Grüne Jugend: Zerfall durch Austritt?

Politik

Erst Rücktritt und dann Austritt. Der Schritt des Bundesvorstands der Grünen Jugend sorgt für eine tiefe Verunsicherung innerhalb der Parteistrukturen. Folgt jetzt die Spaltung der Partei? Ein Kommentar.

Flagge der GRÜNEN. Benjamin Beckmann/ Unsplash

Katharina Stolla, Co-Vorsitzende des Bundesvorstands der Grünen Jugend, sprach von einem Entfremdungsprozess. „Es ergibt dauerhaft keinen Sinn, linke Opposition zu einer Politik zu sein, die die eigene Partei mitträgt“, sagte sie gegenüber dem SPIEGEL. Der Rücktritt und auch der Parteiaustritt treffen in der  Partei auf großes Unverständnis. Von der LINKEN wird der Schritt gefeiert. Werden sich die GRÜNEN nun endgültig spalten?

Zu viele Wahlniederlagen in den vergangenen Monaten und eine Ampel, für die die GRÜNEN ihre Werte verkauft haben. Die Partei steckt in der Krise und das nicht erst seit gestern. Dennoch, die Nachricht über den Parteiaustritt des gesamten Bundesvorstands kam wie ein Donnerschlag. Die Grüne Jugend war schon immer linker als die Partei. Stand häufig in ihren Positionen im Gegensatz zu dem, was gerade auf Bundesebene passiert. Und das ist gut so. Eine politische Partei lebt von Kontroversen auch innerhalb der Partei. Schließlich kann eine interne Veränderung nur von innen kommen – die grundsätzliche Ausrichtung der Partei kann sich nur von innen beeinflussen lassen. Gleichzeitig ist der Parteinachwuchs wichtig für die politische Arbeit. Die Jungen geben Impulse.

Umso größer ist die Kritik an der Art und Weise, wie dieser Austritt verkündet wurde. Der scheidenden Bundesvorstand hat scheinbar über Nacht eine Kampagne in die Wege geleitet. Dies hinterlässt einen bitteren Beigeschmack und es stellt sich die Frage, ob der Schritt nicht schon länger feststand. Ob das Amt des Bundesvorsitz der Grünen Jugend nicht dafür genutzt wurde, die eigene Jugendorganisation bekannter zu machen. Denn die Bundesvorsitzenden der Grünen Jugend genießen eine gewisse Bekanntheit. Ein solches Verhalten erinnert an den Personenkult rund um Sarah Wagenknecht. In der LINKEN hat der Austritt und die Gründung einer neuen Struktur eine starke Schwächung und den Verlust von Wähler*innen verursacht. Der Ausstieg des Bundesvorstands wird auf Instagram vor allem von Mitgliedern der LINKEN gefeiert wird. Über die Rolle der Partei in dem ganzen Prozess hat, lässt sich nur mutmaßen.

Der geschlossene Parteiaustritt und  die folgende Gründung einer neuen linken Jugendorganisation ist verantwortungslos.

Gerade in Zeiten, in der es einen zunehmenden Rechtsruck gibt, kann alles, was in einer Partei passiert für eine Schwächung sorgen. Auch der*die Vorsitzende einer Jugendorganisation trägt politische Verantwortung. Der Bundesvorstand wurde gewählt, die weiteren Mitgliedern haben den Personen ihr Vertrauen geschenkt. Dieses Vertrauen wurde missbraucht. Im Prinzip hat der aktuelle Bundesvorstand seit Bekanntgabe des Rück- und Austritts keine Legitimation mehr. Allein deswegen gibt es eine große Verunsicherung. Dazu kommt, dass viele Fragen offengeblieben sind. Beispielsweise inwiefern Parteimittel in die Neugründung der Jugendorganisation geflossen sind und weiterhin fließen.

Aber auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe ist fragwürdig. Am selben Tag trat bereits der gesamte Bundesvorstand der GRÜNEN zurück. Ein richtiger Schritt, um politische Verantwortung zu übernehmen. Der Schritt des Vorstands der Grünen Jugend ist dagegen absolut der Falsche. Es gab schon immer Stimmen innerhalb der Partei, die eher kritisch der Parteijugend eingestellt waren. Zu links. Zu rebellisch. Aber auch verantwortungslos. Der geschlossene Parteiaustritt und  die folgende Gründung einer neuen linken Jugendorganisation ist genau das – verantwortungslos. Er macht es einem neuen Bundesvorstand der Parteijugend nur noch schwerer, Vertrauen bei den „Altgrünen“ zu gewinnen. Die Skepsis wird bestehen bleiben, ob nicht auch wieder eine Bühne für die Gründung einer neuen Organisation missbraucht wird. Aber auch gegenüber den jungen Mitgliedern in der Partei ist der Schritt verantwortungslos. In den letzten Wochen und Monaten haben die Mitglieder für die Partei gekämpft. Für die Akzeptanz der GRÜNEN. Insbesondere in den Ostbundesländern, wie Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben sie sich Anfeindungen ausgesetzt. Am Ende hat es nicht gereicht und die AfD wurde in der Altersgruppe der 16–24-Jährigen zur großen Gewinnerin.

Wie geht es weiter?

Eine weitere Aufsplitterung in der politischen linken Jugendstruktur macht es den rechten Kräften nur noch einfacher. Schließlich sorgt der Rücktritt des Bundesvorstands bei jungen Menschen, die sich politisch engagieren möchten, für Orientierungslosigkeit. Welche Organisationsstruktur sollen sie wählen? Ist die Grüne Jugend noch ein vertrauenswürdiger Verband? Es wäre nicht verwunderlich, wenn es zu einer Welle an Austritten bei den GRÜNEN kommt. Wenn weniger Menschen eintreten und es schließlich wieder zu einem Einbruch der Umfragewerte kommt. Die „Altgrünen“ müssen sich unweigerlich mit der Situation in ihrer Jugendorganisation beschäftigen und auch über die Außenwirkung der vergangenen Tage. Es braucht heute eine Stabilität.

Was bleibt ist jedoch ein Scherbenhaufen, den der Bundesvorstand der Grünen Jugend verursacht hat. Eine Partei zu verändern durch kollektiven Austritt ist der falsche Weg. Die Veränderung muss von innen erfolgen. Der Austritt hat der Partei und wird der Partei in den nächsten Monaten schaden. Wenn die GRÜNEN nicht aufpassen, kann es schnell zu einer Zersplitterung kommen, wie bereits in der Vergangenheit bei der LINKEN. Und das würde zu einer massiven Schwächung der politischen Linken führen, was schließlich den Rechtsruck nur befeuert.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redaktion entstanden. Bei Fragen, Anregungen, Kritik und wenn ihr selbst mitmachen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@jugendpresse.de 

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