Mit 25,7% gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2021. politikorange-Redakteur Thomas Vollmuth hat mit der Berliner Sozialdemokratin Annika Klose über den Wahlsieg ihrer Partei gesprochen.
„Das Ergebnis trägt unserer vollzogenen Neuaufstellung Rechnung.” Annika Klose ist Direktkandidatin der SPD im Wahlkreis Berlin-Mitte und stolz auf die neu gewonnene Geschlossenheit ihrer Partei. Die SPD ist mit 25,7% die stärkste Fraktion der Bundestagswahl 2021 und Wahlsiegerin. In Umfragen vor einigen Monaten hatte die Partei mit 13% noch tief in der Krise gesteckt. Was hat sich verändert? Annika Klose lobt, dass die SPD jünger und weiblicher geworden ist, merkt jedoch an, dass dieser Erneuerungsprozess noch lange nicht abgeschlossen ist. „Wir müssen hart daran arbeiten, dass wir die Glaubwürdigkeit behalten und das Vertrauen der Menschen nicht enttäuschen.”
Der Ausgang der Wahl deutet auf eine Trendwende hin
Im Kontext vergangener Wahlen stellt das diesjährige Ergebnis ein Novum dar. Während die SPD 2019 bei den Landtags- und Bürgerschaftswahlen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen nur geringe Verluste einstecken musste, erzielte sie bei der Wahl zum Europäischen Parlament das schlechteste Ergebnis ihrer Parteigeschichte. Auch im rot geprägten Hamburg mussten die Sozialdemokrat*innen ein Jahr später Verluste hinnehmen. Die erste wirkliche Stabilisierung erfolgte schließlich in Rheinland-Pfalz. Für den Berliner Senat wird ein ähnliches Szenario erwartet, während die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern analog zur Bundestagswahl eine Aufwärtsrichtung andeuten.
Mehrere Gründe sprechen für den Erfolg der SPD
Der Erfolg der ältesten Partei Deutschlands hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Für Annika Klose war vor allem die Geschlossenheit und der Zusammenhalt ihrer Partei elementar. „Wir haben endlich die internen Grabenkämpfe beigelegt, eine linke Spitze gewählt, die das Vertrauen der gesamten Partei genießt und es geschafft, die Partei zu einen” Während sich CDU/CSU noch im Frühjahr mit der Kandidatenfindung beschäftigten, konnte die SPD in dieser Zeit bereits sämtliche Ressourcen auf den bevorstehenden Wahlkampf ausrichten. Ähnlich sieht das Klose: „Wir waren mit vielen jungen, linken Kandidat*innen auf der Straße mit neuen Formaten und haben den Menschen gezeigt: die SPD besteht eben nicht nur aus alten Herren am Stammtisch, sondern wird auch verkörpert durch Kevin Kühnert, Jessica Rosenthal oder mich.” Dieser junge Präsenz, im Wahlkreis und am Wahlstand, sorgte ihrer Aussage nach für einen zusätzlichen positiven Effekt. Auch Olaf Scholz sei ausschlaggebend für den Wahlsieg gewesen. Der erfahrene Vizekanzler hatte besonders während der Corona-Krise seine Regierungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Die zukünftige Abgeordnete ist zudem der Ansicht, dass das Erstarken der SPD teilweise auch am historisch schwachen Kanzlerkandidaten der Union liegt. „Selbst die Kanzlerin wollte ihn viele Monate nicht unterstützen”, unterstreicht Annika Klose ihre These.
Die alternativlose Ampel
Für die Sozialdemokrat*innen ergeben sich nun zwei Koalitionsmöglichkeiten. Besonders der linke Flügel der Partei begrüßte im Vorfeld eine Rot-Grün-Rote Bundesregierung. Auch Annika Klose favorisierte eine solche Konstellation. Aktuell erreicht die Linke allerdings nur 4,9 Prozent der Stimmen und ist nur dank ihrer Direktmandate im Bundestag. Eine rot-rot-grüne Koalition hat keine Mehrheit und Annika Klose fordert deswegen eine Ampel-Koalition.
Hubertus Heil spricht sich ebenfalls für ein Bündnis der SPD mit den Grünen und der FDP aus. Auf der Wahlveranstaltung des Progressiven Zentrums fordert er eine starke Regierung, die nach vorne schaut. Während er die Grünen und die Freien Demokraten als progressive Gewinner*innen bezeichnet, impliziert er zeitgleich die Rückwärtsgewandheit der Union. Ebenfalls an diese gerichtet merkt er an: „In einer Demokratie muss man sich Wahlergebnissen stellen und darf sich die nicht schönreden.”
Auch Olaf Scholz sieht den Regierungsauftrag bei Rot-Grün-Gelb. Welche Themen für ihn und seine Partei besonders wichtig sind, lässt er aber zunächst offen. Für Annika Klose ist sicher, dass sich die SPD zwar um einen Regierungsauftrag bemühen wird, aber klare inhaltliche Vorstellungen einbringt. Das verdeutliche den Unterschied zur Union, so Klose, da diese ihrer Meinung nach „derzeit eine völlig inhaltsentleerte Partei ist, die in den Koalitionsverhandlungen alles, was sie noch an Positionen hat, über Bord werfen wird.”
Die zweite Option, in welcher Union und SPD als Große Koalition gleichzeitig am Kabinettstisch sitzen, gilt als unwahrscheinlich. Der ehemalige Juso-Bundesvorsitzende und aktuelle Parteivize Kevin Kühnert, kündigte seinen Rücktritt aus dem Vorstand an, sollte es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen. Annika Klose sieht das wie ihr Parteikollege Kühnert: „Große Koalition ist wie Fahren mit angezogener Handbremse, man kommt einfach nicht voran.”
Nach wochenlangen Wahlkämpfen kann die Direktkandidatin aus Berlin-Mitte nun wieder Kraft tanken. Sie hat ihren Wahlkreis zwar nicht gewonnen, wird aber über die Berliner Landesliste in den Bundestag einziehen. Die erste konstituierende Sitzung des neu gewählten Parlamentes muss bis zum 26. Oktober stattfinden. In diesem Zeitraum könnten bereits erste Sondierungsgespräche geführt worden sein. Ob die zukünftige Abgeordnete aus Berlin-Mitte an der nächsten Regierungsfraktion beteiligt ist, entscheidet schließlich das Verhandlungsgeschick der einzelnen Parteivertreter*innen.