Das Wahlprogramm der Union – Eine Bremse für die Klimatransformation

Politik

Unter dem Titel „Politikwechsel” verspricht die Union einen grundlegend neuen Regierungskurs. Im Angesicht multipler Krisen, wie dem Klimawandel, entlarven sie damit jedoch ihre eigene politische Planlosigkeit.

Mit dem Wahlprogramm der Union droht Deutschland länger als nötig an der fossilen Energie zu hängen. Foto: pexels/Janusz Walczak

Womöglich stehen wir mit dem Klimawandel der allerersten existenzbedrohenden Krise der Menschheit gegenüber und obwohl die Christdemokraten dies dem Anschein nach erkannt haben, fehlt es ihnen an Lösungen und Gestaltungskompetenz. Im neuen Wahlprogramm verblassen Bekenntnisse zum Pariser Klimaschutzabkommen und zur Klimaneutralität 2045 dank unkonkreten und nicht finanzierbaren Programmpunkten zu bloßen Floskeln. Der Wirtschaft und dem*r Verbraucher*in wird das Blaue vom Himmel versprochen – mehr Geld, weniger Pflichten, keine Verbote. Unannehmlichkeiten oder Verantwortung mutet die Union hier niemandem, auch sich selbst nicht zu.

„Mehr Markt, weniger Staat”

Retten soll es die Marktwirtschaft. Die Union verspricht Steuerentlastungen von 89 bis zu 99 Milliarden Euro jährlich und den Abbau von bürokratischen Auflagen. Ganz nach dem Motto „Mehr Markt, weniger Staat” – so steht es im Wahlprogramm – soll jene Marktwirtschaft den Wohlstand retten, für soziale Gerechtigkeit sorgen, Umwelt und Klima schützen. Also all das tun, was sie bislang nie getan hat! In der Klimawissenschaft ist man sich dagegen einig: Für eine gelungene Klimatransformation braucht es einen ausgewogenen Politikenmix, bestehend aus CO2- Preis, Ordnungsrecht und staatlicher Förderungen. Die Union aber setzt gewissermaßen alles auf eine Karte.

Das Leitinstrument für die Umsetzung der Klimaschutzziele soll nach der Union einzig und allein der europäische Emissionshandel sein. Die sehr hohen Preise, die dadurch ohne ergänzendes Ordnungsrecht prognostiziert werden, will sie mit Hilfe eines „Klimabonus” auffangen. Es gibt jedoch keine Pläne, ab wann dieser ausgezahlt werden soll. Allenfalls erst nachdem die Union mit den Einnahmen aus der CO2-Steuer Strompreise und Netzentgelte gesenkt habe. Ob dann überhaupt noch Geld für einen sozialen Ausgleich übrig bleibt, ist ungewiss.

Kommt am Ende keine Rückverteilung des Geldes aus dem steigenden CO2-Preis befürchten Expert*innen so hohe Lebenshaltungs- und Standortkosten, dass die Emissionshandelsysteme, die ökonomische Anreize zur Reduktion von Schadstoffemissionen setzen, aufgeweicht oder gar ganz aufgegeben werden müssten. Damit droht der Union ihr einziges Instrument für die Klimatransformation aus der Hand zu gleiten.

Missratene Energiewende

In Sachen Energie setzt die Union in allen Bereichen – Netz, Wohnen und Verkehr – auf sogenannte „Technologieoffenheit” und einen „diskriminierungsfreien” Markt. Darunter verstehen CDU/CSU auch die Möglichkeit der Kernenergie. Im Wahlprogramm der Union heißt es, sie wolle prüfen, ob sich eine Wiederaufnahme der jüngst abgeschalteten Atomkraftwerke finanziell und technisch lohne. Da dies bereits von Expert*innen und ehemaligen Betreiber*innen dementiert wurde, wirkt der Vorstoß eher wie ein unnötiges Vorhaben, das es wohl vor allem auf Bestreben des innerparteilichen Atomenergiefans und des federführenden Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, ins Wahlprogramm geschafft hat. Innerparteilich wurde er, zusammen mit Thomas Bareiß und Joachim Pfeiffer, lange als „Bermudadreieck der Energiewende” bezeichnet, dass der fossilen Lobby nahestehend in der Vergangenheit immer wieder klimapolitische Vorhaben verschluckt habe.

Auch hinsichtlich des Kohleausstieges überbetont die Union die Versorgungssicherheit gegenüber der drängenden Energiewende. Weitere Kohlekraftwerke sollen nur im Zuge von Ersatzbauten in Form von Gaskraftwerken abgeschaltet werden. Deutschland hat derzeit in etwa 32 GW installierter Leistung an Kohlekraftwerken. Schätzungen von Aurora Energy Research zufolge würden bis 2050 5 bis 10 GW als sogenannte „Back-Up-Kraftwerke” ausreichen. Jedes Kohlekraftwerk durch ein Gaskraftwerk zu ersetzen, ist demnach nichts anderes als Geldverschwendung.

