Bei den olympischen Spielen in Tokio verweigerten ein Algerier und ein Sudanese, im Judo gegen einen Israeli anzutreten. Der Vorfall zeigt, wie präsent Antisemitismus im Sport ist. Janik Trummer ist Bildungsreferent beim Projekt „Zusammen 1“ des jüdischen Sportvereins Makkabi. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, Juden*Jüdinnenfeindlichkeit zu bekämpfen.
politikorange: Das Projekt „Zusammen 1“ will präventiv gegen Antisemitismus vorgehen. Wie sind Sie auf den Namen gekommen?
Janik Trummer: Wir stehen für gemeinsame Werte, wollen Vorurteile überwinden und zusammenstehen. Es geht darum, zusammen einen gesellschaftlichen Wandel anzukurbeln. Zusammenhalt auch die Grundidee der Makkabi-Bewegung, die unser Projektträger ist. Die Makkabi-Sportvereine sind ein Ort der Integration und möchten den Jüdinnen und Juden, die in Deutschland leben, ein Zuhause bieten. Gleichzeitig hat Makkabi auch viele christliche und muslimische Mitglieder.
Was ist Ihre Aufgabe als Bildungsreferent in dem Projekt?
Wir bieten pädagogische Trainingseinheiten, Workshops und Schulungen an, in denen wir für Formen des Antisemitismus im Sport und jüdisches Leben in der Gegenwart sensibilisieren. Langfristig gesehen sollen die Erkenntnisse empirischer Sozialforschung in unsere pädagogischen Maßnahmen einfließen. Außerdem wollen wir in die Strukturen von Fußballverbänden vordringen. Es geht uns um Veränderungen im Regelwerk und die Anwendung der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)-Definition für Antisemitismus. Außerdem kann man auf unserer Website antisemitische Vorfälle melden.
Geht es vor allem um Amateur- oder Profisport?
Sowohl als auch. Wir arbeiten einerseits mit Verbänden wie dem Deutschen-Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) zusammen. Wir wollen die Funktionär*innen, Trainer*innen und Spieler*innen ab der U15 im Leistungsbereich der Bundesligavereine sensibilisieren. Andererseits wollen wir über die Landesverbände des DFB auch in den Amateurbereich gehen. Wenn zum Beispiel Trainer*innen Fortbildungen absolvieren oder ihre Trainerlizenz verlängern, möchten wir dort unsere Angebote platzieren.
Wie kann man sich so einen Workshop vorstellen?
Insgesamt richten wir uns nach den Zielgruppen und deren Sprachkenntnissen. Zum Beispiel arbeiten wir mit geflüchteten Menschen, mit Schülerinnen und Schülern im Sportunterricht oder Profivereinen zusammen. Wir bieten interaktive und frontale Formate an. Wegen der Pandemie fanden allerdings die meisten Workshops bis jetzt online statt.
Was bedeutet Interaktion in diesem Fall?
Wir finden, dass man bestimmte Inhalte am besten über Bewegungen und spielerische Elemente erlernen kann. Am meisten Interaktion gibt es in den pädagogischen Trainings, die bildungspolitische Elemente mit einer Trainingseinheit verbinden. Zum Beispiel machen wir eine Laufstafette, an deren Ende ein Memoryspiel mit Symbolen der Weltreligionen und des Judentums aufgebaut ist.
Wie drückt sich Antisemitismus im Sport aus?
Die meisten Vorfälle haben wir in den vergangenen Jahren im Fußball mitbekommen. Antisemitismus drückt sich etwa in verbalen Beleidigungen gegenüber jüdischen und nicht-jüdischen Makkabi-Sportler*innen aus. Auch visuelle Beleidigungen finden statt, zum Beispiel wenn Sportanlagen mit rechten Parolen beschmiert werden. Die drastischste Ausprägung ist die physische Gewaltausübung gegenüber Makkabi-Sportler*innen. Das ist in der Vergangenheit häufiger passiert. Besonders wenn es im Nahen Osten zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt, spiegelt sich israelbezogener Antisemitismus auf den Sportplätzen in Deutschland wider.
Im Sport findet einerseits Diskriminierung statt, andererseits kann sich Toleranz entwickeln. Wie schätzen Sie diese Doppelrolle von Sport ein?
Sport vermittelt Werte wie Fairplay, Zusammenhalt und Teamgeist. Er hat eine integrative Kraft und einen solidarischen, demokratischen Leitgedanken. Aber Sport ist eben auch sehr anfällig für Diskriminierungsformen. Unsere Auffassung ist: Sport ist gleich Politik. Viele gesellschaftspolitische Entwicklungen werden im Sport angestoßen. Wenn Fußballfans erkennen, wie groß die politische Tragweite des Sports ist, dann kann es gelingen, gesellschaftliche Diskurse voranzutreiben.