In der Kommunalpolitik hat für viele Politiker*innen alles angefangen – Erfolge und Bekanntschaften, aber auch Niederlagen und Streit. Zwei Mandatsträger*innen berichten im Gespräch von ihrem Weg in und aus der Kommunalpolitik.
Der Weg in die Bundespolitik beginnt für viele Abgeordnete auf kommunaler Ebene. Dort ist die Eintrittsschwelle niedrig. Dort schlagen sie Wurzeln und engagieren sich in der Gemeinde. Dort vermittelt sich ihnen ein Eindruck davon, was politisches Engagement bedeutet, wie Parteipolitik funktioniert und was über Erfolg oder Scheitern politischer Vorhaben entscheidet. Diese Erfahrungen bilden für viele Politiker*innen das Fundament einer späteren Karriere in der Bundespolitik. Und diese prägen sie – womöglich ihr ganzes politisches Leben lang.
Von Konstanz nach Berlin
Ann-Veruschka Jurisch, Bundestagsabgeordnete der FDP, erzählt von ihrem politischen Werdegang und ihrer Reise bis in den Bundestag. Eine entscheidende Wende in ihrem Leben sei das Jahr 2013 gewesen, als die FDP aus dem Bundestag ausschied. „Das war für mich sozusagen der Stein des Anstoßes, sodass ich diese Überlegung, mich politisch zu engagieren, realisiert habe.“, erklärt sie. „Die Überlegung, mich für ein besseres Miteinander einzusetzen, hatte ich schon ganz früh, also auch schon in der Grundschule. Ich habe dort zum Beispiel für Brot für die Welt gesammelt. Ich habe Spendenboxen angemalt und auf der Straße um Spenden gebeten.“
2013 trat Jurisch dann in den Ortsverein der FDP Konstanz ein. „Viele haben das Vorurteil, dass Frauen es sehr schwer in der FDP haben. Aber mir hat man es im Gegenteil sehr leicht gemacht. Als ich kam und gesagt habe, dass ich mich engagieren möchte, haben sich die anderen Mitglieder total gefreut und mich aktiv gefördert.“ 2015 folgte ihre erste große Aufgabe: Jurisch wurde zur Vorsitzenden der FDP Konstanz gewählt. In dieser Funktion erarbeitete sie Kommunalprogramme und engagierte sich in zahlreichen Wahlkämpfen. Seit 2021 schließlich ist sie Abgeordnete des deutschen Bundestags.
Die Sondersitzung des Bundestages, nachdem Russland die Ukraine angriffen hatte, ist Jurisch als besonders bedeutsamer Moment ihrer politischen Laufbahn in Erinnerung geblieben. In Berlin demonstrierten an diesem Tag gleichzeitig zur Sitzung tausende Menschen für Freiheit und Demokratie auf der Straße. Diese beeindruckende Stimmung habe sie, so Jurisch, nicht vergessen und aus diesem Moment viel Hoffnung geschöpft.
Jurischs Blick zurück auf ihre Zeit in der Kommunalpolitik ist zwiegespalten. Einerseits sei Kommunalpolitik sehr konkret und greifbar, sodass die eigene Arbeit unmittelbare Ergebnisse hervorbringe. Andererseits erfordere die Arbeit im Gemeinderat viel Zeit, so Jurisch, was während der Ausbildung oder im Berufsleben kaum nebenher zu leisten sei. Dennoch ermutigt Jurisch junge Menschen, sich in Parteien zu engagieren. Denn in ihnen bestehe die Möglichkeit, das Miteinander effektiv zu gestalten, Meinungen auszutauschen und zu diskutieren und Spaß zu haben. Jugendliche könnten viel gewinnen, indem sie der Jugendorganisation einer Partei beitreten. Es sei wichtig, sich für das zu interessieren, was um einen herum geschieht und sich zu engagieren.
Dem Alltag ganz nah
Philipp Bravos ist, bereits seit Schulzeiten, Ratsherr im niedersächsischen Buxtehude für Bündnis 90/Die Grünen. Sein politisches Interesse entwickelte sich bereits früh. ,,Bei uns zu Hause lag immer eine Zeitung auf dem Tisch, die mein Vater und mein Bruder gelesen haben. Als Kind dachte ich halt, dass man das so macht, und ich habe dann auch immer Zeitung gelesen“, erinnert sich Bravos. Kaum ein Jugendlicher, trat er 2014 den Jusos, Jugendorganisation der SPD, bei und nahm zwei bis drei Jahre lang an den Klimaprotesten von Fridays for Future teil. Im August 2020 wurde er Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und fokussierte sein politisches Engagement auf den Klimaschutz. 2021 kandidierte Bravos erfolgreich für den Stadtrat.
Die Stärke der Kommunalpolitik besteht für Bravos darin, nah am Alltag der Menschen zu sein und Probleme ohne übermäßige Bürokratie lösen zu können. Allerdings gäbe es dennoch einige Herausforderungen, etwa fehlende Mehrheiten oder die schwerfälligen Prozesse in der Verwaltung, so Bravos. Diesen begegne er auch auf dem Weg zu einem seiner höchsten Anliegen, seine Heimatstadt Buxtehude bis 2035 klimaneutral zu machen. Die Verabschiedung dieses ambitionierten und verbindlichen Ziels erfolgte während des Wahlkampfs um den Stadtrat. Dass Bravos dafür breite Unterstützung erfuhr und sich in der Wahl durchsetzen konnte, habe ihn sehr geprägt.
Daneben unterstütze Bravos den Wahlkampf für seinen Bürgermeisterkandidaten, und er setzte sich für eine stärkere Repräsentation junger Menschen auf kommunaler Ebene ein. Er wolle ihren Anliegen und Interessen Gehör im Stadtrat verschaffen, sie frühzeitig in die Politik einbeziehen, sodass sie Einfluss nehmen könnten. ,,Irgendwie muss man hands on desk bekommen.“ Und auch, wenn das einmal nicht gelinge, so Bravos, „lerne man aus jeder Niederlage, wie man es das nächste Mal besser machen kann. In einigen Themen sind junge Menschen manchmal sogar schlauer als die älteren. Wir sind viele, und wir sind die Zukunft. Die können wir einfordern und das sollten wir auch.“
Für ihn persönlich sei heute wichtig, sein Studium der Politikwissenschaften mit seinem politischen Engagement vereinbaren zu können. Er pendele zwischen seiner Heimatstadt und Berlin. Sein kommunalpolitisches Engagement bedürfe unterschiedlich viel Zeit und Arbeit. Manchmal verbringe er Stunden etwa damit, Anträge zu schreiben und Gespräche zu führen, während in anderen Wochen nur die Teilnahme an Sitzungen erforderlich sei. Konkrete Pläne für die Zukunft habe er noch nicht. Dass sie etwas mit Politik zu tun haben könnte, würde er nicht ausschließen.