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Ergebnisoffen statt „Technologieoffen”

Bei der häuslichen Energieversorgung setzt die Union auf die Rückabwicklung klimapolitischer Fortschritte. Das sogenannte „Heizungsgesetz” will sie ganz abschaffen, dafür mehr klimafreundliche Wärmeversorgung „technologieoffen” fördern. Die Union sollte jedoch aufpassen, dass aus „technologieoffen” nicht „ergebnisoffen” wird.

Denn heute ist bereits klar: Mit Öl-, Gas-, oder Holzheizungen lässt sich keine Klimaneutralität erreichen. Durch die Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes liefern die CDU/CSU anstelle von Klimaschutz, Verunsicherung und fehlende Investitionssicherheit. Am Ende werden die Hausbesitzer*innen darunter leiden, die auf die Förderungen des Gebäudeenergiegesetzes finanziell angewiesen sind. Also Menschen ohne Spitzeneinkommen.

Fehlinvestitionen auf der Straße

Zudem wolle die Union in der nächsten Regierung ebenso das Verbrennerverbot für PKW Neuzulassungen ab 2035 wieder rückgängig machen. Neben E-Autos sollen auch mit klimaneutralen PtL (Power to Liquid) – Treibstoffen, sogenannten E-Fuels, oder Wasserstoff betriebene Wagen weiter auf den Markt kommen. Damit setzt die Union nicht nur im Heizungskeller, sondern auch auf der Straße Anreize für Fehlinvestitionen. Verbraucher*innen werden in dem Glauben gelassen, sie könnten mit so einem „nachhaltigen” Verbrenner weiter wie gewohnt zur Tankstelle fahren. Dabei ist absehbar, dass aufgrund begrenzter Produktionskapazitäten E-Fuels und grüner Wasserstoff kaum für die Anwendungen reichen werden, die keinen elektrischen Betrieb als Alternative haben.

2035 werden voraussichtlich 60 bis 100 TWh an „grünen” Wasserstoffimporten zur Verfügung stehen. Allein die Chemie-, Flug- und Schifffahrtsindustrien bräuchten wahrscheinlich 140-200 TWh. Wer heute nicht klar ausspricht, dass der PKW der Zukunft elektrisch ist und zeitgleich den Industrie- und Luftverkehrsstandort Deutschland retten will, der fährt mit Sicherheit mindestens eins davon an die Wand.

Ein Lobbyverband, der sein eigenes Geschäft zerstört

In Punkto Treibstoff würde, wenn es nach der Union geht, auch die Agrardieselrückvergütung vollständig wieder eingeführt werden. Das hieße konkret etwa 480 Millionen € klimaschädliche Subventionen pro Jahr. Weitere Zugeständnisse an den Deutschen Bauernverband folgen: Unter der Union soll es keine Reduktion der Tierbestände und keine Auskunftspflichten über Stoffstrombilanzen im Ackerboden mehr geben. Folglich lassen sich ohne Datenerhebung dann auch keine Grenzwerte von schädlichen Stoffen im Boden mehr durchsetzen.

Durch falsche Bewirtschaftung und Klimafolgen sind in Deutschland bereits mehr als ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Bodenerosion gefährdet, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass die Böden über Jahrzehnte hinweg unfruchtbar werden. Gerade für Landwirt*innen wäre ein effektiver und entschlossener Klima- und Umweltschutz, zu dem sie nicht nur einen großen Teil durch Ökodienstleistungen beitragen können, sondern auch von besseren Erträgen profitieren würden, besonders wichtig. Stattdessen betreiben die Christdemokraten Lobbyarbeit und hören auf den Deutschen Bauernverband, der seine eigene existenzielle Betroffenheit durch die aktuellen ökologischen Krisen noch nicht begriffen zu haben scheint.

Planlosigkeit par excellence

Immer wieder zeigt sich im Wahlprogramm der Union eine Kluft zwischen gemachten Versprechen und geplanten Maßnahmen, was von nichts anderem zeugt als politischer Planlosigkeit. Im reinen Glauben an die Macht des CO2-Preises, bzw. getrieben von der fossilen Lobby in den eigenen Reihen versäumen es CDU und CSU, resiliente Klimaschutzmaßnahmen aufzustellen, die nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen drohen.

Gerade jetzt, wo es um eine sozial gerechte und wirtschaftliche Umsetzung der Klimaschutzziele geht, zeigt die Union damit ihr eigentliches Motto auf: Im Zweifel gegen Klimaschutz.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redaktion entstanden. Bei Fragen, Anregungen, Kritik und wenn ihr selbst mitmachen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@jugendpresse.de 

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