Wladimir Schirinowski und Marine Le Pen haben viel gemeinsam. Sie sind Vorsitzende rechtspopulistischer Parteien und haben um das russische bzw. französische Präsidentenamt kandidiert. Dabei schreckten sie nicht vor Misogynie und Rassismus zurück, um die Gunst auch rechtsextremer Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Von Julian Lesniewski.
Chauvinismus als politisches Kalkül
Laut aktuellen Umfragen ist Wladimir Wolfowitsch Schirinowski nach Wladimir Putin und Sergej Lawrow zurzeit der drittbeliebteste Politiker Russlands. Sein Verständnis von gelungener Politik ist, gelinde gesagt, rabiat: Während einer im Februar 2017 gehalteten Präsidentschaftsdebatte im russischen Fernsehen beleidigte Schirinowski Xenia Sobtschak, seine Gegnerin und gleichzeitig die einzige weibliche Kandidatin für das Amt, mit den tabuisierten „Mat“-Begriffen*. Diese stehen im Russischen für eine Ansammlung besonders derber, expressiver und vulgärer Schimpfwörter.
Bei einer anderen politischen Debatte wurde Sobtschak so stark denunziert, dass sie unter Tränen das Fernsehstudio verließ. Auch an dieser öffentlichen Demütigung war Schirinowski beteiligt.
Bei den russischen Präsidentschaftswahlen 2018 hat der Parteivorsitzende der nationalistischen Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR) das drittbeste Ergebnis eingefahren. Seine Denunziationen in den russischen Medien sind Kalkül: Schirinowski nutzt sie, um an Wählerinnen- und Wählerstimmen zu gelangen.
Ein besonderes Rederecht erlaubt es dem Hardliner, sich auf Wahlkampfveranstaltungen abwertend gegenüber politischen Gegnerinnen und Gegnern zu äußern. Davon machte Schirinowski in der Vergangenheit gern und ausgiebig Gebrauch.
Ende Januar traf er bei einer Präsidentschaftsdebatte in der Stadt Serpuchowo erneut auf Xenia Sobtschak – und wieder wurde die 36-Jährige zum Opfer wüster Beschimpfungen. Schirinowski ätzte, dass Sobtschak es in ihrem Alter gerade noch so geschafft hätte, zu heiraten. Darüber hinaus sei sie völlig ungeeignet, Präsidentin zu werden: Wenn jemand wie sie sich aufstellen lassen könne, werde nächstes Mal womöglich sogar eine Masseurin kandidieren!
Mit seinen misogynen Äußerungen versucht Schirinowski, bei Wählerinnen und Wählern stereotype Geschlechter-Vorstellungen à la „Frauen sollen zu Hause bleiben und sich um den Haushalt kümmern“ zu bestätigen. Dass er damit zumindest einen hohen Schauwert hat, zeigt sich auf YouTube: Ein Video, das einen der verbalen Ausfälle des 71-Jährigen gegen Xenia Sobtschak zeigt, ist auf YouTube bereits 200.000 Mal geklickt worden.
Hetze gegen den Islam
Was Schirinowski wohl dazu sagen würde, dass es in Frankreich eine Frau an die Spitze einer politischen Partei geschafft hat, die der LDPR gar nicht mal unähnlich ist? Die Rede ist von Marine Le Pen. Wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen vor ihr führt sie den rechtspopulistischen Front National an – und hat es binnen weniger Jahre bewerkstelligt, die Partei von einer rechtsradikalen, antisemitischen Protestgruppierung zu einer nationalistischen Volkspartei umzubauen, die unter den Französinnen und Franzosen immer mehr Zustimmung findet. So erhielt Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2017 ein Drittel aller Stimmen. Unter Jean-Marie Le Pen war sie auf höchstens zwölf Prozent gekommen.
Der Front National scheint massentauglich geworden zu sein. Womöglich liegt das daran, dass in den letzten Jahren antimuslimische Gewalttaten in Frankreich stark zugenommen haben. Marine Le Pen weiß, wie sie sich die antimuslimische Stimmung – die sich auch in anderen europäischen Staaten immer mehr auszubreiten scheint – für ihre Partei zunutze machen kann. So behauptete sie unter anderem, dass die „fortschreitende Islamisierung“ Frankreichs das „Überleben der Zivilisation“ infrage stelle.
Inhaltlich hat sich die ausländerfeindliche Ausrichtung des FN unter Marine Le Pen kaum geändert; lediglich der Ton ist etwas gemäßigter geworden, seit die frühere Abgeordnete des Europäischen Parlaments im Jahr 2011 den Vorsitz der Partei übernommen hat. Auch in Sachen Frauenrechte hat sich der Front National, entgegen jeder Erwartung, unter Le Pen nicht nach vorn bewegt. Erwähnt wird das Thema nur, wenn im gleichen Zug der „Islamismus“ kritisiert werden kann: so zum Beispiel, wenn der FN behaupten kann, dass er Frauen die „grundsätzlichsten Freiheiten“ wegnimmt.
Rassismus und die Diskriminierung von bestimmten Gruppen sind sowohl in Ost- als auch in Westeuropa ein zunehmend beliebtes Wahlkampf-Instrument nationalistischer und rechtsextremer Parteien. Von so etwas wie Anstand ist bei Politiker und Politikerinnen wie Schirinowski und Le Pen nichts zu sehen.
Einen Podcast zum Thema „Wahlerfolg dank Diskriminierung“ findet ihr hier: https://politikorange.de/2018/03/podcast-1-internationale-wochen-gegen-rassismus/