Wie war’s eigentlich?

Ania und Paulina am arbeiten an einem Tisch im Freien.
Im Herzen Freunde, im Handwerk vereint: Ania und Paulina bringen Gedanken aus zwei Köpfen auf einen Artikel. Foto: Jugendpresse Deutschland / Leonard Palm

Sechs Tage lang drehte sich beim deutsch-polnische Journalismusseminar in Görlitz mit elf Teilnehmenden zwischen 16 und 26 Jahren aus Deutschland und Polen alles um das Seminarthema „Demokratie im Wandel“ – um Deutschland, um Polen, um den gegenseitigen Austausch und den Journalismus.

Nachdem die Teilnehmenden am 20. August ankamen, stiegen wir nach einer Vorstellungsrunde direkt ins Thema ein und fragten, welche Themen die Teilnehmenden interessierten. Demokratie in Schulen, Demokratie im deutsch-polnischen Vergleich, Demokratie bei Jugendlichen – die Ideen waren zahlreich und vielfältig. Wir sammelten sie an einem Flipchart – auf Deutsch und auf Polnisch. Auch die Übersetzung in die jeweils andere Sprache durch Sprachmittler sollte uns die nächsten Tage weiter begleiten. Unsere zwei Sprachmittler leisteten großartige Arbeit. Nach dem Abendessen beendeten wir das gemeinsame Programm mit Spielen, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich näher kennenlernten, unterschiedliche Sprachen als überwindbares Hindernis begriffen und eine Menge Spaß hatten. Abends wurden bei einem kalten Getränk direkt an der polnischen Grenze die ersten langen Gespräche geführt.

Am nächsten Tag stiegen wir inhaltlich ganz ein. Vormittags leiteten unsere Chefredakteurinnen Jolanta Steciuk (für die vier polnischen Teilnehmer) und Nuray Hanım Atila (für die sieben deutschen Teilnehmer) getrennt einen Workshop rund um journalistische Darstellungsformen und Themenfindung. Interessiert hörten die Teilnehmer zu, probierten aus, überlegten sich ihr Artikelthema. Dabei bildeten sich drei deutsch-polnische Tandems, die gemeinsam recherchierten und teilweise gemeinsam Artikel schrieben, teilweise zu einem Thema zwei getrennte Artikel in zwei Sprachen zu Papier brachten. Da zwei polnische Teilnehmer kurzfristig absagten, war es nicht möglich, dass alle Teilnehmenden in deutsch-polnischen Tandems arbeiten, so wie es ursprünglich geplant war. Dafür bildete sich noch ein deutsch-deutsches Team, zwei Teilnehmerinnen arbeiteten einzeln. Gut gestärkt ging es nach dem Mittagessen mit einem Workshop von Joanna Stolarek zum Thema „internationaler Journalismus“ weiter, in dem u.a. über Vorurteile zwischen Deutschen und Polen, die unterschiedliche Medien- und Politikwelt der beiden Länder sowie die Darstellung des jeweils anderen Landes in der heimischen Presse gesprochen wurde. Mit sehr vielen neuen Infos machten sich die Teilnehmer am Abend auf einen Spaziergang durch Görlitz und beantworteten die Fragen der Stadtrallye.

An diesem Abend ging es möglichst früh ins Bett, denn am Dienstag ging es früh raus. Schon um 7:00 Uhr verließen wir die Jugendherberge, um im Zug 2 ½ Stunden nach Breslau / Wroclaw zu fahren. Sogar auf der Fahrt wurde gearbeitet und die Artikelthemen nochmals weiter konkretisiert und ausgefeilt. In Breslau angekommen hatten wir eine Führung durch das TV-Studio „Echo24“. Die sehr netten Mitarbeiter gewährten uns einen ausführlichen Einblick in ihre Arbeitsräume und in ihren Alltag, auch unsere Fragen beantworteten sie geduldig. Wir speisten in ihrer Kantine, bevor es quer durch die Stadt erst zum Marktplatz ging, wo es eine Stunde Freizeit zur Stadterkundung gab, und dann zu unserem nächsten Meeting. Die Partei Nowoczesna Dolnoslaskie veranstaltete ein Sommerprogramm in Breslau. Wir trafen so sechs „Frauen mit Charakter“ und einen Mann aus unterschiedlichen Nichtregierungsorganisationen, u.a. KOD (Komitee zur Verteidigung der Demokratie) und Ruch Kobiety (Frauenrechtsorganisation). Zunächst stellten sich die Diskussionsteilnehmer vor, dann öffneten sie die Runde für Fragen. Die Diskussion wurde auch auf Video festgehalten:

Spät am Abend kamen wir zurück, ließen beim Abendessen den Tag Revue passieren und fielen schnell in unsere Betten.

