Es ist wichtig, dass sich weiße Menschen mit ihrem „Weißsein“ beschäftigen, wenn es um Rassismus geht. Hilfreich kann dazu das Konzept von „Critical Whiteness“ sein. Ein Kommentar von Malte Legenhausen.
Rassismus hat nicht nur etwas mit Nationalsozialismus, mit Neonazis und rechten Parteien zu tun. Es ist nicht nur ein Thema für Menschen, die rassistische Diskriminierung erfahren. Rassismus ist auch ein Thema für weiße Menschen, die sich mit ihrem Weißsein auseinandersetzten sollten. Ich bin einer von ihnen.
Lange habe ich mich nicht als „weiß“ bezeichnet, weil ich gar keine Notwendigkeit dafür gesehen habe. Erst, als ich angefangen habe, mich mit Rassismus zu beschäftigen, habe ich festgestellt, dass ich – als weißer Deutscher – ein Teil von rassistischen Strukturen bin. Das zu akzeptieren, ist nicht immer leicht – aber es ist unabdingbar, wenn mensch* sich für ein diskriminierungsfrei(er)es Miteinander einsetzen will.
Die Schwarze* Autorin und Aktivistin Noah Sow schreibt in ihrem Buch „Deutschland Schwarz weiß“, dass weiße Menschen das Privileg besitzen, sich nicht mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen. Für Weiße ist der Name oder die vermeintliche Herkunft kein Hindernis bei der Wohnungssuche. Sie werden nicht ständig danach gefragt, wo sie eigentlich herkommen und sie müssen auch keine Angst haben, beim U-Bahnfahren von der Polizei kontrolliert zu werden (Racial Profiling).
Das Konzept „Critical Whiteness“
Den Blick auch auf weiße Menschen zu richten hat in der Rassismus-Forschung zu einem Perspektivwechsel geführt. Das Konzept „Critical Whiteness” (dt. „Kritisches Weißsein“) nimmt erstmals diejenigen in den Fokus, die Rassismus ausüben oder davon profitieren – nämlich weiße Menschen. Hierbei bezieht sich Weißsein nicht auf die Hautfarbe oder äußerliche Merkmale, sondern ist als politisches und soziales Konstrukt gedacht: Weiße gehören demnach einer Mehrheitsgesellschaft an, die auf individueller, gesellschaftlicher und struktureller Ebene keine rassistischen Diskriminierungserfahrungen macht, sondern Privilegien und Macht besitzt.
Dies zu reflektieren (und zu benennen!) ist enorm wichtig. Denn ich muss erkennen, dass ich der weißen Dominanzgesellschaft angehöre. Ich muss sehen, wo ich überall privilegiert bin (ohne es vielleicht zu merken). Dabei gilt es, die Bilder, die weiße Deutsche über Schwarze Menschen und People of Color (PoC) im Kopf haben, kritisch zu hinterfragen! Das ist gar nicht so leicht, denn wir sind mit diesen Bildern aufgewachsen und sehen sie durch die Medien immer wieder bestätigt.
Zu sagen: „Ich setze mich gegen Rassismus ein und bin antirassistisch“ reicht nicht aus. Erst durch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Weißsein wird einem die eigene privilegierte Position bewusst. Denn Rassismus zieht sich auf unterschiedlichen Ebenen durch die Gesellschaft. Und ob ich will oder nicht – wenn ich weiß bin, profitiere ich davon.
Schwarz: Der Begriff Schwarz wird in diesem Artikel groß geschrieben. Schwarz ist eine emanzipatorische Selbstbezeichnung Schwarzer Menschen. Um diesen Widerstandscharakter kenntlich zu machen, wird das „S“ groß geschrieben.
*mensch: Mit dem Wort „mensch“ – als Ersatz für „man“ – wird versucht möglichst gendersensibel zu schreiben.
Racial Profiling: Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion ohne besonderen Verdachtsmoment kontrolliert.
People of Color (PoC): ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismuserfahrungen machen. Anders als beim Begriff „colored“ steht bei PoC der Mensch (people) an erster Stelle.
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
„Um diesen Widerstandscharakter kenntlich zu machen, wird das „S“ groß geschrieben.“
Was für ein Mist.
