Die Jugendarbeit ist für Jugendliche da, findet politikorange-Redakteur Jan Hendrik Blanke. Ein Kommentar über Erwachsene, die nicht altern wollen.
Jeder kennt sie: Hagere Gestalt, Falten im Gesicht, lange graue Haare, dazu ein kurzer Bart. Sie sind Dauer-Jugendliche im Hauptberuf – und das bis zur Rente. Menschen, die in der Jugendarbeit tätig sind, versuchen oft mit den Teilnehmenden ihrer Projekte, eine Lebenswelt zu schaffen, die sie teilen. In den vielen Jahrzehnten ihrer Arbeit in Einrichtungen der freien Jugendhilfe haben die Jugendarbeiter und -arbeiterinnen Fähigkeiten im Kickern erworben, die auf Weltmeister-Ebene glatt mithalten könnten. Kickern ist cool, das sage ich als junger Mensch. Doch ansonsten ist der Versuch, als Erwachsener krampfhaft jugendlich zu wirken, eher peinlich als gewinnbringend. Sich jugendlich zu geben soll ein Jugendarbeitssystem entschuldigen, in dem die Inhalte der Arbeit nicht von jungen Menschen bestimmt werden. Im Gegenteil: Erwachsene geben hier den Ton an. Neben dem Kickern planen sie an runden Tischen Workshops zu Themen wie „Fake News entlarven“ oder „Fotos für Instagram“ – die Planung erfolgt natürlich ohne Jugendliche. Das ist peinlich: Denn gerade in digitalen Inhalten sind viele Jugendliche besser bewandert als die älteren Fachkräfte aus der Jugendarbeit.
Jugendlicher Erwachsener oder erwachsener Jugendlicher?
Entscheiden, wie der eigene Weg aussehen soll. Das war Jugendlichen der 68er-Jahre völlig freigestellt. Sie konnten sich ausprobieren, erste Schritte außerhalb der Familie gehen und dabei feststellen, welche Ideale sie verfolgen möchten. Heute gibt es Profis, die sie dabei begleiten. Sie planen Workshops, mit denen sie junge Menschen begeistern wollen und ihnen auch außerhalb von Schule und Familie nützliche Dinge für das Leben mitgeben. Fangen Jugendliche an, sich in der Pubertät von der Familie weg, zu einem selbstbestimmten Leben hin zu bewegen, warten die erwachsenengemachten Jugendverbände schon darauf, sie zu belehren. Es ist natürlich lobenswert, dass Erwachsene sich dafür einsetzen, Jugendlichen Unterstützungsangebote auf den Weg mitzugeben. Es ist allerdings nicht so lobenswert, wenn die Heranwachsenden mit dann mit Erwachsenen konfrontiert sind, die das anscheinend nicht sein wollen. Die Jugendarbeiterinnen und -arbeiter wollen selbst entscheiden, welchem Schwerpunkt sie sich in ihrer Arbeit widmen. Jugendliche sollten diese Aufgabe wiedererhalten.
Den Weg selbst finden
Vor allem junge Menschen sind starke Persönlichkeiten, die selbst entscheiden können, was für sie wichtig ist. Sie brauchen keine von Erwachsenen vorgeschriebenen Wege, um sich ihrer eigenen Werte und Entscheidungen bewusst zu werden. Denn das ist ihre eigene Aufgabe. Doch das Vertrauen in junge Menschen ist verschwunden. Die Jugendarbeiter und -arbeiterinnen kommen aus einer anderen Generation. Sie sind, auch wenn sie sich selbst anders verhalten, nunmal Erwachsene und weit entfernt von der Lebensrealität der Jugendlichen. Das ist nicht schlimm, denn ihre eigene Lebenswelt ist nicht schlechter oder besser, jedoch: anders. Sie können junge Menschen nicht durch eine Realität navigieren, in der sie nicht leben. Als mir meine Mutter mal erklären wollte, wie ich Whatsapp und Facebook nutzen sollte, musste ich kurz lachen. Facebook hat sie nicht einmal und das Texten bei WhatsApp bewältigt sie gerade noch mit dem Ein-Finger-Adler-Suchsystem.
Es geht darum, Vorbild zu sein
Es braucht keine bevormundende Jugendarbeit von oberlehrhaften Möchtegern-Jugendlichen. Es braucht dagegen starke Persönlichkeiten in der Jugendarbeit, die nicht einfach Themen bereitstellen, sondern die Jugendlichen fragen, was sie beschäftigt. Durch Dialog können Jugendliche sich frei erproben und ihren Weg selber gehen. Auf dem Fachgespräch „Jugend und Digital“ des Landesjugendrings NRW hat die Landesarbeitsgemeinschaft Kunst und Medien eindrucksvoll bewiesen, wie so eine Jugendarbeit aussehen kann. Dort stellen sich die Jugendarbeiterinnen und -arbeiter zur Verfügung und bieten einen Raum, in dem sich junge Menschen frei entfalten können. Es braucht weniger aktive Workshopplanende, sondern mehr unterstützende Mentoren und Mentorinnen in der Jugendarbeit.
Auch der Jugendarbeiter mit den langen Haare und dem kurzen Bart kann ein Mentor sein. Bestimmt kann die junge Generation anhand seiner Kickerfähigkeiten eine eigene Strategie entwickeln, wie sie das Spiel gewinnen kann.