Wahlplakate sollen bei der Wahlentscheidung helfen. Selbst alle Wahlberechtigten, die keine Zeit für intensive Recherchen haben, erhalten so einen Überblick. Tobias Brendel analysiert ironisch, wie die Parteien diese Möglichkeit nutzen.
Es ist Sonntag. Landtagswahl. 3,3 Millionen Sachsen sind dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Sie sollen entscheiden, wem sie die Geschicke ihres Landes für die nächsten fünf Jahre anvertrauen. Und Optionen gibt es genug. So unter andere Emiliano Chaimite von der SPD.
Dieser blickt den Betrachtenden seines Wahlplakates mit einem sympathischen Lächeln an. Eigentlich Grund genug, ihn zu wählen. Wer es schafft, in Zeiten wie diesen SPD-Mitglied zu sein und trotzdem noch zu lächeln, muss ein Geheimrezept haben, das dieses Land gut vertragen könnte. Nach einem Moment fragt man sich dann aber doch: „Moment mal! Wofür steht der eigentlich?“. Seine Forderung „Mut geben statt Angst machen“ ist so blumig, dass Orchideen neidisch werden könnten, dabei so nichtssagend, dass selbst „Ähm…“ mehr Botschaft hätte. Also keine wirkliche Hilfe bei der Wahlentscheidung.
Und er ist nicht der Einzige, der Instagram-Captions scheinbar für wichtiger hält als konkrete Zukunftsvisionen. Der Grüne Valentin Lippmann wirbt auf seinem Plakat mit „Mutig für Freiheit und Demokratie“ und verwirrt die Wählenden damit vollkommen. Das ist doch das Gleiche in grün. Für wen muss man sich denn nun entscheiden, wenn man „Mut“ für die größte Herausforderung der nächsten fünf Jahre hält?
Eine neue Möglichkeit der Wahl bietet unterdessen Frauke Petry, Ex-AfD Parteivorsitzende und Gründerin der „Blauen Partei“. Diese fordert auf ihrem Plakat: „Nicht wählen! Blau machen“. Vermutlich war der Verfassende dieser Zeilen selbst blau, als er sich die Kampagne ausdachte. Die Partei hat aber noch mehr zu bieten. Am Rand des Wahlplakats stechen Schlagworte wie „Sicherheit“, „Rente“ und „Flüchtlinge“ ins Auge. Man könnte denken, dass diese beim Scrabble der Plakatgestaltung ohne tieferen Sinn entstanden. Vielleicht haben die Blauen ja auch einfach versehentlich ihr Brainstorming an die Druckerei geschickt.
Doch der Horror für interessierte Wählerinnen und Wähler geht weiter. Die CDU wirbt mit „Stärkste Kraft für Sachsen“, die AfD mit „Jetzt erst recht!“ und die Linken fordern „Behutsamkeit“. Es ist, als hätten sich die Parteien darauf geeinigt, bei dieser Wahl vollkommen auf Inhalte bei Wahlplakaten zu verzichten. Aber warum auch kompliziert, wenn es einfach geht. Wir gegen das Establishment. Wir gegen Populisten. Sie werden uns schon wählen.
Dass diese Taktik offensichtlich nicht für jeden erfolgreich war, zeigt das Ergebnis der Wahl. Vielleicht hätten die Parteien den Wählern und Wählerinnen gleich auf den ersten Blick signalisieren sollen, was ihr Plan für die nächsten fünf Jahre in Sachsen ist. die Bürger hätten dann über die Parteien und ihre Ideen abstimmen können. Doch das erfordert mehr Mut, als ein simples „Wir gegen die“. Aber dafür gibt es ja Emiliano Chaimite.