwierig, das Problem zu lösen. Es gibt keine einzige Partei mit mehr Frauen als Männern. Da ist es die logische Konsequenz, dass auch in den Parlamenten weniger Frauen als Männer vertreten sind. Ich bin auf jeden Fall für eine Frauenquote, denke aber auch, dass wir nicht über eine Quote sprechen müssten, wenn allgemein ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern vorliegt.
Für mich ist es ein großer Motivator, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Ich möchte Teil der Zukunft sein.
Welche Gründe gibt es dafür, sich in einer Kleinstpartei zu engagieren, wenn Mandate doch weit entfernt scheinen?
Ja, Mandate sind weit entfernt, aber sie sind nicht unerreichbar, was man gut in Hessen gesehen hat. Dort hat Volt teilweise 6% der Stimmen bekommen. Wenn ich der Meinung wäre, Volt würde nie irgendwo ein Mandat gewinnen können, dann wäre ich nicht hier. Ich bin fest davon überzeugt, dass Volt in der nahen Zukunft eine große politische Bedeutung haben wird. Das ist auch der Gedanke, der uns antreibt und der Grund, weshalb wir so viel Energie und Zeit reinstecken. Da wir unzufrieden sind, wie andere Parteien Politik betreiben und wie sie beispielsweise die europäische Integration vernachlässigen, wollen wir es besser machen. Wir arbeiten gemeinsam an etwas Größerem als uns selbst. Wir wollen die Europäische Union modernisieren, wir wollen sie voranbringen und wir wollen sie fit für das 21. Jahrhundert machen. Für mich ist es ein großer Motivator, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Ich möchte Teil der Zukunft sein.
Was bewirken Kleinstparteien aktiv, wenn sie es nicht über die 5% Hürde schaffen?
Kleinparteien können viel über die Bewegung erreichen. Die ÖDP hat in Bayern zum Beispiel ein sehr starkes Volksbegehren für den Bienenschutz auf den Weg gebracht. Volt hat im Rahmen von “Europe cares” allein in Stuttgart zwei LKW-Ladungen voller Hilfsgüter für Moria gesammelt. So kann man in kurzer Zeit etwas bewirken, auch ohne Mandate. Kleinparteien agieren oft als Partei und als Bewegung. Gleichzeitig beeinflussen wir auch die Parlamentsstrukturen, wie Parlamente aufgebaut sind, welche Themen behandelt werden. In regionalen Wahlkämpfen fällt es auf, dass teilweise unsere Sprüche und Themen übernommen werden, weil andere Parteien durchaus auch in Kleinstparteien Konkurrenz sehen. Wir können also Themen setzen und die werden dann von anderen Parteien aufgegriffen und umgesetzt. Natürlich würden wir sie lieber selbst umsetzen, aber der politische Einfluss ist so auf jeden Fall spürbar.
Wie sieht gute Politik für junge Menschen aus?
“Junge Menschen” ist ein sehr weiter Begriff. Grundsätzlich spielt Transparenz aber eine wichtige Rolle. Oft ist bei Entscheidungen nicht nachvollziehbar, warum und von wem diese getroffen wurden. Da muss deutlich transparenter gearbeitet werden. Viele Entscheidungen könnten zum Beispiel in Videoform nochmal aufgearbeitet werden, um mehr Transparenz für junge Menschen zu schaffen. Ein aktuelles Beispiel aus der Union ist das viel diskutierte Lobbyregister: Es muss klar nachvollziehbar sein, welches Unternehmen welchen Einfluss auf welches Gesetz genommen hat.
Was ist deine Zukunftsvision?
Ein soziales, CO2-freies, vereintes Europa. Das ist meine Zukunftsvision, die hoffentlich bald eintritt und das ist auch der Grund, weshalb ich jede Woche 50 Stunden in meine Volt-Arbeit stecke.