Am Mittwoch begannen die Recherche und das Artikelschreiben. Die Teilnehmer suchten sich selbst Interviewpartner, sprachen mit Einwohnern auf beiden Seiten der Neiße oder entschieden sich für einen für uns angefragten Interviewgast aus Görlitz und Region. Wir hatten Besuch von Laterna Futuri, Matthias Limmer, Kulturbrücken und dem meetingpoint music messian. Ein Team machte sich auf den Weg zur Umweltbibliothek in Großhennersdorf. An diesem Tag wurde viel geredet, diskutiert, nachgedacht, gefragt und geschrieben. Am Ende des Tages standen viele angefangene und einzelne beendete Artikel. Nach dem Abendessen jedoch war erstmal keine Zeit zum Schreiben: Denn wir trafen vier Jungpolitiker (Jusos, Junge Union, Junge Linke, Junge Alternative) aus Görlitz zur Podiumsdiskussion. 90 Minuten lang drehte sich alles um Demokratie und ihren Wandel. Den Abend verbrachten die Teilnehmenden fleißig vor ihren Laptops mit tippenden Fingern und rauchenden Köpfen.

Am Donnerstag starteten wir nach dem Frühstück mit einem Planspiel von Bastian Schmidt zum Thema „Rechtsextremismus“ in den Tag. Die Teilnehmer waren Bürgermeister/innen, linke oder rechte Demonstranten oder in der linken, mittleren oder rechten Partei. Nachdem bei einer Demonstration ein junger Mann erschossen wurde, setzten sich die genannten Personen zusammen. Interessiert debattierten die Teilnehmenden auf Deutsch und Polnisch. Den restlichen Tag verbrachten sie damit, ihre Artikel weiter- und zu Ende zu schreiben, sie den Chefredakteuren zum Redigat vorzulegen und sie nochmals zu überarbeiten. Unser Fotograf Leonard Palm bearbeitete bis spät in die Nacht die Artikelfotos, die er während des Seminars geschossen hatte.

Am Freitag war schon der Abreisetag. In einer Feedbackrunde fragten wir die Teilnehmenden nach ihrer Meinung zu dem Seminar, bevor die Teilnehmenden in alle Ecken Polens und Deutschlands zurückfuhren. Das Feedback, welches wir bekamen, war sehr positiv. Die Programmpunkte und das Seminarthema wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als interessant wahrgenommen, auch der journalistische Inputworkshop und das ausführliche Besprechen der Artikel sowie die Möglichkeit des Interviewführens wurden gelobt. Einzig mehr kurze Pausen zwischen den Programmpunkten wurden gewünscht. Außerdem wurden weitere Programmpunkte vorgeschlagen, für die wir allerdings keine Zeit gehabt hätten.

Mir als Veranstalterin hat das Seminar sehr viel Freude bereitet. Die Gruppe war sehr offen und kommunikativ, ab dem ersten Tag war es wirklich eine Gruppe, in der keine Spaltung zwischen Deutschen und Polen zu erkennen war. Die Teilnehmer saugten das angebotene Wissen begeistert auf und ließen auch ihre Kenntnisse zu Polen und Deutschland in das Seminar miteinfließen. Die Unterkunft in der Jugendherberge war praktisch, wir hatten zum einen einen schönen Seminarraum und einen tollen Innnenhof, zum anderen ist Görlitz nur wenige Meter vom polnischen Zgorzelec entfernt, was durchaus von den Teilnehmenden genutzt wurde. Die doppelte Chefredaktion für polnische und deutsche Teilnehmer war gut, da so jeder auf seiner Muttersprache reden konnte. Wenn auch die Kommunikation unter den Teilnehmenden auf Deutsch, Polnisch und Englisch sehr gut funktionierte, so war es doch sehr wichtig, dass unsere zwei Sprachmittler die komplexen Seminarinhalte in beide Sprachen übersetzten, damit jeder die Möglichkeit hatte alles zu verstehen und seine Gedanken in seiner Muttersprache auszudrücken. Gerne würde ich ein weiteres deutsch-polnisches Tandemseminar durchführen.

Collage aus den Logos der Förderer: Axel Springer Stiftung, deutsch polnisches Jugendwerk, Stiftung für deutsch polnische Zusammenarbeit, Think Big und Erasmus + sowie dem Schriftzug "This Project was supported by"

Sofia Westholt

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