Beim Jugendforum Stadtentwicklung tauschen sich nicht nur Jugendliche unter sich aus, es werden auch Experten um Rat gefragt. politikorange-Redakteurin Alina Welser hat die Chance genutzt und sich mit Aljoscha Hofmann, Mitbegründer der Initiative Think Berl!n über schließende Flughäfen und zähe Politik unterhalten.
Sie sind Mitbegründer der Initiative Think Berl!n. Für was setzt sich Ihre Organisation ein?
Die Initiative Think Berl!n hat sich 2009 an der Technischen Universität Berlin gegründet. Von Anfang an haben wir uns mit dem Ziel getroffen, das Fachwissen, welches wir uns als Wissenschaftler und Architekten angeeignet hatten, der Politik in Berlin näher zu bringen. Die politischen Systeme sind unserer Meinung nach relativ zäh, sie brauchen zu lange, um Ideen umzusetzen. Aus diesem Grund sollten wir stärker für die Umsetzung der aus unserer Sicht notwendigen Veränderungen eintreten. Wir verstehen uns als stadtentwicklungspolitische Initiative, die kreativ und konstruktiv in den Diskurs gehen will, mit dem Blick über den Tellerrand. Wir wollen dabei in keiner Weise eine Protestinitiative sein, sondern vielmehr den Menschen zeigen, wie es anders gehen kann.
Sie reden von notwendigen Erneuerungen. Was wollen Sie denn konkret verändern?
Unser Themenbereich ist sehr, sehr breitgefasst. Eines unserer Ziele war es zum Beispiel, die desolate Flughafensituation in Berlin zu verbessern. Bei der Planung des neuen Flughafens wurde nicht berücksichtigt, dass die damit einhergehende Schließung der Flughäfen Tegel und Schönefeld, auch eine drastische gesamtstädtische Auswirkung hat. Sollten die beiden Flughäfen verschwinden, gibt es ökonomische Einschnitte für Firmen, die sich zuvor in Flughafennähe befanden. Wir haben das damals gesagt und dann wurde das Thema lange Zeit nicht aufgenommen. Glücklicherweise fängt die Politik an uns jetzt zuzuhören- wenn auch viel zu spät.
Wie erreichen Sie die Öffentlichkeit und Politik?
Das eine ist, dass wir öffentliche Workshops und Tagungen veranstalten. Wir versuchen außerdem, möglichst viele Stimmen aus der Politik und Wirtschaft zu kleineren Diskussionsrunden einzuladen. Wir können auf diese Art unsere Ideen einbringen und somit den Diskurs zwischen Politik und Wissenschaft verbessern. Zum anderen kommen Parteien, politische Stiftungen oder auch die Verwaltung auf uns zu.
Haben Sie ein Herzensprojekt?
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, wobei ich sagen muss, dass Stadtverkehr zu einem meiner Schwerpunktthemen geworden ist. Vor allem in den letzten sechs Jahren habe ich mich intensiv damit beschäftigt. Die Abkehr von der autogerechten Stadt ist einfach ein Thema, das mich antreibt und das meiner Meinung nach in alle anderen Themenbereiche miteinfließt.
Wie sieht Ihrer Meinung nach der Stadtverkehr in 50 Jahren aus?
Ich träume davon, dass es in 50 Jahren im Verkehrsbereich so gut wie keinen Privatbesitz mehr geben wird. Natürlich wird immer eine Nische für Sammler oder Spezielles bestehen bleiben, wie zum Beispiel den Oldtimer. Ich denke aber, dass wir viel selbstverständlicher mobil sein werden, indem wir öffentlich verfügbare Angebote nutzen. Vielleicht sind diese auch gratis, wenn wir zu einer anderen ökonomischen Form kommen – das wäre das Optimum. Ich glaube, dass wir uns einfach von dem Gedanken verabschieden müssen, dass wir im Straßenverkehr Besitz haben.
Die Entwicklung des Stadtverkehrs bedeutet gleichermaßen auch eine fortschreitende Digitalisierung. Haben Sie dabei keinerlei Bedenken, dass dadurch der Datenschutz verletzt werden könnte?
Ich stehe den Auswüchsen der Digitalisierung, was Datenschutz und ähnliches angeht, sehr kritisch gegenüber. Wenn ich daran denke, dass wir komplett überwacht werden, bekomme ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Der Trend zur vollständigen Digitalisierung wird sich aber nicht aufhalten lassen. Es geht vielmehr darum, ein Umdenken zu erreichen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass es Angebote zur Anonymisierung der Benutzer geben wird.