Volker Beck (55) ist Abgeordneter der Grünen im Bundestag. In seiner Funktion als Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe macht er sich für ein gegenseitiges Verständnis beider Länder stark. Ein Portrait von Aras-Nathan Keul
Im Bundestag wartet bereits ein elegant gekleideter Volker Beck mit aufmerksamem Blick. An das Revers seines Jacketts hat er ein Anstecker mit deutscher und israelischer Flagge angeheftet. Beck hat ein Anliegen.
Seit 2013 ist er Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe und seitdem unermüdlich unterwegs, um sich für ein differenzierteres Israelbild in Deutschland einzusetzen. Nicht nur im Bundestag, sondern auch in Talkshows, Beiträgen in Zeitungen und über Facebook und Twitter hat er es sich zur Aufgabe gemacht, jüdisches Leben in Deutschland und Nahost zu schützen und zu unterstützen.
Der aus der Friedensbewegung stammende Grüne ist langjähriger Bundestagsabgeordneter und setzt sich vor allem für Menschenrechte ein: sei es im Kampf für die Gleichstellung Homosexueller, den Schutz religiöser Minderheiten oder im Engagement für die Entschädigungszahlungen an Jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu Zeiten des Nationalsozialismus.
Problematisches Israelbild in Deutschland
Spricht der Wahlkölner über die mit Israel verbundenen Probleme, so spürt man seine Leidenschaft für das Land. Egal ob im Netz oder am Rednerpult, immer wieder weist er einseitige Kritik gegen Israel zurück und plädiert für mehr Verständnis für die dortige Situation. Wolle man ein Missverstehen verhindern, dürfe die in Deutschland übliche Trennung von „rechts“ und „links“ nicht auf Israel übertragen werden. Die rechten Parteien in Israel stünden für eine entschlossenere Haltung in puncto Sicherheitsfragen und Kompromissbereitschaft mit den Palästinensern. Israel wisse, dass vor allem diese Sicherheitsfragen maßgeblichen Einfluss auf die Existenz des Landes haben. „Solange die Sicherheitsfrage nicht beantwortet ist, wird sich an der israelischen Politik nichts verändern“, da ist sich Beck sicher.
Für ihn liegt die Herausforderung darin, den Umgang der Deutschen mit Israel zu verändern. Am deutlichsten werden die Probleme wenn es um das Israelbild der Deutschen geht. Bei der Betrachtung der Vorgänge vor Ort würden doppelte Standards an Israel angelegt – anders als bei anderen Staaten. Mit Hinweis auf vermeintliche oder tatsächliche Probleme in Israel wünschten viele Kritikerinnen und Kritiker, sich ihrer historischen Verantwortung entledigen zu können. Dahinter steht für Beck eine falsch verstandene Schuld, die an der tatsächlichen Verantwortung vorbei führt: „Schuld hat die junge Generation nicht, die Leute verwechseln Schuld mit Verantwortung“. Daher plädiert Beck für eine stärkere deutsche Zivilgesellschaft, die einseitige Berichterstattung über Israel hinterfragen müsse und Antisemitismus nicht unwidersprochen stehen lassen dürfe. Für diese klaren Positionen sowie sein langjähriges Engagement wurde Beck im vergangenen Jahr vom Zentralrat der Juden mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet.
Aufforderung an die Zivilgesellschaft
Spricht Beck über den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland, nimmt er die Befürchtungen deutscher Jüdinnen und Juden sehr ernst – vor allem in Bezug auf einen durch Geflüchtete möglicherweise ansteigenden Antisemitismus in Deutschland. Gleichzeitig plädiert der migrationspolitische Sprecher seiner Partei dafür, diesen Menschen eine Chance zu geben. Viele seien zwar mit einer Ablehnung auf Israel groß geworden, doch oft sind sie genau vor diesen Hass predigenden Herrschern nach Deutschland geflohen: „Wir sollten über Haltung argumentieren, nicht über Herkunft.“ Dafür darf Becks Meinung nach jedoch das Problem des Antisemitismus nicht geleugnet, sondern muss offensiv angegangen werden. Integrationskurse können dabei nur ein Startpaket sein, für einen weiteren Schritt benötige es eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung.
Beck geht es nicht darum, der israelischen Demokratie etwas vorzuschreiben oder eingreifen zu wollen. Es geht ihm um die Wahrnehmung Israels in Deutschland. Für Beck bedeutet der jüdische Staat viel mehr als der Nahostkonflikt. Es sei ein Land, von dem Deutschland lernen könne – angefangen beim freien WLAN in der Knesset, das im deutschen Bundestag bis heute fehlt, bis hin zu den zahlreichen Start-Ups in Tel-Aviv. Bei dieser Vermittlung zählt für ihn vor allem der Jugendaustausch. Mehr junge Leute müssten selbst ein mal nach Israel reisen, um die Menschen und das Land vor Ort kennen zu lernen.
Was Beck sich für die Zukunft der Deutsch-Israelischen Freundschaft wünscht? Mehr Frieden, mehr freundschaftliches Verständnis für die andere Seite, oder wie Beck es augenzwinkernd ausdrückt: „mehr Langeweile“.