Communication is key – gerade in der Politik. Aber: Die Kommunikation zwischen der Bundespolitik und jungen Menschen ist an vielen Stellen ausbaufähig. Doch durch welche Maßnahmen und Formate kann sie die Gen Z besser erreichen?
Ein Wochenende im September – drei Tage, an denen man ziemlich viel unternehmen kann. Beispielsweise einfach mal den Wecker ausschalten und ausschlafen. Lange mit Orangensaft und frisch gebackenen Brötchen frühstücken. Zeit mit Freund*innen verbringen und ein bisschen über das Leben philosophieren. Oder auch einfach mal wieder feiern gehen und die Nacht zum Tag werden lassen.
Man kann diese drei Tage allerdings auch nutzen, wie etwa 200 junge Menschen, die vom 2. bis 4. September 2022 in Berlin Ostkreuz zur BundesJugendKonferenz (BuJuKo) 2022 zusammengekommen sind. Dieses Wochenende im September bedeutet für die Teilnehmer*innen, sich mit politischen Verantwortungsträger*innen auszutauschen, Probleme der gegenwärtigen politischen Situation zu reflektieren, Ideen und Lösungsansätze zu sammeln und vor allem, ein eigenes Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung zu schaffen.
Doch ein Wochenende im September auf diese Art und Weise zu verbringen, ist nicht selbstverständlich.
Zahlen zur Unzufriedenheit
Laut einer Studie der Vodafone Stiftung vom 9. Juni 2020 „Jugend will bewegen. Politische Beteiligung junger Menschen in Deutschland“ ist die Mehrheit der jungen Menschen, genauer gesagt 73 Prozent, unzufrieden damit, wie ihre Anliegen von der Politik berücksichtigt werden. Dabei spielen das Alter, das Geschlecht oder der Bildungshintergrund keine Rolle. Doch das bedeutet keinesfalls, dass es ein grundsätzliches politisches Desinteresse gibt. Von den Befragten 14- bis 24-Jährigen ist es 80 Prozent wichtig, die Politik in Deutschland mit beeinflussen zu können.
Die bis 2021 Vorsitzende der Geschäftsführung der Vodafone Stiftung, Inger Paus, beschrieb die Situation im Rahmen der Studie wie folgt: „[Es] gelingt […] uns bisher nicht, ihre [die der jungen Menschen] digitale Lebenswirklichkeit in konkrete politische Beteiligungsmöglichkeiten zu übersetzen.“ Wie kann also die Übersetzung in Hinblick auf die Kommunikation zwischen der Bundespolitik und der Generation Z initiiert werden?
Die Position der Ministerin
Bundesjugendministerin Lisa Paus war mit politikorange im Gespräch und gesteht ein, dass die Politik den Bedürfnissen der jungen Menschen tatsächlich nicht immer die nötige Beachtung schenkt, beharrt jedoch darauf, diese Herausforderung anzugehen: „Ich will das ändern“.
Doch ein allzu großes Problem in der Kommunikation sieht sie dabei nicht: „Ich glaube, wer sich informieren möchte, kann sich informieren. […] Natürlich kann auch die Bundesregierung noch versuchen, eine andere Sprache in ihren Presseerklärungen zu verwenden. Doch es gibt auch extra Medien, die das entsprechend aufarbeiten.“
„Da gebe ich ihr recht, aber das reicht nicht.“
Aber was sagt eigentlich die Zielgruppe, was sagen junge Menschen zu der Position der Ministerin? Kommen die Informationen wirklich da an, wo sie ankommen sollen? Im Rahmen der BuJuKo hat sich genau für dieses Thema eine Arbeitsgruppe zusammengefunden, die das Vorgehen der Bundespolitik reflektiert. Daniel Krusic, Teilnehmer der BuJuKo 2022 und des Workshops „Jugendgerechte Vermittlung von Politik“, vertritt diesbezüglich eine klare Position: Politiker*innen hätten die Pflicht, die Menschen über das zu informieren, was sie tun. Es sei „abgehoben“, zu sagen, die Menschen müssten zu den Politiker*innen kommen, wenn sie etwas wissen wollen. Proaktivität sei hier der Schlüssel. Politiker*innen stünden in einer Bringschuld, damit alle Menschen informiert werden können und das Wissen über aktuelle Politik kein Privileg wohlhabender oder bildungsnaher Haushalte sei.
„Da gebe ich ihr recht, aber das reicht nicht“, ist eine weitere Reaktion auf die Worte der Ministerin. Katja Pfeiffer, ebenfalls Workshopteilnehmerin, ist der Ansicht, dass ein umfangreiches Angebot an Mitwirkungs- und Informationsmöglichkeiten zwar vorhanden, doch das öffentliche Wissen darüber absolut ausbaufähig sei. Was bringen Workshops, Veranstaltungen und Seminare, wenn sie die Zielgruppe nicht erreichen?
Jugendgerechte Kommunikation
Leichte Sprache, Transparenz auf allen Ebenen, konkrete und zielgruppengerechte Inhalte oder auch die Arbeit mit bekannten Persönlichkeiten – das sind die Workshopergebnisse zu den Vorstellungen von jugendgerechter Politik. Worüber allerdings auch große Einigkeit besteht: „Es gibt nicht die eine Jugend“, ein Satz, der während er BuJuKo mehr als nur einmal fällt.
