Im weltweiten Vergleich steht es in Deutschland um die Pressefreiheit ziemlich gut. Aber lassen sich auch hier Entwicklungen beobachten, die Anlass zur Sorge geben? Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai waren politikorange-Redakteurin Jana Borchers und -Redakteur Lukas Brueß mit einem Plakatfahrrad des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger in Berlin unterwegs und haben Passanten und Passantinnen zu dem Thema befragt.
Wer an bedrohte Pressefreiheit denkt, hat meistens andere Länder als Deutschland im Kopf. Länder, in denen Journalistinnen und Journalisten für ihre Berichterstattung im Gefängnis sitzen. Man denkt vielleicht an Saudi-Arabien, wo der Blogger Raif Badawi seit 2012 in Haft ist. Oder an die Türkei, die den Welt-Redakteur Deniz Yücel ein Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft hielt und erst im Februar letzten Jahres entlassen hat. Doch wie sieht es in Deutschland aus, wo die Pressefreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben ist? Reicht der Vergleich mit Ländern, in denen Medienvertretende um ihr Leben fürchten müssen?
Barbara Fischer, die an diesem Freitagmorgen mit einer Handvoll Mitstreitender vor dem Bundestag für stärkere Klima-Ambitionen demonstriert, sieht die Pressefreiheit vor allem durch zunehmende Kommerzialisierung bedroht: „Viele Menschen sind nicht mehr bereit, den Preis für guten Journalismus zu zahlen“. Als Grund dafür nennt sie das zunehmend kostenlose Angebot im Netz.
Zeitdruck und verkürzte Debatten
Der Einfluss von Online-Angeboten und besonders von sozialen Netzwerken ist erst kürzlich wieder zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden. Anlass war der Streit zwischen Spiegel-Redakteurin Anja Rützel und Stand-up-Künstlerin Enissa Amani, die mit einer TV-Kritik nicht einverstanden war und einen Shitstorm gegen die Journalistin lostrat. In solchen Online-Diskursen fällt es schwer, Emotion und Empörung gänzlich von Fakten zu trennen. Besorgniserregend wird es dann, wenn Journalisten und Journalistinnen plötzlich das Gefühl haben, aufpassen zu müssen, was sie veröffentlichen – aus Angst, verkürzt dargestellt zu werden und sich in einer erhitzten Online-Debatte nicht mehr erklären zu können.
Ist Selbstzensur ein Problem, das die Pressefreiheit in Deutschland bedroht? Eine ältere Passantin, die auf dem Gendarmenmarkt auf eine Freundin wartet, glaubt, dass Journalistinnen und Journalisten nicht immer von ihrer Freiheit Gebrauch machen. Das läge auch an dem Druck, möglichst schnell immer neue Nachrichten zu produzieren, dabei habe Journalismus „den Auftrag aufzuklären”. Ein Tourist aus Russland betrachtet die Entwicklungen in Europa mit Besorgnis. Als Grund für die Verschlechterung der Lage bezeichnet er den zunehmenden Erfolg rechtspopulistischer Parteien vieler Länder, deren Wahlkampf auf Propaganda aufbaue: “Viele Leute glauben daran und nicht an die echte Presse, die Analysen, die Vergleiche”.
Stimmungsmache gegen Medien?
Auch die Zahl der Übergriffe auf Journalisten und Journalistinnen ist in den letzten Jahren angestiegen. Für das Jahr 2018 werden in einer Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit 26 gewaltsame Angriffe verzeichnet. Die meisten davon fanden auf rechten Demonstrationen oder Versammlungen statt, beispielsweise bei den Ausschreitungen in Chemnitz Ende August. Stimmungsmache gegen Medien, wie sie beispielsweise US-Präsident Donald Trump betreibt, ist auch in Deutschland durch die AfD mit ihrer “Lügenpresse”-Rhetorik zu beobachten. In einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die letzte Woche veröffentlicht wurde, stimmten ein Viertel der Befragten der Aussage zu, dass “Medien und Politik unter einer Decke stecken” würden.
Insgesamt wird an diesem Freitag doch immer wieder betont, dass Journalistinnen und Journalisten hierzulande vergleichsweise große Freiheiten haben. Dennoch wird deutlich, dass die Angriffsflächen der Pressefreiheit auch hier zahlreich sind. Dass Deutschland im Ranking der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen auf Platz 13 steht, dass die Lage durch die Organisation als “gut” bewertet wird, sollte längst kein Anlass sein, sich zurückzulehnen. Pressefreiheit ist kein Gut, das einfach „da“ ist, sobald es einmal erkämpft wurde. Der Internationale Tag der Pressefreiheit ist zumindest Anlass, sich dies immer wieder vor Augen zu führen.