Queeres Leben unter Druck: “Wir müssen weiterkämpfen” 

JPT2025

Seit Jahren steigt die Zahl der queerfeindlichen Angriffe. Das nehmen die Teilnehmer*innen des Workshop “Queere Geschichte(n)” für die Zukunft mit:

Der Slogan „Pride is a protest“, abgedruckt auf einer Tasche (Foto: Unsplash/Sophie Popplewell)

Es ist Juni, offizieller Sommerbeginn. Für queere Menschen ist die sechste Seite im Kalender aber noch aus einem ganz anderen Grund besonders: Es ist wieder Zeit für Regenbogenflaggen, Drag-Shows auf der Straße und lange Partys – und alle scheinen mitzufeiern. In den letzten Jahren malen immer mehr Unternehmen ihre Logos bunt, Promis und Politiker lassen sich überall ablichten, wo es Pride-Flaggen gibt. Doch das war nicht immer so. 

Milena Seidl sagt dazu: “Pride war nicht immer eine kunterbunte Parade.” Sie leitet bei den JugendPolitikTagen einen Workshop zu queerer Geschichte und erzählt dabei auch von den Anfängen der Pride-Bewegung. Begonnen hatte alles in einer der wenigen queeren Bars in New York, dem „Stonewall Inn“, wo sich vor allem POCs, Dragqueens und trans Frauen trafen. Regelmäßig kam es dort zu Polizeirazzien, bei denen die Gäste diskriminiert und schikaniert wurden. So auch in der Nacht auf den 28. Juni 1969. Doch dieses Mal begannen die Besucher*innen der Bar, sich zu wehren. Diese Nacht löste eine so große Welle an Solidarität aus, dass die Auseinandersetzungen mit der Polizei fünf Tage dauerten. Genau ein Jahr später fand in New York in Erinnerung an den Aufstand der erste Christopher Street Day (CSD) statt. 1979 war die Pride-Bewegung auch in West-Deutschland angekommen und hunderte Teilnehmer*innen zogen durch die Straßen. 

All das erscheint auf den ersten Blick weit weg. Schließlich haben queere Menschen heute viel mehr Rechte als früher. Die Ehe für alle und das Selbstbestimmungsgesetz sind nur wenige Beispiele für die großen Errungenschaften der letzten Jahre. 

Doch die regenbogenfarbene Fassade scheint zu bröckeln: Erst letzte Woche untersagte Bundestagspräsidentin Klöckner (CDU) dem queeren Netzwerk der Bundestagsverwaltung die Teilnahme am CSD mit Verweis auf eine ”gebotene Neutralitätspflicht”. Auch eine Regenbogenflagge wird am Reichstagsgebäude dieses Jahr nicht wehen. 

Workshopleitung Milena Seidl (Foto: Jugendpresse Deutschland / Katja Sivacheva)

Die Teilnehmer*innen des Workshops berichten außerdem von einer zunehmenden Anspannung mit Blick auf den CSD. „Ja, es ist jetzt anders als die Jahre zuvor, definitiv“, meint Felicitas. Sie kommt aus Ostdeutschland und erzählt, dass bei einem Christopher Street Day rechte Gruppierungen aufmarschiert seien. Giulio bemerkt Ähnliches: „Mein erster CSD war vor zwei, drei Jahren. Das war sehr friedlich, sehr entspannt.” Die Feierlaune habe sich verändert, als im vergangenen Jahr Neonazis versucht hätten, die Parade anzugreifen.  Auch das BKA verzeichnet einen starken Anstieg queerfeindlicher Angriffe: Im Vergleich zu 2022 stiegen Straftaten gegen queere Personen im Jahr darauf um die Hälfte an.  

Als Antwort auf den Rechtsruck werden immer wieder Stimmen laut, die fordern, dass der CSD wieder mehr unter dem Motto „stonewall was a riot“ stattfindet. “Die Errungenschaften aus der queeren Szene wurden uns nicht einfach so gegeben”, sagt Milena Seidl. Sie wurden durch Aufstände schwarzer und queerer Personen gegen Polizeischikane erreicht. Seidl meint: “Diese institutionalisierte Form von queerem Feiern gäbe es heute nicht, wenn sich die Leute damals nicht engagiert hätten.“ Dass politisches Engagement und Widerstand immer noch brandaktuell sind, findet auch Paul: Wir müssen noch weiter dafür kämpfen, dass wir Rechte bekommen oder unsere derzeitigen Rechte beibehalten.” Den CSD als reine Party zu begreifen, helfe dabei nicht. Felicitas ist ähnlicher Meinung: „Stonewall was a riot“ ist immer aktuell.” Gerade die letzten Jahre hätten gezeigt, wie schnell queere Rechte wieder abgeschafft werden könnten. Deshalb sei es so wichtig, zu zeigen, dass die queere Community groß sei und sich nicht verdrängen lasse. 

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