Das bedeutet: Es benötigt verschiedene Formate auf verschiedenen Kanälen für die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Jugendlichen. Dass das keine einfache Aufgabe ist, ist klar. Aber Studienergebnisse, Workshoperkenntnisse und persönliche Gespräche zeigen, dass die aktuellen Maßnahmen noch nicht ausreichen.
Corinna Koch, Host bei dem Instagram Kanal @jung_genug und Moderatorin der BuJuKo, ist der Auffassung, dass manchen Politiker*innen das Verständnis dafür fehle, wie es heutzutage ist, ein junger Mensch zu sein. Um dieses Verständnis auszubauen, sei Authentizität der Schlüssel. Es müsse sich entfernt werden von der Vorstellung, Politiker*innen sollten alles wissen. Stattdessen müssten diese viel mehr in den Dialog mit der Jugend treten und deutlich machen: „Ich weiß es zwar nicht, aber ich möchte es lernen“.
Die jungen Stimmen aus Parlament und Politik
Einen allgemeinen Knackpunkt sieht Heidi Reichinnek (34), Landesvorsitzende Die LINKE Niedersachsen und Mitglied des Bundestags (MdB) vor allem darin, dass Politik grundsätzlich nicht genug im Fokus junger Menschen stünde. Als mögliche Maßnahme wäre sie dafür, die Auseinandersetzung mit politischen Inhalten stärker in die Lehrpläne der Länder zu integrieren. Außerdem sagt sie: „Natürlich wäre ein übergreifender Auftritt [der Bundesregierung] in den sozialen Medien […] sehr sinnvoll.“ Eine Mischung aus Information und Unterhaltung sei das, was aus ihrer Perspektive funktionieren könnte.
Diesbezüglich würde ihr vermutlich auch Rachid Khenissi (26), Mitglied im Bundesvorstand der Jusos, zustimmen: „[…] Ich finde, dass die Bundesregierung noch viel mehr unter anderem auf soziale Medien setzen kann. Auch viel professioneller noch damit umgehen kann, als sie es jetzt schon tut.“ Ein mangelndes politisches Interesse kann er bei jungen Menschen definitiv nicht feststellen: „Früher gab es ja das Klischee: Politikverdrossenheit und Jugendliche. Ich finde das beschämend! Ich halte das überhaupt nicht für wahr. Jeder Mensch ist in sich irgendwie politisch. Egal, zu welchem Grad. Es fehlen halt nur die Plattformen. Ich glaube, es ist [teilweise] die Schuld derjenigen, die Politik machen, die Plattformen auch einfach nicht zur Verfügung [zu] stellen.“
Beispiele die zeigen, wie es geht
Auch wenn Plattformen fehlen, gewisse Kanäle zu einseitig sind und die Inhalte teilweise zu komplex vermittelt werden, bedeutet das trotzdem eines ganz klar nicht: Dass es gar keine Angebote gibt, eine jugendgerechte Vermittlung von Politik zu gestalten:
- Websites: Recht Relaxed, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die Landeszentralen für politische Bildung der einzelnen Bundesländer, mitmischen.de, Politikneugedacht, politikorange
- YouTube Kanäle: DIE DA OBEN!, Jung & Naiv, MrWissen2go, Marvin Neumann
- Podcasts: Drittstimme, Deutschland3000 – ‘ne gute Stunde mit Eva Schulz
- Instagram-Accounts: jung_genug, youmocracy, jugendcheck, doing.politics
Das sind nur ausgewählte Beispiele. Diese zeigen, dass trotz aller Kritikpunkte einige Möglichkeiten vorhanden sind, sich politisch zu informieren. Auch Jugendliche stehen in einer gewissen Eigenverantwortung: Man kann sich schließlich nicht über die Welt informieren, wenn man sich vor ihr verschließt.
Ein Wochenende im September – und darüber hinaus
Ein Wochenende im September wird mit vielem verbunden – für die Teilnehmer*innen der BuJuKo bedeutete es vor allem lebhafte Debatten, rauchende Köpfe und angeregte Kompromissfindungen.
Der Austausch, der an den drei Tagen zwischen Menschen aus ganz Deutschland und der Bundespolitik vor Ort stattgefunden hat, ist ein wichtiger Schritt in Richtung funktionierender Kommunikation zwischen diesen beiden Akteuren. Um es mit den Worten des bereits erwähnten Workshops zu sagen: „Jugendgerechte Kommunikation beginnt, wenn junge Menschen wissen, an wen sie ihre politischen Forderungen richten können.“
Junge politische Verantwortungsträger*innen im Bundesparlament und in den Parteien sind sich mit den Vertreter*innen der Generation Z über vieles einig: Es braucht mehr jugendliche Partizipation, eine einheitliche und zielgruppenorientierte Informationsvermittlung des Parlaments und der Regierung, die Einführung neuer, dialogorientierter Formate und die Anerkennung von „Jugendpolitik“ als „Zukunftspolitik“ (Rachid Khenissi).
Jede einzelne Person kann Teil des Meinungsbildungsprozesses der Gesellschaft sein. Gerade die sozialen Medien bieten heutzutage die Möglichkeit, niederschwellige Informationen zu erlangen, aber auch, eigenes Wissen weiterzugeben.
Die jugendgerechte Kommunikation von Politik ist nicht statisch, sondern ein Prozess. Ein Prozess, bei dem es darum geht, Politik in gemeinsamer Verantwortung zeitgemäß zu gestalten. Und zwar Politik für, mit und von Jugend.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
ganz toller Artikel!