Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die CO₂-Emissionen durch das neue Klimaschutzgesetz drastischer gesenkt werden. Zeit, dass sich im Autoland mal etwas bewegt. Ein Kommentar von Pia Senkel.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 29. April 2021 entschieden, dass auch die jüngeren Generationen ein Recht auf eine zukünftige Freiheitsentfaltung haben, ohne dass sie nach 2030 ihre Freiheiten „radikal und ersatzlos beschneiden“ müssen. Um dem Urteil und dem 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden, muss das neue Klimaschutzgesetz – das in der dritten Maiwoche beschlossen werden soll – die CO₂-Emissionen drastischer senken. Hier sollte unter anderem das Thema Mobilität im Mittelpunkt stehen.
Mobilität ist ein wichtiger Punkt, wenn es um Freiheit geht. Es ist kein Geheimnis, dass Benziner und Dieselfahrzeuge schlecht für das Klima sind. Dennoch ist das Argument „jeder solle zu Fuß zum Supermarkt, mit dem Fahrrad zur Arbeit oder mit dem Zug in den Urlaub fahren“, zu kurz gedacht. Dafür braucht es zunächst die entsprechende Infrastruktur. Hier hat die Bundesregierung nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Nachholbedarf.
Bisher gibt es keine echte Alternative zum Auto
Seit Jahren ist die Deutsche Bahn bekannt für ihre Verspätungen. Gleichzeitig sind die Ticketpreise hoch und die Verbindungen, besonders in kleinere Städte, umständlich. In ländlichen Regionen kann man an einer Hand abzählen, wie oft der Bus täglich kommt und nach 18 Uhr fährt sowieso keiner mehr.
Um öffentliche Verkehrsmittel attraktiver zu machen, müssen Bus und Bahn zuverlässig, bezahlbar und flächendeckend zur Verfügung stehen. Die Deutsche Bahn sollte ihre Preise für den Fernverkehr transparent gestalten, sie nicht scheinbar willkürlich senken und anheben und erst recht nicht die Spritpreise überbieten. Das Gleiche gilt für regionale Verkehrsverbünde, wenn die Innenstädte insbesondere großer Städte in naher Zukunft autofrei sein sollen. Bisher erscheint die Bepreisung häufig wie ein Glücksspiel. Dass man öffentliche Verkehrsmittel auch komplett umsonst anbieten kann, beweist unser europäischer Nachbar Luxemburg.
Elektromobilität ansprechender machen
Außerdem muss Elektromobilität gefördert, in entsprechende Lademöglichkeiten investiert und mehr Geld in die Forschung gesteckt werden, damit der Verbrennungsmotor bald von den Straßen verschwindet. Norwegen zeigt, dass das möglich ist: Mehr als 50 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge sind bereits E-Autos und ab 2025 werden keine neuen Verbrenner mehr zugelassen. Gleichzeitig findet man alle 50 Kilometer zwei Ladestationen, sodass Autofahrer*innen nicht mehr fürchten müssen, dass auf halber Strecke die Batterie leer ist. Noch attraktiver wird E-Mobilität mit Anreizen wie kostenlosen Parkplätzen, Steuererleichterungen oder der Erlassung von Mautgebühren.
Zeit für nachhaltige Veränderungen
Aber solange das Auto mit Verbrennungsmotor günstiger, praktischer und zuverlässiger ist, wird sich das Verhalten der Menschen im Verkehr nicht ändern. Daher braucht es klimaneutrale Busse, Bahnen und Elektrofahrzeuge, mit denen man dieselben Ziele mindestens genauso spontan, schnell und einfach erreichen kann. Hier muss die Regierung endlich mehr Geld in die Hand nehmen, um langfristige, wirtschaftlich nachhaltige Strategien für einen emissionsfreien Mobilitätssektor umzusetzen.
Der Klimawandel betrifft uns alle, daher steht auch jeder mit seinem individuellen Verhalten in der Verantwortung. Aus der Sicht einer Volontärin, die seit vielen Jahren mit den Preisen und Unannehmlichkeiten der Bahn zu kämpfen hat, kann ich sagen: Auch wenn der Wille groß ist, mehr umweltfreundliche Alternativen zu nutzen, erscheint das Auto mit jeder Bahnfahrt attraktiver – und ich kann verstehen, wenn man noch lange an umweltschädlichen Varianten festhält, bis für E-Mobilität und das Bus- und Bahnfahren eine bessere Infrastruktur geschaffen wurde.