Gaarden-Ost gilt als Kiels sozialer Brennpunkt. Der Migrationsanteil und die Arbeitslosenquote im Stadtteil sind hoch. Auch hier geht der Wahlkampf in den Schlussspurt. Ein Stimmungsbild.
Samstagvormittag, kurz nach elf, in Kiel. Der Himmel ist grau. Mit dem Bus geht es Richtung Ostufer. Bekannte Orte in Gaarden-Ost sind die Hörnbrücke und der Norwegenkai, an dem die Kreuzfahrtschiffe anlegen. Riesige Werft-Kräne prägen das Stadtbild. Und dann gibt es da noch den Vinetaplatz im Wahlkreis 14.
Spielende Kinder schnacken dort in verschiedensten Sprachen. Um sie herum herrscht eine bunte Mischung aus Wochenmarkttreiben und politischem Austausch. Inmitten des Platzes tanzt ein junges Statuenpaar aus Granit. Es bildet den Kern des Viertels mit rund 20.000 Einwohner*innen, das von kultureller Vielfalt, aber auch Armut geprägt ist.
Die Anwesenden
Linke, CDU, Grüne und SPD präsentieren sich auf engem Raum. Die Sozialdemokrat*innen verteilen rote Rosen. Landesvorsitzende und Direktkandidatin Serpil Midyatli erklärt, dass erst die ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis dies zur gängigen Praxis machte. Vorher waren es Nelken. Die Tradition entstand bereits im 19. Jahrhundert und verweist auf den Ersten Mai als Tag der Arbeit.
Während ihrer Ausführungen nimmt Midyatli sich trotzdem Zeit für neugierige Passant*innen. Oft auf Türkisch erklärt sie den Menschen am Vinetaplatz, dass sie morgen zur Wahl gehen sollen. Gaarden-Ost hat mit 60 Prozent den größten Migrationsanteil in Kiel, die meisten kommen aus der Türkei.
Weiter geht es zu den Linken, die uns ihre politischen Ziele erklären und hoffnungsvoll auf den Wiedereinzug in den Landtag blicken. Vor allem, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen.
Der Linke-Kandidat betont, dass Gaarden-Ost nicht als sozialer Brennpunkt pauschalisiert werden dürfe. Der Stadtteil hätte mehr zu bieten. Schräg hinter ihm sitzt eine Frau und bettelt. Generell ist die wirtschaftliche Lage für viele hier prekär: Die Arbeitslosenquote ist mit fast 16 Prozent im Stadtteil am höchsten in Kiel.
Die Menschen aus Gaarden-Ost sprechen politische Themen auf andere Weise an.
Wahlkampfhelfer der Linken
Die 25-jährige Grünen-Direktkandidatin und Studentin Nelly Waldeck lockt mit Stickern und veganen Waffeln zum politischen Austausch. Sie betont, dass sie Klima- und Sozialpolitik verbinden möchte und sich so Synergieeffekte ergeben. Währenddessen zieht der CDU-Stand bereits weiter.
Eine Symbiose?
Alle Parteien betonen, dass der Austausch hier offen erfolge und meist positiv ausfalle. Aber auch resolute Nichtwähler*innen seien zahlreich und würden sich bereitwillig als solche zu erkennen geben. Ein Dialog sei dann schwieriger, aber daran hätte man sich gewöhnt. Unabhängig von Gaarden-Ost.
Um die Wahlstände herum machen immer wieder zwei kleine Jungs auf sich aufmerksam. Sie sind fasziniert von der Stimmung im Kiez und dem Duft der Waffeln. Eine Ahnung, wer die Menschen an den Ständen sind, haben sie nicht. Trotzdem verteilen sie gern die Aufkleber der Grünen, die für Klimaschutz und gegen Rechts mobilisieren.
Die politischen Wettstreiter*innen sind nur wenige Meter voneinander entfernt. Die Stimmung wirkt kollegial. „Man kennt sich!“, erzählt ein Wahlkampfhelfer der SPD. Die Waffeln der Grünen verteilen sich von Partei zu Partei weiter. Aufgewirbelter Puderzucker fliegt durch die Straßen und auch die Sonne scheint inzwischen. Alle Zeichen bei den Parteien stehen auf Optimismus.
Gaarden hofft auf bessere Zeiten, denn verdient hätten die Menschen es. Das Ruder liegt nun in der Hand von Wahlkreissiegerin Seyran Papo und ihrer CDU, die bei einer Wahlbeteiligung von gerade einmal 48,9 Prozent im Viertel gewann. Der nächste Rosenschauer der SPD wird zumindest auf sich warten lassen.