Jung, politisch, einflussreich? Wie kann sich die politisierte Jugend organisieren? Darüber haben wir mit Timon Dzienus gesprochen, der sich nicht nur seit seinem 13. Lebensjahr politisch betätigt, sondern auch schon Sprecher der Grünen Jugend war und Einblicke die drittgrößte Jugendparteiorganisation in Deutschland bieten kann.
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Bildunterschrift: Timon Dzienus bei einer Rede auf dem bundesweiten Aktionstag der Omas gegen Rechts in Hannover. © Jennifer Kramer / Jugendpresse Deutschland e.V.
Durch die vorgezogene Bundestagswahl ist es ein stressiger und kurzer Wahlkampf. Auch Timon Dzienus eilt, beziehungsweise radelt, aktuell von Termin zu Termin. Genauso findet sein Interview mit Politik.orange statt. Weil sein vorheriger Termin länger gedauert hat, nimmt er an unserer Videokonferenz von unterwegs teil – das Fahrrad schiebt er dafür durch die Innenstadt Hannovers.
Timon Dzienus ist 28 Jahre alt und Direktkandidat für die Partei Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis Hannover 1 und obwohl er noch nicht mal 30 ist, ist er bereits seit 15 Jahren in der Politik aktiv. Mit dreizehn fing er an sich bei der Grünen Jugend und im Landesschülerrat zu engagieren, bis 2023 war er Bundessprecher der Grünen Jugend. Bundesweit fiel er bereits mit seinem Einsatz für Lützerath auf, oder als er den ehemaligen Grünen-Politiker Boris Palmer als „rassistischen Kotzbrocken“ bezeichnete. Jennifer Kramer von politik.orange hat mit Timon Dzienus über die Jugend in der Politik gesprochen. Sowohl wie junge Menschen in die politische Landschaft in Deutschland eingebunden sind, als auch wie ernst sie und ihre Themen genommen werden.
Mit 13 Jahren in die Politik zu gehen ist sehr früh. Wie hast du dich politisiert?
Ich komm selber aus einem Arbeiter-Elternhaus und hab dadurch glaub ich sehr früh einfach so ein diffuses Gefühl von Ungerechtigkeit gehabt. Deshalb hab ich mich dann damals politisch engagiert, als es dann eine schwarz-gelbe Bundesregierung gab.
Wie kommt man als junger Mensch dazu in die Politik zu gehen?
Ich hatte kein politisches Umfeld, kein politisches Elternhaus. Ich habe mich viel für Nachrichten interessiert und für das, was so in der Welt passiert, und hatte immer das Gefühl, dass da halt ganz schön viele schlechte Sachen in der Welt passieren. Dann habe ich mir einfach mal die Grüne Jugend vor Ort angeguckt. 2009 war das.
Würdest du sagen, dass Jugendorganisationen von Parteien niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten in die Politik bieten?
Ja total. Ich würde sagen, die sind auch einfach viel besser geworden darin und vor allem auch deutlich besser als die Mutterparteien. Bei uns kann man auch einfach hinkommen und mitmachen. Da geht es dann auch nicht so viel um langweilige Sitzungsabläufe, sondern auch um Bildungsarbeit, kritisches Hinterfragen und eine eigene Perspektive zu entwickeln.
Ich bin froh, irgendwann einfach zur Grünen Jugend gegangen zu sein und kann es auch allen anderen jungen Menschen, die darüber nachdenken, nur raten, das einfach mal auszuprobieren. Einfach mal hingehen, einfach mal angucken, einfach mal mitmachen.
Das heißt, du würdest sagen, Jugendparteiorganisationen sind auch ganz wichtig, um junge Menschen für die Politik generell und später auch für die Mutterparteien zu gewinnen?
Ja, schon. Aber ich würde auch nicht sagen, dass das ein reiner Selbstzweck ist. Wir sind schon ein eigenständiger, kritischer, politischer Akteur und haben uns deswegen schon auch immer ernst genommen mit den Dingen, die wir machen.
Das merkt man der Grünen Jugend an. Würdest du sagen, dass sich die Grüne Jugend zu oft gegen die Mutterpartei stellt?
