Es gibt kein Geheimrezept für jugendgerechte Kommunalpolitik. Aber eine grundlegende Voraussetzung gibt es schon. Ein Kommentar.
Kommunalpolitik läuft oft so: Da wird im Stadtrat ein neues Bauprojekt beschlossen; auf einer großen Wiese soll bald ein Altersheim stehen. Der Stadtrat stellt das Projekt beim Bürgertreff vor, zu der vor allem Rentnerinnen und Rentner, ein paar Frauen und Männer mittleren Alters kommen. Einige haben ihre Kinder im Grundschulalter mitgebracht. Die Idee finden alle gut, die Stadt kann ein neues Altersheim gut gebrauchen. Alle sind zufrieden…
…alle sind zufrieden?
Zwei Fragen drängen sich hier auf: Warum kommen keine Jugendlichen zum Bürgertreff und wurden sie gefragt, wozu sie die Wiese gerne nutzen würden? Vielleicht hätte das Bauprojekt dann anders ausgesehen. Ein Altersheim mit angrenzendem Spielplatz, damit junge und alte Generationen etwas davon haben. Oder ein Generationenhaus, in dem auch Kurse und Workshops gegeben werden. Wer politische Prozesse jugendgerecht gestalten möchte, der sollte Jugendliche miteinbeziehen. Das alte Argument „Die interessiert das ja eh nicht“ zieht hier nicht.
Denn Jugendliche interessieren und beteiligen sich sehr wohl an Politik – vorausgesetzt die Politik interessiert sich auch für sie.
Das zeigen die Erfahrungen der Koordinierungsstelle für eine Jugendgerechte Gesellschaft, die in den vergangen Jahren gemeinsam mit ausgewählten Kommunen an der Gestaltung jugendgerechter, politischer Strukturen arbeitete.
Alles eine Frage der Haltung
Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Projekts: Jugendgerechtigkeit ist eine Frage der Haltung. Zeigt sich eine Kommune offen für Vorschläge und Ideen junger Leute und sieht sie als lösungsorientierte Gesprächspartnerinnen und -partner, dann beteiligt sich gerade diese junge Generation gern. Logisch – wer arbeitet schon gern mit jemanden zusammen, der sich nicht für einen interessiert?
Ähnliches berichtet auch Lukas Nusser, der seine Gemeinde auf Konferenzen zur Jugendstrategie vertritt:
„Wenn ich das Gefühl habe, es interessiert niemanden, was ich sage, dann ist es sehr mühselig, als Einzelperson dagegen anzukämpfen. Warum soll ich mich engagieren, wenn ich nur auf Fronten treffe? Ich habe als Schüler ja auch noch andere Dinge zu tun: Schule, Freunde oder Familie zum Beispiel.“
Das ist das große Problem beim Aufbau jugendgerechter Strukturen: Irgendjemand muss damit anfangen, Interesse zu zeigen. Entweder rückt eine Gruppe engagierter junger Leute Jugendthemen in den politischen Fokus, wodurch eine engere Zusammenarbeit zwischen Kommune und Jugend erwächst; oder andersherum: Kommunale Entscheiderinnen und Entscheider gehen offen auf junge Leute zu und wecken deren Begeisterung.
Positive Erfahrungen in der Jugendpolitik
Eine weitere Hürde: Aus solchen ersten Schritten kann nur dann eine jugendgerechte Einstellung entstehen, wenn die Erfahrungen, die beide Seiten machen, positiv sind. Junge Menschen merken es, wenn sie tatsächlich gehört werden und Politik und Verwaltung kann die Erfahrung machen, dass diese Meinungen die Entwicklung der Kommune nachhaltig bereichern. Treffen Jugendliche allerdings auf Vorurteile oder beißen mit ihren Vorschlägen auf Granit – dann lähmt das eine jugendgerechte Kommunalpolitik. Und auch andersrum lassen Kommunen schnell von ihren Bestrebungen ab, junge Menschen mit einzubeziehen, wenn sie das Gefühl haben, diese hätten keinen Blick für das Wesentliche.
Anna Grebe sagt, dass sich eine jugendgerechte Haltung schon in Kleinigkeiten zeige: „Manche Referenzkommunen waren sehr offen für alle Impulse der jungen Leute. In anderen hat es gedauert, bis sich die Akteure auf Augenhöhe betrachtet haben. Dürfen Jugendliche für eine Versammlung den Rathaussaal nutzen? Dürfen Jugendliche den Kopierer im Rathaus benutzen? Das klingt jetzt unwichtig, aber genau so etwas ist jungen Menschen wichtig.“
Frostzustand Kommune vs. Jugendliche
Grebe berichtet auch von einem Bürgermeister, der zuvor als Polizist gearbeitet hatte und sich aufgrund schlechter Erfahrungen mit trinkenden oder randalierenden Jugendlichen vollkommen gegen die Implementierung jugendgerechter Strukturen stellte. Die Jugendbeteiligung in der entsprechenden Kommune fror damit vollständig ein.
So ist das in jeder menschlichen Beziehung. Wir setzen uns gerne mit anderen auseinander, wenn wir merken, dass wir etwas zurückbekommen und ziehen uns zurück, wenn wir das Gefühl haben, der andere nehme uns nicht ernst. Es ist leicht. Menschen in Schubladen zu stecken, und schwer, sie dort wieder raus zu holen. In diese „Beziehung“ zwischen Jungend und Politik müssen alle Vetreter deshalb immer wieder neu investieren.
Eine Politik für Junge Leute zu machen, ohne diese mit einzubeziehen – das klappt nicht. Dafür spricht auch der Titel der zweitägigen Konferenz, mit der die Koordinierungsstelle das Projekt vorstellt: Politik für, von und mit Jugendlichen. Wie diese Politik aussehen kann und soll, dafür gibt es kein allgemein gültiges Rezept. Aber sie fängt mit einer Haltung an. Ist diese erste Hürde überwunden, fallen alle anderen Maßnahmen, die eine Stadt jugendgerechter machen sollen, leichter.