Schulwechsel

Auf einem Blatt Papier steht „Schule“. Drei Hände verzieren das Wort.
Schule kann schwer sein. Noch schwerer wird es aber, wenn viele auf den Lehrplan Einfluss nehmen wollen. Foto: Jugendpresse Deutschland / Leonard Palm

In unserem Nachbarland Polen wird das Schulsystem gerade drastisch verändert. Das kann gefährliche Folgen haben, findet Sabine Baumgärtel.

Auf den ersten Blick erscheint das polnische Schulsystem etwas verwirrend. Eine 5 ist eine sehr gute Note, es gibt zwar auch ein „Gimnazjum“, aber das ist etwas ganz anderes als ein deutsches Gymnasium. Genau deshalb soll zum besseren Verständnis dieses Artikels zuerst das polnische Bildungssystem kurz erklärt werden.

Kinder werden mit sechs oder sieben Jahren eingeschult und besuchen dann sechs Jahre die Grundschule. Danach kommen sie auf das Gimnazjum. Dort lernen sie drei Jahre und schreiben am Ende eine Prüfung, die dann entscheidet, auf welche Schule sie gehen. Danach haben sie die Wahl, ob sie zum Beispiel ihr Abitur oder eine Ausbildung machen wollen. Das Besondere an diesem System – im Vergleich zum deutschen – ist wohl, dass es keine Trennung nach Begabung gibt. Alle Kinder und Jugendliche lernen zusammen.

Das polnische Schulsystem ist im Moment ziemlich erfolgreich. In PISA-Rankings liegen sie aktuell meist auf dem OECD-Durchschnitt, in einigen Bereichen, wie Mathematik und Naturwissenschaften, sind sie sogar ein bisschen darüber. Es gibt so viel, was in Polen gerade passiert, warum sollte ich mich dann ausgerechnet für die Schulen interessieren? Weil eine Reform der Regierung gerade das Schulsystem ändern soll, und das könnte dramatische Folgen haben.

Ab dem neuen Schuljahr 2017/2018 wird es keine Gimnazjen mehr geben. Die Grundschule wird einfach drei Jahre länger gehen und erst danach wechseln die Schülerinnen und Schüler auf eine weiterführende Schule. Auf den ersten Blick erscheint das vielleicht nicht so schlimm – die Zahl der Schuljahre bleibt gleich, nicht so wie bei den Diskussionen um G8 oder G9 in Deutschland.

Ein neues System

Auf den zweiten Blick aber ändert sich eine ganze Menge. Zum einen werden Tausende Lehrerinnen und Lehrer ihren Job verlieren oder nur noch halbtags arbeiten. Eine Änderung des Systems bedeutet aber auch, dass es neue Lehrpläne und Lehrbücher geben muss – und das wird von der rechts-konservativen PiS-Regierung genutzt. Die katholische Kirche erhält einen größeren Einfluss auf die Bildung, so wird es zum Beispiel mehr Religionsunterricht und weniger Stunden in den Naturwissenschaften geben.

Lech Wałęsa, der die erste freie Gewerkschaft im kommunistischen Polen gegründet hat, ist heute zwar eine umstrittene Person, dennoch hat er in der polnischen Geschichte einen wichtigen Platz. Nun darf er aber im Geschichtsunterricht nicht mehr erwähnt werden – weil er sich kritisch gegenüber der Regierung geäußert hat. Der Fokus des Unterrichts wird auf den Heldentaten der Polen liegen, es gibt keinen Platz mehr für differenzierte Betrachtungen und ausgewogene Meinungen.

Wenn der Lehrplan so stark geändert wird, bleibt weniger Raum für demokratische Erziehung. Wie können Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgern werden, wenn sie nicht lernen, kritisch zu denken? Im Moment erscheint es vielleicht weniger ernst, aber dieser Wandel kann sich in nur wenigen Jahren rächen. Denn die Schule ist ein wichtiger Ort für die Entwicklung: hier lernt man, sich zu informieren, vielfältige Lebensentwürfe zu respektieren und nicht alles zu glauben, was zum Beispiel im Internet steht. Wenn nicht mehr gelernt wird, Dinge zu hinterfragen und sich kritisch miteinander auszutauschen – dann verlieren am Ende alle – am meisten wohl die Demokratie.

Collage aus den Logos der Förderer: Axel Springer Stiftung, deutsch polnisches Jugendwerk, Stiftung für deutsch polnische Zusammenarbeit, Think Big und Erasmus + sowie dem Schriftzug "This Project was supported by"

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