Psychotherapie als Luxusgut – Lange Wartezeiten und wie Parteien die Lage verbessern wollen 

BTW2025

Wer in Deutschland eine Psychotherapie braucht, braucht vor allem eins: Geduld – oft mehr, als die eigene psychische Gesundheit erlaubt. Während die Telefone der Praxen ununterbrochen klingeln und Absagen auf Absagen folgen, scheint das Thema der psychotherapeutischen Versorgung im aktuellen Wahlkampf zwischen Migration, Sicherheit und Wirtschaft unterzugehen. Die Folgen jahrelanger Vernachlässigung zeigen sich besonders deutlich in Nordrhein-Westfalen. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS) klärt über die aktuelle Lage. 

Bild: Pixabay

in Land auf der Warteliste 

Laut MAGS hat sich die Zahl der niedergelassenen psychologischen Psychotherapeut*innen deutlich erhöht – von 3.337 im Jahr 2015 auf 5.645 im Jahr 2024. Doch trotz dieses Anstiegs bleibt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz bei fünf Monaten. Nach Berechnungen der Psychotherapeutenkammer fehlen allein in Nordrhein-Westfalen rund 1.600 psychotherapeutische Praxen, um die Wartezeit auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. 

Die Erhöhung der Anzahl der Psychotherapeut*innen ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung – aber längst nicht genug. Die Reform der Psychotherapeutenausbildung von 2020 sollte strukturelle Verbesserungen bringen, doch in der Praxis bleibt das Kernproblem bestehen: Nicht genug Kassensitze bedeuten zu wenig Therapieplätze für gesetzlich Versicherte. 

Das Problem mit den Kassensitzen 

Um gesetzlich Versicherte behandeln zu dürfen, benötigen Psychotherapeutinnen einen Kassensitz – eine knappe und teure Ressource. Die Kosten für einen Kassensitz können bis zu 100.000 Euro betragen, was viele Therapeutinnen abschreckt und dazu führt, dass sie sich stattdessen auf Privatversicherte konzentrieren. 

Das MAGS erklärt dazu: 

„Die Anzahl der Kassensitze richtet sich nach der Bedarfsplanung auf Bundesebene (Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Dort ist mit bestimmten Verhältniszahlen festgelegt, wie viele Behandlerinnen pro Einwohnerin erforderlich sind. Auf dieser Grundlage legen zwei Landesausschüsse in NRW die Niederlassungsmöglichkeiten fest. Die Sicherstellung der Versorgung ist Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen.“ 

Die Reform der Ausbildung von 2020 – ein Teufelskreis? 

Die Reform von 2020 setzte allerdings nicht an der Bedarfsplanung an. Sie regelte lediglich, dass die Psychotherapeut*innen- Weiterbildung besser vergütet werden muss. Das Problem: Zukünftig werden Ausbildungsplätze wegfallen, da Kliniken und Ausbildungsinstitute diese bislang nur anbieten konnten, da die Kosten von den angehenden Psychotherapeut*innen selbst getragen wurden.  

Das MAGS merkt dazu folgendes an: „Für das Aus- und Weiterbildungssystem nach der Ausbildungsreform in 2020 fehlt hierfür allerdings bislang die rechtliche Grundlage. Diese muss durch den Bundesgesetzgeber geschaffen werden. Das MAGS setzt sich daher gemeinsam mit den anderen Ländern bereits seit langem verstärkt für die Schaffung dieser dringend erforderlichen Rechtsgrundlagen ein.“ 

Wie Parteien das Problem lösen wollen 

CDU/CSU: Die Versorgung psychischer Erkrankungen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich soll gezielt an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden – mit besonderem Fokus auf Kinder und Jugendliche. 

AfD: Die AfD will die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig machen, da sie nach ihrer Ansicht Intelligenz verringere und gesundheitliche sowie seelische Schäden verursache. Um „Drogenkranke“ zur Abstinenz zu ermutigen, soll die sucht-psychiatrische Versorgung ausgebaut werden. 

SPD: Es soll eine Termingarantie und ein solidarisches Finanzierungsmodell geben. Wartezeiten und Behandlungsmöglichkeiten zwischen privat und gesetzlich Versicherten sollen beseitigt werden. Der Finanzausgleich zwischen Krankenkassen soll fairer gestaltet werden, wobei auch private Versicherungen beitragen sollen.  

Bündnis 90/Die GRÜNEN: Die Bedarfsplanung soll modernisiert werden, besonders für Kinder und Jugendliche. Außerdem soll die Weiterbildung von Psychotherapeut*innen angemessen finanziert werden und sektorübergreifende psychiatrische Versorgung soll verstärkt werden. 

Die LINKE: Die Bedarfsplanung für Kassensitze soll den realen Bedarf widerspiegeln. Ausbildungskosten für Psychotherapeut*innen sollen gedeckelt, ihr Beschäftigungsstatus tariflich geregelt und die Finanzierung der Weiterbildung gesetzlich gesichert werden. 

BSW: Die Bedarfsplanung für Kassensitze soll an den realen Bedarf angepasst werden. Ausbildungskosten für Psychotherapeut*innen sollen gedeckelt, deren Beschäftigungsstatus tariflich geregelt und die  Ausbildungsfinanzierung gesetzlich festgelegt werden. Besonderer Fokus liegt auf der Versorgung von Kindern und Jugendlichen. 

FDP: Die psychotherapeutische Versorgung soll durch digitale Angebote, die Verkürzung der Wartezeiten und den Ausbau der Therapieplätze verbessert werden. Die Ausbildung der Psychotherapeut*innen soll weiterentwickelt und schulpsychologische Angebote sollen ausgebaut werden, um den Zugang zur Versorgung zu erleichtern. 

Die Bundestagswahl 2025 wird zeigen, ob und wie sich die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland verbessern wird: Ohne tiefgreifende Reformen wird Psychotherapie für viele weiterhin ein Luxus bleiben, den sie sich weder finanziell noch zeitlich leisten können. 

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