Diese „positive Segregation“ geht mir gewaltig auf die Nerven.
Übrigens: wenn ich als weiße, blonde, blauäugige Frau wegen meines ganz offensichtlich ausländischen Namens oder weil jemanden auffiel dass ich mich mit Familienmitgliedern in einer in Deutschland ziemlich unbekannten Sprache unterhalte, in verschiedenen Situationen des Alltags und des Privatlebens (Wohnungsbesichtugung, Bewerbung(sgespräch), Ämter, Parties, etc.) diskriminierend behandelt werde, kann man wohl kaum von privilegierter…ja was? Rasse gibt’s m.M. nach nicht…Ethnie? Hautfarbe?
Da sind wir schon am Punkt, sorry.
Die Hautfarbe allein räumt einem keine Privilegien ein. Es ist vielmehr die Zugehörigkeit zur gegenwärtig im jeweiligen Land existierenden Mehrheitsgesellschaft. Das kann auch bedeuten dass man zum Beispiel als hellhäutiger Mensch in einem Land mit vornehmlich dunkelhäutiger Bevölkerung rassistisch diskriminiert wird. Und das passiert auch so.
„Weiße“ können leider auch sehr diskriminierende Erfahrungen machen…manchmal reicht ein Akzent. Das macht Rassismus nicht weniger schlimm, nur widerspreche ich dem Gültigkeitsanspruch der hier in diesem Artikel aufgeführten Behauptungen.
Hautfarbe schützt nicht vor Rassismus – auf verschiedenen Ebenen, in verschiedene Richtungen.
Ich habe in eine (schwarze) brasilianische Familie eingeheiratet und habe fünf Jahre in China gearbeitet. Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, das, was hier Rassismus genannt wird, gibt es überall. Es ist einerseits eine Abgrenzung zur Selbstbestimmung, andererseits ein Ausdruck von Neugierde, der Versuch, diese Abgrenzung zu überwinden. Ständig werde ich gefragt, woher ich komme. Unangenehm sind schon eher die Leute, die sich gar nicht interessieren. Man lässt mich gern spüren, dass ich z.B. zum Fußballspielen nicht wirklich tauge, und beim Tanzen keine gute Figur abgebe. Wenn mein (schwarzer) Schwager dann im Überschwang seines dritten Bieres lauthals verkündet, er würde nie mit einer weißen Frau ins Bett gehen, und wenn, dann wäre es ein Unfall, dann merke ich, er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut und muss diesen Zustand vollmundig wegquatschen. Soll ich ihn jetzt zur Minna machen? Mache ich nicht, denn er ist eigentlich ein geistreicher, witziger und liebevoller Mitmensch. Er hat halt auch seine Konflikte und Widersprüche und muss damit irgendwie klar kommen.
Wer eine bunte Welt will, der sollte keine Mimose sein uns sich nicht ständig um Korrektheit bemühen. Viel wichtiger ist Interesse am Anderen, und die beginnt eben häufig mit der Frage nach ‚wo kommst du eigentlich ursprünglich her?‘
Diese Kommentare spiegeln einen typischen Fall von White Fragility. Wir der Artikel schon sagt es ist schwierig sich als Weißer seine Privilegien einzugestehen. Niemand spricht weißen Diskriminierungserfahrungen ab. Allerdings gibt es sehr sehr sehr Selten im Vergleich strukturellen Rassismus gegenüber weißen Menschen. Wer sich das nicht eingestehen kann kann trägt nichts dazu bei dass es PoCs leichter gemacht wird. Punkt.
Wenn sich schwarz oder weiß gar nicht auf Hautfarben sondern auf soziale Privilegien bezieht, kann man doch gleich von privilegiert oder unterprivilegiert reden.
Und wie kommt es überhaupt zu der Bezeichnung „white trash“, ebenso wie zu dem Umstand, dass unzählige schwarze Menschen am liebsten unter „Weißen“ leben.
Meine Privilegien haben mir meine Eltern übrigens schon als Vorschulkind klar gemacht, in dem sie mir die Bilder aus dem Biafrakrieg zeigten.