„Mit dem Klimaschutz steht und fällt alles,“ sagte FridaysForFuture-Aktivistin Lucia Parbel im Streitgespräch mit Franz Müntefering auf dem 4. EngagementTag in Berlin. Doch was hat Aktivismus mit Engagement und zu tun und wie kann man am besten zum Klimaschutz beitragen? Unsere Autorin Désirée Lengert im Interview mit Parbel.
Was bedeutet Aktivismus für dich?
Aktivismus ist super vielschichtig. Aktiv zu sein, heißt erstmal nur, dass man sich als Teil der Zivilgesellschaft versteht und versteht, dass man auch dann eine Verantwortung trägt, wenn man kein Amt hat. So beginnt man, sich für die Themen einzusetzen, die einem irgendwie wichtig sind oder die für andere wichtig sind. Das ist dann schon Aktivismus.
Was bedeutet Ehrenamt für dich?
Das ist ein Amt. Es gibt diese Stelle, die wird besetzt und man begibt sich bewusst in eine Struktur hinein. Aktivismus macht man ja auch unbezahlt und in den meisten Fällen ehrenamtlich, aber man muss sich seine Struktur selbst aufbauen. Das nimmt einem niemand ab. Man kann sich nicht einfach in eine Organisation reinsetzen, sondern muss sich selbst organisieren.
Inwiefern hängen Aktivismus und Ehrenamt zusammen?
Das lässt sich so einfach gar nicht trennen. Beides braucht ein „sich einbringen“, weil man etwas für wichtig hält, und auch, weil es einem gut tut, der Welt etwas zurückzugeben. Ich denke, dass es da klare Überschneidungen gibt. der wesentliche Unterscheid liegt in der Struktur, der Organisationsform.
Braucht es auch Ehrenamt, um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten? Wenn ja, wie könnte das im Detail aussehen?
Große Fragen! Ja, klar. Ich glaube sogar, das ist genau der Punkt. Wir sollten unser Thema in möglichst vielen Institutionen und an allen Stellen einbringen. Alle sollten sich fragen: „Was hat das mit meinem Bereich zu tun ?“. Wie Herr Müntefering ja auch sagte: „Wir dürfen uns auf gar keinen Fall nur auf ein Thema beschränken.“ Klimaschutz ist ein Zukunftsthema für die ganze Gesellschaft und alle sollten daran teilhaben. Deshalb müssen sich auch alle existierenden Ehrenämter darüber Gedanken machen, wie sie dazu beitragen können, dass auch ihr Ehrenamt in 30 Jahren noch funktioniert.
Bist du ehrenamtlich aktiv?
Ich war sehr lange in der Kirchengemeinde aktiv. Da hatten wir einen Chor. Außerdem habe ich viel Jugendarbeit gemacht und habe mich im Kirchenasyl eingebracht.
Zählt für dich die FridaysForFuture Organisation eher in den Bereich Ehrenamt oder Aktivismus ?
Das ist auf jeden Fall Aktivismus. Aktivismus hat eben viele Facetten. Ich nenne das immer „Laptop-Aktivismus“. Und dann gibt es natürlich den auf der Straße, aber der eine funktioniert ohne den anderen nicht. Wir könnten die Streiks ja gar nicht organisieren, wenn wir uns nicht auch zu 90% in allen Strukturen einbringen würden.
In welchen Bereichen sollten mehr Ehrenämtler sein, um zum Klimaschutz beizutragen?
Ich glaube, wir brauchen in allen Bereichen Leute, die sich einsetzen wollen und ob die das jetzt ehrenamtlich machen oder nicht, ist nicht so relevant. Wir brauchen einfach Leute, die verstehen, dass, egal was sie machen, Klima etwas damit zu tun hat.
In deinem Kommentar in der taz vom 3. Dezember 2019 beschreibst du die Teilnahme an FridaysForFuture als „moralische Pflicht“. Siehst du das Ehrenamt auch als moralische Pflicht an oder ist es eher ein Nice-to-have?
Ehrenamt ist super wichtig für eine funktionierende Zivilgesellschaft. Ich komme aus einer kleinen Stadt und die Leute, die dort ehrenamtlich arbeiten, haben super viel beigetragen. Und deswegen glaube ich, dass es total wichtig ist. Eine moralische Pflicht ist es dennoch nicht. Für mich persönlich war das Ehrenamt damals einfach eine Bereicherung in meinem Leben. Man tut es schon auch für’s eigene Wohlbefinden.
Mit deinem Aktivismus erzeugen du und viele andere Jugendliche weltweit Druck auf die Politik. Ist dieser Druck nur durch Aktivismus möglich oder gibt es auch andere Möglichkeiten ?
Ich frage mich in letzter Zeit auch oft „Wo fängt die Klimabewegung an und wo hört sie auf?“ Eine Bewegung ist ja nicht nur Aktivismus. Es bedeutet auch, zu verstehen, dass eine Welle der Veränderung durch die ganze Gesellschaft gehen muss – und zwar überall, auch dort, wo sich Menschen nicht per se als Aktivisten oder Aktivistinnen verstehen.