Die Geschichte von Polen und Israel ist eng miteinander verknüpft – wenn auch nicht nur im positiven Sinne. Dass beide Staaten heute intensive wechselseitige Tourismusbeziehungen pflegen, war lange Zeit nicht vorstellbar. Israel dreht erfolgreich an der Werbetrommel, um polnische Gäste anzuziehen. Die israelischen Touristen schwärmen in die polnische Einkaufsmeilen. Julian und Beatrice sind der Entwicklung auf den Grund gegangen.
Reisen. Weltweit sehnen sich die Menschen an fremde Orte. Von einigen Reisen kehrt man braun gebrannt und mit einem prall gefüllten Koffer zurück. Gewisse Reisen erweiten den persönlichen Horizont. Bestimmte Reisen rufen Erinnerungen der Vergangenheit wach. So geht es vielen israelischen Touristen, die sich auf den Weg nach Polen machen. Neben dem preiswerten Shopping werden sie mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges konfrontiert. Damals gab es eine große Gemeinschaft von etwa 3,5 Millionen Juden in Polen, von denen nur 10% die Shoah überlebten.
Zahlreiche Juden schafften es, während des Zweiten Weltkrieges in das „Heilige Land“ zu emigrieren, welches damals noch Palästina hieß. 1948 gründeten sie mit Unterstützung der Vereinten Nationen ihren eigenen Staat namens Israel. Um die Schrecken des letzten Jahrhunderts nicht zu vergessen, reisen regelmäßig 40.000 israelische Schülerinnen und Schüler sowie Studierende nach Polen, um der Vergangenheit zu gedenken. Wichtige Stationen rund um die Stadt Krakau sind das Vernichtungslager in Auschwitz, die Fabrik von Oskar Schindler – welcher heldenhaft rund 1200 Juden vor dem Tod rettete – und das jüdische Viertel. Oft erleben die Besucher und Besucherinnen sehr emotionale Momente, da viele Familienangehörige ihr Schicksal in Konzentrationslagern teilten.
Israelische Schulreisen – auch trotz Holocaust-Gesetz
Das polnische Gesetz, dass die Schuldzuweisung am Holocaust untersagte und inzwischen abgemildert wurde, entfachte Diskussionen, die organisierten Schulreisen zu verringern oder sogar vorzeitig ganz einzustellen. Veränderungen wurden jedoch bislang nicht vorgenommen.
Die Nachfrage, ob das neue Gesetz der polnischen Regierung auf Privatreisende ebenfalls Einfluss nehme, verneinen Experten der Tourismusbranche. „Wir spüren fast keine Folgen des Holocaust-Gesetzes“, erklärt Jakub Łysiak von „Taube Jewish Heritage Tours“, „Die Kunden sorgen sich mehr darüber, dass neuerdings an zwei Sonntagen im Monat die Geschäfte geschlossen bleiben“. Tatsächlich ist es für Israelis sehr viel günstiger, in Polen einkaufen zu gehen. In Shoppingzentren hört man neben der polnischen Sprache viel ukrainisch und vor allem mordernes Hebräisch – die meistgesprochenste Sprache Israels.
Günstige Preise locken Partyurlauber nach Polen
Wenn ein Staat ausländische Touristen aufgrund der preisgünstigen Verhältnisse anlockt, liegt es nahe, dass verruchte Partyfreunde die Bedingungen missbrauchen. Anna Kartecka, eine erfahrene Fremdenführerin in Krakau, macht sich darüber in Polen weniger Sorgen. Krakau beispielsweise habe die Feiernden in den Griff bekommen. Früher sei ein sehr viel stärkerer Alkoholmissbrauch festgestellt worden, auch hätte es mehr Gogo Clubs gegeben. „Die Werbung muss ein positives Bild über Polen und seine Städte vermitteln, um andere Besucher anzuziehen. Die Jugend mag Sport, Senioren interessieren sich für Bildung und Kunst. Der Familientourismus sollte verbessert werden.“
Unter eben diesem Motto gründete Daniela Signer 2017 die facebook-Gruppe „Urlaub in Warschau“, in der Israelis Reiseerfahrungen über Warschau und Polen austauschen können. Diese Gruppe wuchs rasant an, sodass sie heute über 34.000 Mitglieder zählt. Im Februar 2018 veröffentlichte Warschaus offizieller youtube-Channel ein Video, in dem Daniela Signer persönlich für Attraktionen der Hauptstadt wirbt. In einem Interview mit „www.thefirstnews.com“ teilt sie ihre Erfahrung: „Ich denke, dass die Kombination aus Polens jüdischer Geschichte, gemeinsam mit Unterhaltung und Shopping eine tolle Kombination für Israelis ist. Mir scheint, dass sich die Diskussionen über Polen in den letzten Jahren verändert haben. Polen wird das Reiseziel Nummer eins für Israelis.“
Israel wirbt um mehr polnische Touristen
Auch für die polnische Bevölkerung wird Israel als Reisedestination zunehmend attraktiver. Lange Zeit war es für sie fast unbezahlbar, in den Nahen Osten zu reisen. Seitdem 2013 Billigfluggesellschaften in den Markt einstiegen, zieht es nun nicht nur Pilger an, dem Fernweh Richtung Südosten nachzugeben. Anna Zohar Zak, die das israelische Tourismusministerium in Polen vertritt, ruft auf, Israel nicht ausschließlich als das „Heilige Land“ zu betrachten: „Die polnische Auffassung muss geändert werden.“ Eine großangelegte Imagekampagne in den sozialen Medien scheint erfolgreich zu sein. Mit der Parole „Two Sunny Cities – One Break“ wollen Tel Aviv und Jerusalem potenzielle Besucher ansprechen.
Laut „the jerusalem post„, welche das israelische Tourismusministerium zitiert, wurden im Jahr 2017 umgerechnet 4,7 Billionen Euro dank des Tourismuszustroms in die Kassen gespült. 120.000 polnische Besucher trugen ihren Teil zu den Rekordeinnahmen bei: Verglichen zum Jahr 2016 stiegen ihre Zahlen um 89% an. „Zu Beginn einer Reise sorgen sich viele Touristen um die Sicherheit in Israel“, berichtet Zohar Zak von den Ängsten, „doch, wenn sie wieder nach Hause kehren, werden sie selbst zu Werbendene, zu Botschaftern. Ein besseres Zeichen gibt es wohl nicht.“ Aleksandra Mider, eine 28-jährige junge Christin besuchte Israel das erste Mal vor vier Jahren: „Ich war in Jerusalem und Tel Aviv für etwa drei Wochen gemeinsam mit meinen Freunden – gar nicht so lange, um alles zu sehen. Ich möchte gerne wieder zurückkehren, am besten jedes Jahr!“ Aleksandra ist keine Ausnahme: 41% aller Touristen des letzten Jahres waren zuvor schon einmal in Israel.
Da die großen Städte dem großen Andrang nur schwer mit der Neueinrichtung von Hotelzimmern hinterherkommen, spiegelt sich die Beliebtheit Israels in den hohen Kosten der Unterkünfte wider. Das scheint die Atmosphäre vor Ort und die Attraktivität nicht zu betrüben. Das Wichtigste ist schließlich: Wenn sowohl die emotionale Ebene als auch die Bildung bei einer Reise zum Zuge kommen, gibt man gerne auch einen Groschen mehr aus.