Es ist halt manchmal notwendig, dass man versucht, sich nicht nur in so einem Regierungsalltag mit dem vermeintlich Machbaren abzufinden, sondern das einfordert, was wirklich notwendig ist. Deswegen braucht es kritische Stimmen in der Partei oder von einem Jugendverband, die genau das sehr selbstbewusst tun. Und die Grüne Jugend hat in den letzten Jahren bewiesen, dass wir ein ziemlich relevanter Machtfaktor sein können. Wir stellen einen relevanten Anteil der Bundestagsfraktion. Die letzten Parteivorsitzenden kamen aus der Grünen Jugend: Ricarda Lang und Felix Banaszak zum Beispiel.
Aus Protest gegen die Politik der Grünen in der Ampel ist im November der gesamte Bundesvorstand der Grünen Jugend zurückgetreten. Fandest du das eine sinnvolle Aktion?
Also ich habe ihren ganzen Frust verstanden, weil die Grünen mit wahnsinnig vielen Vorhaben und einer gewissen Euphorie in diese neue Regierung gestartet sind und dann insbesondere von der FDP wahnsinnig oft ausgebremst wurden.
Aber ich fand den Weg, den man da gegangen ist, falsch. Es war irgendwo eine weitere linke Zerrüttung und das macht mir manchmal Sorgen. Wir haben ja schon ganz viele kleine progressive Parteien: Klimaliste, Tierschutzpartei, Volt, Piraten und wie sie alle heißen. Und ich glaube, wir müssen eigentlich als junge Progressive zusammenstehen und uns besser zusammenschließen.
Geht damit auch ein Vertrauensverlust gegenüber der Grünen Jugend einher?
Das glaub ich gar nicht. Das zeigt eher, dass wir Haltung haben und prinzipientreu sind.
Zuletzt hatte die Grüne Jugend Habecks 10 Punkte Plan kritisiert. Teilst du das?
Ja, ich fand das cool, dass die Grüne Jugend einen konkreten Vorschlag macht zu einer aktuellen Debatte. Weil ich oft das Gefühl habe, dass die Migrationsdebatte gerade falsche Dinge in den Mittelpunkt setzt und sich von rechten Narrativen leiten lässt.
Wir haben aber auch schon früher konkrete Vorschläge gemacht, indem wir etwa eigene Papiere vorgestellt haben, wie das 9€ Ticket dauerhaft finanzierbar wäre.
Aber werden diese Vorschläge auch ernst genommen?
Ich glaube, sie sollten manchmal noch ein bisschen ernster genommen werden. Denn auch die Grünen haben allmählich Schwierigkeiten bei jungen Menschen beliebt zu bleiben. Die Linkspartei zum Beispiel kommuniziert da einiges besser. Ich glaube da sollte man noch stärker auf die Jugend setzen. Auch inhaltlich, auch in dieses Wahlprogramm haben es ein paar unserer Punkte geschafft. Aber ich glaube, es sollte manchmal noch mehr sein.
Und finden junge Menschen und ihre Themen in der Bundespolitik generell genug Beachtung?
Ich glaube nicht, dass die aktuelle Konfliktlinie zwischen Jung und Alt verläuft, sondern zwischen arm und reich. Nichtsdestotrotz habe ich schon das Gefühl, dass die junge Generation es in den letzten Jahren einfach verdammt hart hatte und die Themen und die Perspektiven von jungen Menschen zu wenig Berücksichtigung fanden. Junge Menschen haben in den letzten Jahren viel durch machen müssen. Sei es Corona, steigende psychische Probleme oder steigende Preise. Da ist es dann einfach nur zynisch, wenn die SPD überlegt, noch ein verpflichtendes freiwilliges Jahr für junge Menschen einzuführen.
Der Dialog zwischen jungen Menschen und Politik ist also eingeschlafen?
Ja schon. Aber dafür nehme ich auch wahr, dass sich junge Menschen zunehmend politisch engagieren.
Hast du nicht das Gefühl, dass junge Menschen politisch frustriert sind?
Ich glaube eher, dass viele eine Jetzt-erst-recht-Haltung entwickelt haben. Man muss sich gerade anschauen bei den ganzen Demos sind sehr viele junge Menschen. Das ist ja einfach eine wahnsinnig politische Jugendbewegung, die wir jetzt seit Jahren erleben.