Die Gratwanderung Klimakommunikation wirft grundlegende journalistische Fragen auf. Wie weit können wir gehen, um Bewusstsein in unserer Gesellschaft zu schaffen?
Ein befreiendes Lachen geht durch die Runde, als Leonie Sontheimer, freie Journalistin, vom „klimaneutralen Puderzucker“ erzählt, der ihr im Supermarkt aufgefallen war. „Greenwashing!“, werfen die Teilnehmenden der Dialoginsel „How to: Klimakommunikation“ bei der Youth Media Convention (YouMeCon) in Berlin ein. Nick Heubeck, Fridays for Future-Aktivist und freier Journalist, fragt, wie falsche Bilder im Kopf wieder zurechtgerückt werden könnten. So sei nicht Plastik das Problem, sondern das Kohlekraftwerk. Die Existenz der menschengemachten Klimakrise ist eindeutig belegt, es herrsche ein überwältigender wissenschaftlicher Konsens, sagt Lalon Sander, Teil des Klimahubs der taz. Die Beschränkung auf wissenschaftliche Fakten gelte in der öffentlichen Wahrnehmung als Positionierung, sei aber in diesem Fall Neutralität.
Das Oxford Dictionary definiert „Greenwashing“ als die Aktivitäten eines Unternehmens oder einer Organisation, die den Anschein erwecken sollen, dass sie sich um die Umwelt kümmern, auch wenn ihre tatsächliche Tätigkeit der Umwelt schadet.
Neutralität und kritische Distanz: zwei Begriffe, die schnell fallen, wenn Klimakommunikation thematisiert wird, und Emotionen. Um lösungsorientiert und konstruktiv schreiben zu können, befreit sich Sontheimer erst von ihren Emotionen und geht dann rational an ihre Texte. Heubeck sieht den Schlüssel gerade in der Nutzung von Emotionen: Sie würden die Gefühle der Leute aktivieren. „Aktivistische Kommunikation muss schon etwas Besonderes sein.“ Ihm fehlen Formate, die seine Eltern erreichen.
Doch diese Formate gibt es. Klimajournalismus außerhalb von Instagram existiert, abseits von aktivistischen Blogs, für die breite Masse aufbereitet. Aber reicht das, um die gesellschaftliche Debatte anzutreiben? Sontheimer sagt am Telefon, dass es ein immer größeres Bewusstsein dafür gäbe, konstruktive Recherchen und Artikel zu veröffentlichen – Beiträge, die keine Emotionen vorschreiben würden.
Angst und Apokalypse
Im Raum gleichen die Argumente der Teilnehmenden und Gäst*innen einem Tauziehen. Am Ende steht immer wieder die Frage im Mittelpunkt, wie Klimawissenschaft ehrlich, aber auch alarmierend vermittelt werden kann. Um die Klimawissenschaft zu stärken, müssen Unsicherheiten laut Sander zwangsläufig deutlich gemacht und Wahrscheinlichkeiten herausgestellt werden, aber nicht zu abstrakt: „viele Leute finden es total wichtig, dass über die Klimakrise berichtet wird, wollen das aber nicht unbedingt selbst lesen.“
Marius Hasenheit, Biogeowissenschaftler und Herausgeber des transform Magazins, glaubt, Menschen außerhalb der jungen, aktivistischen Zielgruppe zu erreichen, „indem wir über das gute Leben schreiben.“ Ohnmacht und Hilflosigkeit sollten durch visionäre Zukunftsbilder ersetzt werden. Klimaangst, „die entscheiden kann, ob sich am Ende beim Shoppen eine Person schlecht fühlt“, sagt Heubeck. Er plädiere dafür, Leute abzuholen, Verständnis ihnen gegenüber aufzubringen, und trotzdem zu appellieren. Aktivist*innen nähmen „sich natürlich eher die Fakten, die in die Argumentation passen.“ Leonie Sontheimer hingegen trennt strikt zwischen Aktivismus und Journalismus: „Du kannst nicht einen Text schreiben, deine Agenda vertreten und gleichzeitig objektiv sein.“
Müssen wir emotionslos sein, um objektiv zu bleiben? „Überall da, wo es um Menschen geht, geht es auch immer um den Standpunkt der Forschenden“, sagt Sontheimer. Das sei aber kein Freifahrtschein, um seine eigene Meinung zu schreiben. Im Fokus stünde die große gesellschaftliche Rolle, die auch Sontheimer als Journalistin tragen würde.
Hoffnung für den Klimajournalismus
Man müsse sich die Frage stellen, wer eigentlich für wen kommuniziert, sagt Heubeck. „Privilegien müssen angesprochen werden, die Debatten sind häufig auch sehr elitär.“ Gerade wenn Journalismus und Fridays for Future aufeinandertreffen, seien wiederkehrende und etablierte Gesichter im Vordergrund der Darstellungen. Eindimensionalität seitens der Medienschaffenden? Ihre Verantwortung hätte sich in den letzten Jahrzehnten verändert, sagt Heubeck. Das zentrale Problem seien aber die festgefahrenen Strukturen. Auch Sander stellt fest, „dass wir junge Leute damit nicht erreichen“, trotz einer hinreichenden Klimaberichterstattung und dem „offensichtlichen Interesse vieler junger Leute für den Klimajournalismus.“ Die taz hat daher ein publikumsorientiertes Team eingerichtet, um kanalabhängig zu berichten.
Sontheimer spricht sich ebenfalls dafür aus, dass sowohl zielgruppenangepasste Beiträge als auch Journalismus für die ganze Gesellschaft nebeneinander bestehen müssten. Allerdings störe sie, dass vor allem Lösungen angeboten würden, die den Status quo erhalten. Das Weltbild bräuchte eine sozial-ökologische Transformation, die der Journalismus nicht genug abbildet.
Die neue Generation an Medienmachenden bringt die dafür notwendige Motivation mit. Ideen, kritische Konversationen, provozierende Nachfragen und das Gefühl, dass sich etwas verändern muss, prägen den Workshop und die Gesprächsrunde auf der Youth Media Convention. Die Jungjournalist*innen möchten Stimme, Fakten und Emotionen nutzen, um die zum Teil beängstigende und unschöne Wahrheit realistisch abzubilden und generationenübergreifend zu berichten.