Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz feierte vergangene Woche sein 10-jähriges Bestehen. Heike Fritzsche, Forscherin für Grundsatzfragen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), bezeichnet dieses Gesetz als einen Meilenstein der Gleichberechtigungspolitik. Auf der Facebook-Seite des ADS ist zu lesen: „Seitdem gibt es in Deutschland im Arbeitsleben und bei Alltagsgeschäften einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung wegen des Alters, einer Behinderung, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung und der sexuellen Identität.“ Klaus Schwerma, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesforum Männer, hingegen kritisiert, dass die Männer außen vorgelassen werden.
Gleichstellungspolitik wird als Frauenpolitik verstanden
Das Bundesforum Männer gründete sich 2010 mit 24 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kirche, Gewerkschaften und Sozialverbände, um Jungen, Männern, Söhnen und Vätern eine Stimme zu geben. „Auch wir Männer leiden unter Sexismus. Das strenge Rollenbild des Mannes lässt es nicht zu anders zu sein“, so der Sozialwissenschaftler Klaus Schwerma. „Gleichstellungspolitik wird in der Gesellschaft oft als Frauenpolitik verstanden“, bemängelt er.
Das Forum betrachtet es beispielsweise kritisch, dass Männern in der Debatte über Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht einbezogen sind. „Es reicht nicht, Frauen zu zeigen, sie seien für eine Karriere geeignet. Wir müssen auch Männern zeigen, dass sie für die Familienrolle geeignet sind“, so Schwerma. Er sieht es als notwendig, Männer aktiver als Väter zu denken. Gleichzeitig lobt er die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesing eingeführte Geschlechterquote, die große Unternehmen verpflichtet 30 Prozent ihrer Top-Stellen mit Frauen zu besetzen. Daran anknüpfend würde sich Schwerma allerdings wünschen, dass „typische Frauenberufe“ – vor allem in Erziehung und Pflege – attraktiver für Männer gestaltet werden. Um das Stereotyp des Geld verdienenden Managers zu verwerfen, müssten auch mehr Männer in die Kitas, Grundschulen und Pflege. „Es gibt zum Beispiel nur eine männliche Hebamme in ganz Deutschland“, belächelt Schwerma. Wenn Männer in diesen Bereichen tätig sind, dann meist ganz oben als Chefarzt oder Leitung.
Männer in der Opferrolle
Besonders Kriminalität und Gewalt sind Themen im Bundesforum Männer. Der Sozialwissenschaftler beschreibt, dass Männer primär als Täter und Frauen als Opfer gesehen werden. „Umgekehrt geht es aber auch. Jedoch trauen Männer sich selten Hilfe zu suchen“. So gibt es zwar eine Hotline der Frauennothilfe, aber keine explizit für Männer, die Opfer sexueller Gewalt sind. „Es ist zwar keine Benachteiligungsdiskriminierung, aber eine des Bedarfes“.
Laut Schwerma werden bereits in der frühkindlichen Erziehung Fehler begangen. „Oft sagen Mütter ihren Kindern, dass nur ,Weicheier‘ weinen.“ Er wünscht sich eine vorurteilslose Erziehung, die nicht auf das Geschlecht abzielt. „Ich würde niemals einem Jungen das Spielzeugauto wegnehmen. Jedoch würde ich ihm dazu ein pinkes T-Shirt schenken.“
Langfristig wünscht sich Schwerma, dass das Bundesfrauenministerium auch Männer als Thema, sowie im Namen aufnimmt, damit sich Männer vertreten fühlen.
Männer werden nicht systematisch diskriminiert
In vielen Punkten stimmt Heike Fritzsche dem Bundesforum Männer zu. Aber Männer würden nicht systematisch diskriminiert. So sieht sie zwar Diskriminierung gegenüber männlichen Mitbürgern, jedoch richte sich diese Diskriminierung an andere, sekundäre Eigenschaften, wie z.B. „fehlende-Männlichkeit“ oder Sexualität. Sexismus agiere unbewusst und sei tief in der Bevölkerung verankert, so Fritzsche . „Aber eines hat Sexismus immer gleich: Es geht um Macht.“
Es sei der weiße, heterosexuelle Mann, der die Notwendigkeit von Gleichstellungspolitik nicht anerkenne. „Es wird uns vorgeworfen, wir hätten ja so ,viel‘ erreicht, nun seien die Männer dran“, erzählt die Sexismus-Expertin, kann aber über solche Kommentare nur lachen.
Diese beiden Sichtweisen zeigen, dass die Gleichstellungspolitik noch nicht am Ziel angekommen ist. Auch in Zukunft wird die Gleichstellung von Mann und Frau Thema und Herausforderung für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sein.