Hast du schon einmal gewalttätige Bilder oder Videos per WhatsApp zugeschickt bekommen oder bist mit solchen Inhalten auf den sozialen Netzwerken konfrontiert worden? Hast du dich vielleicht überfordert gefühlt und wusstest nicht so recht, wie du damit umgehen sollst? Zum Anlass der Jugendmedientage 2019 kommentierte die Spreewild– und politikorange-Redakteurin Karolina Kosenko die Wirkung von Bildern in Sozialen Medien.
Besonders viele Gedanken um Bilder und ihre Wirkung habe ich mir nie gemacht und auch an der Schule und an der Uni war das nie ein Thema gewesen. Im März dieses Jahres zeigte mir ein Freund ein Video von den Terroranschlägen in Christchurch. Er hatte es von seinen Freunden per WhatsApp zugeschickt bekommen. Neugierig wollte ich es mir gleich ansehen. Nach wenigen Minuten bat ich ihn jedoch es wieder abzuschalten. Ich habe mich wie ein Eindringling gefühlt, der ungebeten das schreckliche Leiden der Opfer beobachtet. Zwei Fragen kamen mir auf: Wer schickt solche Videos rum und warum hat der Attentäter diese Videos gemacht?
Im Verlauf der weiteren Recherchen stellte ich fest, dass uns grundlegende Kompetenzen im Umgang mit Bildern in der Schule nie beigebracht worden sind. Wir analysieren einen Text auf seine Herkunft, auf die eingenommene Perspektive und den Kontext. Wenn wir Bilder betrachten, gehen wir viel zu schnell davon aus, dass dieses Bild wahr ist. Das Bild ist für uns ein Augenzeuge des Ereignisses. Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, dass auch Bilder inszeniert werden und nur eine subjektive und selektive Darstellung der Realität sind.
Bilder und Fotografien haben ein enormes Emotionalisierungspotential. Genau darauf zielen viele Akteure ab, wenn sie bestimmte Inhalte in Umlauf bringen. Visuell vermittelte Emotionen haben eine starke Wirkung auf den Betrachter. Studien haben festgestellt, dass Bilder viele emotionale und einstellungsbezogene Effekte haben und somit auch die öffentliche Meinung und das Verständnis einer Nachricht beeinflussen können.
Während es das journalistische Handwerk verlangt, Bilder in einen Kontext zu stellen und diese auch zu erklären, werden durch das Internet, viele Bilder ohne Kontext geteilt, geliked, verbreitet und kommentiert. In den sozialen Medien gibt es kaum Filter oder Schutzfunktionen, um seriöse Bilder von unseriösen zu unterscheiden. Der Hype darum, Aufmerksamkeit zu generieren und seine Freunde schnell einzubeziehen, gewinnt leider viel zu oft Überhand. Einmal in Umlauf gebracht, ist es unmöglich, diesen Vorgang wieder rückgängig zu machen.
Das hat oft schwerwiegende Konsequenzen. Zum einen werden die Wünsche und die Würde der dargestellten Opfer und der Angehörigen nicht respektiert. Zum anderen passiert mit der Verbreitung solcher Fotos und Videos genau das, was terroristische Organisationen oder auch Einzeltäter wollen: die Fotos oder Videos werden selbst zu Waffen und generieren unkontrolliert Aufmerksamkeit im Netz.
Gerade in der Ära der Digital Natives ist es deswegen so wichtig, ein gemeinsames Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen und an Schulen ein erhöhtes Augenmerk auf die Schulung der Bildkompetenzen zu legen. Dadurch wird die Schule zu einer Plattform, auf der Schüler über ihre Unsicherheiten sprechen können und bei Bedarf auch nachfragen können, wie sie mit verstörenden oder gewalttätigen Inhalten umgehen sollen. Der gemeinsame Diskurs appelliert auch an die eigene Verantwortung mit dem Umgang von visuellen Inhalten im Netz.
politikorange berichtet gemeinsam mit Spreewild, der Jugendredaktion der Berliner Zeitung, von den Jugendmedientagen 2019. Alle Artikel erscheinen in den kommenden Tagen hier und bei Spreewild.