Wählen gehen, ja gern, aber wir möchten auch mitentscheiden. Bei der Europawahl wird betont, dass jede und jeder mit seiner Stimme die politische Richtung vorgibt und damit den Kurs der EU beeinflusst, aber ist dem wirklich so, fragt sich Kristina Vasilevskaja.
Am 26. Mai wählen alle, die etwas bewirken wollen und geben ihre Stimme einer Partei, die dann mit ihren bereits ausgewählten Kandidaten und Kandidatinnen in das EU-Parlament einzieht. In der EU haben wir das Privileg, ein so wichtiges Organ wählen zu können, denn das Parlament ist sowohl für die Gesetzgebung verantwortlich, als auch für das Prüfen anderer Organe.
Kinder und Jugendliche sollen schon von klein auf politisch gebildet werden und verstehen, was es bedeutet an Wahlen teilzunehmen. Das Projekt U18-Wahl setzt sich für die symbolische Wahl von Menschen unter 18 Jahren ein und ermöglicht ihnen somit, eine Meinung zu wichtigen politischen Entscheidungen abzugeben: „Die Wirkung dieses Wahlergebnisses soll breite Aufmerksamkeit erhalten und den Politikern und Politikerinnen vor Augen geführt werden, deshalb gibt es zu jeder Wahl eine Sendung mit einigen von ihnen auf ALEX TV„, erzählt Katharina Wengenroth, Vorsitzende von U18. Auch zur U18-Europawahl am 17. Mai dürfen diese ihre Meinung äußern und das vielleicht sogar mit mehr Beteiligung als 2014, wo die Anzahl bei 37.000 Kindern lag. Das Projekt wächst mit jedem Jahr und somit auch das Ansehen der Stimmen in der Politik. „Da kann man nur hoffen, dass das Ergebnis auch von den erwachsenen Wählerinnen und Wählern wahrgenommen wird”, wünscht sich Katarina Wengenroth.
Interesse von Jugendlichen an Politik
Junge Menschen interessieren sich angeblich nicht für politische Entscheidungen und seien verglichen zu den über 50-Jährigen eher faul, was das Wählen betrifft. Laut einer Umfrage von Verena Töpper auf Spiegel Online haben rund 49% der Erstwähler Interesse an Politik, dennoch sind die Zahlen der jungen Wähler und Wählerinnen in den letzten Jahren zurückgegangen.Politik scheint für ältere Generationen gemacht, weshalb der Eindruck entsteht, der Einfluss der Jugend schwinde. Jedoch ist der Anteil wahlberechtigter junger Menschen viel geringer als der der Älteren. Allein deshalb könne man behaupten, junge Meinungen sind unterrepräsentiert. Wenn man sich nicht gehört fühlt, dann ist es nur verständlich, gar nicht erst seine Stimme abgeben zu wollen. Das unterstützt den Teufelskreis, sodass jugendrelevante Themen immer weniger behandelt werden. Viele greifen dann lieber zum Demo-Schild und gehen auf die Straße.
Aktivismus statt Wählen
Die wöchentlichen Fridays for Future-Demos zeigen, dass tausende junge Menschen ihre politische Meinung durch Aktivismus zum Ausdruck bringen. Warum dann noch wählen gehen? Wenn Demonstrationen in der Politik wahrgenommen werden, dann ist es wie ein Schlag und trifft viel härter als eine Wahl. Die Europabeauftragte des Bezirksamts Mitte von Berlin, Marina Mantay, sieht darin eine Möglichkeit, neben der Wahlbeteiligung seinen Standpunkt zu äußern. Dafür empfiehlt auch Nicht-Regierungsorganisationen wie beispielsweise Polis 180 und der Jungen Europäischen Bewegung (JEB), die sich insbesondere mit europarelevanten Themen auseinandersetzen und politisches Verständnis bei jungen Menschen fördern möchten. Dort kann man mit Gleichgesinnten dieselben Ziele verfolgen.
Bedeutung der Europawahl
Bei der Europawahl wird die Anzahl der Parteisitze bestimmt und damit deren Gewichtung im Parlament. Konkrete Entscheidungen werden dadurch nicht getroffen. Damit müssen wir uns als Wähler und Wählerinnen zufrieden geben und den Abgeordneten Vertrauen schenken. Die Politiker und Politikerinnen werden zwischen den Wahlen auf zahlreichen Veranstaltungen zur Rede gestellt, anscheinend jedoch nicht genug: „Als Gesellschaft sind wir auch dafür verantwortlich, dass Versprechen eingehalten werden und die Politiker und Politikerinnen dafür zur Rede gestellt werden”, meint Mantay. Wichtiger sei, bei Wahlen daran zu denken, dass man als kleiner Teil eine grobe Richtung vorgebe und sich nicht enthalten könne: „Allein die Wahlbeteiligung stärkt schon die Demokratie und durch die Masse an Menschen, die gemeinsam ein Ziel verfolgen und sich vereinen, kann die Stimme sehr stark werden”, erklärt Mantay. Sie ist auch der Meinung, dass es nicht viel Aufwand bedarf, durch die Wahl politisch aktiv zu werden: „Man kann man stolz darauf sein, seine Stimme abgegeben zu haben. Darüber hinaus ist es wichtig, sich auszutauschen und ein politisches Bewusstsein zu entwickeln.” Austausch scheint also von enormer Bedeutung, nicht nur in der Familie und mit Gleichgesinnten, sondern auch zwischen jungen Menschen und Politikern und Politikerinnen.
Wählen ist wichtig und bestimmt die politische Richtung, Aktivismus kann aber weit darüber hinausgehen.